Corona im Landkreis:Rationierter Schutz

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Wirksame Ausrüstung gegen Corona ist ein knappes Gut. Das Landratsamt gibt sie streng nach Prioritätenliste aus, kann aber den Bedarf nicht immer decken. Besonders Masken sind rar - für private Anbieter ein gutes Geschäft.

Von Konstantin Kaip, Bad Tölz-Wolfratshausen

In Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie ist die nötige Schutzausrüstung knapp geworden. Dass der Markt hart umkämpft ist, bekommen auch die Ärzte und Pfleger im Landkreis zu spüren, die täglich in den Krankenhäusern mit Infizierten arbeiten oder in Alten- und Pflegeheimen mit Risikogruppen in Kontakt sind. Zwar verfügen die Krankenhäuser über ausreichend Schutzmasken und Kittel. Um sparsam damit umzugehen, gibt es in der Kreisklinik Wolfratshausen aber die Anweisung, dass sie möglichst eine ganze Schicht lang genutzt werden sollen. Und auch die Tölzer Asklepios-Klinik verfährt laut Sprecher Christopher Horn mit dem Material "ressourcenschonend entlang der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts".

Für die von Bund und Freistaat zentral gesteuerte Versorgung mit Atemschutzmasken, Kitteln, Handschuhen und Desifektionsmitteln ist das Landratsamt zuständig. Die Kreisbehörde habe sich seit Ausrufung des Katastrophenfalls in Bayern am 16. März "in einem Teil zu einem Logistikzentrum verwandelt", erklärt Landratsamtssprecherin Sabine Schmid. Das Material werde vom Technischen Hilfswerk (THW) angeliefert und müsse dann sortiert und ausgegeben werden. Damit könne man den Bedarf der Einrichtungen jedoch nur teilweise decken. Vor allem virensichere FFP2-Schutzmasken seien "nach wie vor Mangelware", sagt Schmid.

Verteilt werde das Material streng nach einer Prioritätenliste des Innenministeriums - vorrangig an Krankenhäuser, Pflege- und Altenheime, ambulante Pflegeeinrichtungen, Eingliederungseinrichtungen und Arztpraxen. Die Einrichtungen müssten jeweils ihren Wochenbedarf beim Landratsamt melden, die benötigte Ware werde dann anteilsmäßig verteilt. Insgesamt 150 Bedarfsmeldungen gibt es laut Schmid im Landkreis. Die Bestände seien in jeder Lagebesprechung des Katastrophenschutzes ein wichtiger Punkt. Komme eine Lieferung am Wochenende, sei das Logistikteam zur Stelle. Es werde sortiert und geprüft, wer Bedarf angemeldet habe. Gerade bei medizinischen Atemschutzmasken liege die gelieferte Menge aber meist unter den geforderten Stückzahlen. "Wir können nur das ausgeben, was wir bekommen", sagt Schmid.

Laut Mitteilung des Landratsamts wurden in den vergangenen vier Wochen mehr als 31 000 Mund- und Nasenschutzmasken und knapp 10 000 FFP2-Masken ausgegeben, sowie 177 000 Handschuhe und "viele, viele Liter Desinfektionsmittel", das auch von den Firmen Tunap, Pulcra und Rudolf im Landkreis gespendet worden sei. Landrat Josef Niedermaier bedankt sich in der Mitteilung herzlich bei den Spendern. "Mit diesem Mitteln haben sie uns außerordentlich unterstützt, sonst hätten wir bei Weitem nicht diese Mengen ausgeben können", erklärt er. Dennoch fehlt es an einigen Stellen. So konnten laut Landratsamt nur 50 Schutzbrillen verteilt werden. Auch die Schutzkittel gingen immer wieder schnell zur Neige.

Die Knappheit kreiert einen lukrativen Markt, der auch private Anbieter aufs Tableau bringt, die in den Krisenzeiten ein gutes Geschäft machen wollen. So bietet ein Heilpraktiker aus dem Landkreis, der auch Geschäftsführer eines Vertriebs für Gesundheitsprodukte ist, unter anderem FFP2-Masken an - für 4,98 Euro pro Stück, in Gebinden von bis zu 50 000, "kurzfristig aus Deutschland lieferbar". Er habe Gesundheitsämter, Landratsämter, Krankenhäuser und Pflegeheime angeschrieben, erklärt er auf SZ-Anfrage - und bereits Stückzahlen "im sechsstelligen Bereich" verkauft. Nur um das schnelle Geld gehe es ihm nicht, beteuert er. "Als mir in dieser Situation von Freunden angeboten wurde mitzuhelfen, diese zertifizierten Atemschutzmasken möglichst schnell zu den Menschen zu bringen, die sie wirklich brauchen, hat mein Herz sofort ja gesagt." Die Lage aber habe sich geändert. "Seit 14 Tagen bekomme ich gar keine Resonanz", sagt er - weder von den etwa 2500 Krankenhäusern, die er angeschrieben habe, noch von den Gesundheitsämtern. Vom Bundesgesundheitsministerium hat er ein Schreiben erhalten. "Die Bundesregierung konzentriert sich gegenwärtig bei der Beschaffung von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) auf direkte Vertragsbeziehungen mit Herstellern aus Asien", heißt es darin. "Wir bitten daher um Verständnis, dass - auch im Hinblick auf die Vielzahl der eingehenden Angebote und die logistischen Möglichkeiten - Ihr Angebot zurzeit nicht weiterverfolgt werden kann."

Das Landratsamt hat die letzte Eigenbestellung Anfang April gemacht - wie Schmid erklärt ein "seriöses Angebot, auch vom Preis". Inzwischen mache die Behörde keine "dezentralen Zukäufe" mehr, sondern verteile ausschließlich das Material, das von Bund und Freistaat zugeteilt werde. Alle privaten Anbieter, die sich an die Kreisbehörde wenden, würden an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) verwiesen, das für die zentrale Beschaffung zuständig sei.

In Tölz kümmert sich ein eigenes Team täglich um die Ausgabe des Materials. Rüdiger Rossol aus der Rechnungsprüfung und Holger Lortz aus dem Tourismus fahren die Ware auf Paletten durch die Gänge. Andreas Wüstefeld, Leiter des Tölzer Land Tourismus, und der Klimaschutzbeauftragte Andreas Süß hätten die Zahlen im Blick, berichtet Schmid. "Wie schnell die Bestände sich immer wieder gegen Null bewegen", zeige die Ausgabe der Vliesrolle, die etwa eine Woche vor Ostern angekommen sei, sagt Wüstefeld. "Binnen zwei Tagen war das gelieferte Material vergriffen." Den Stoff konnten die Gemeinden selbst vergeben, damit Freiwillige sogenannte Community-Masken nähen konnten. In der vergangenen Woche sei die zweite Lieferung gekommen. 3,2 Kilometer Vlies seien bis Freitag zugeschnitten, in Pakete gepackt und ausgegeben worden. "Auch der restliche Kilometer Stoff wird schnell Abnehmer finden", ist sich Wüstefeld sicher.

© SZ vom 23.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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