Umwelt- und Naturschutz:Alpenvorland im Stress

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Auch das Voralpenland, hier der Blick aufs Brauneck, ist vom Klimawandel bedroht. (Foto: Manfred Neubauer)

Friedl Krönauer, Kreisvorsitzender beim Bund Naturschutz, warnt in Benediktbeuern vor den rasanten Veränderungen durch den Klimawandel. Geschützt werden müsse weniger die Natur, als der Mensch.

Von Petra Schneider, Benediktbeuern

Die verheerenden Folgen des Hagelunwetters sind auch nach acht Monaten im Kloster Benediktbeuern noch sichtbar: Gerüste und Planen auf Dächern und Fassaden, viele Räume können nicht genutzt werden. Einen plakativeren Ort hätte sich Friedl Krönauer, Kreisvorsitzender beim Bund Naturschutz, für seinen Vortrag wohl kaum finden können. Über "die Alpen und das Vorland im Klimastress" sprach Krönauer am Mittwochabend vor etwa 30 Zuhörern im ehemaligen Kuhstall des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK), der den Hagel unbeschadet überstanden hat.

Krönauer, der seit Jahren auch bei der Bergwacht aktiv ist und die Alpen wie seine Westentasche kennt, fasste in vielen Zahlen, Grafiken und Fotos zusammen, wie sich die Landschaft in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Wie sich Gletscher, etwa am Großglockner, immer weiter zurückziehen. Wie die Fichten in den Bergwäldern immer magerer werden und ganze Flanken abbrechen, weil die Bäume den Boden nicht mehr halten können. Wie Moore von Drainagen durchzogen sind, damit die Bauern Grünlandflächen anlegen können.

"Die Prozesse verlaufen rasend schnell", sagt der Kreisgruppenvorsitzende des Bund Naturschutz Friedl Krönauer bei seinem Vortrag in Benedikteuern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Viel Optimismus verbreitete Krönauer nicht. "Die Prozesse verlaufen rasend schnell", sagte er. So sei man davon ausgegangen, dass der Gletscher auf der Zugspitze noch 50 Jahre erhalten bleibe. Im vorigen Jahr habe man diese Prognose korrigiert: Bereits in 20 Jahren werde er geschmolzen sein. Grund für die Klimaveränderung ist der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre, der vor allem durch Verbrennungsvorgänge seit den 1950-er Jahren auf einen Höchststand gestiegen ist. Mit der Folge, dass es auch in der Antarktis wärmer wird. Dadurch verlangsamt sich der Jetstream, was dazu führt, dass Hoch- und Tiefdruckgebiete, die für das Wetter verantwortlich sind, sich weniger schnell bewegen. Das führt vor allem im Alpenraum zu Dauerregen und Starkregenereignissen und begünstigt Katastrophen wie das Hagelunwetter. "Solche Extremereignisse steigen signifikant an", sagte Krönauer, verschärft würden sie durch mehrere Faktoren. So seien in den vergangenen 14 Jahren die Gletscher um 17 Prozent geschwunden; bedingt durch einen Temperaturanstieg, der in den Alpen seit den 1970-er Jahren bei etwa 1,8 Grad liegt. Wenn die Gletscher schmelzen und der Druck durch die Eismassen fehlt, drohen Muren und Erdrutsche.

Gleiches passiert, wenn der Permafrost auftaut, der so etwas wie "der Klebstoff der alpinen Landschaft" sei. So sei vom 3396 Meter hohen Fluchthorn im Silvretta-Massiv im Juni 2023 eine Million Kubikmeter Fels abgebrochen. Die Natur helfe sich selber, sagte Krönauer. "Es geht um den Menschenschutz". Und darum, "dass unsere Kinder und Enkel eine faire Chance haben, gut leben zu können."

Die Loisach-Kochelsee-Moore in der renaturierten Tölzer Moorachse können das Klima schützen. (Foto: Manfred Neubauer)

Was helfen kann, sind robuste Wälder und intakte Moore. Sie speichern Wasser und beugen Überschwemmungen vor. Moore sind während der letzten Eiszeit vor 12 000 Jahren entstanden. Weltweit sind 99 Prozent zerstört, in Deutschland 96 Prozent. Seit dem 17. Jahrhundert wurden Moore entwässert und Torf als Brennstoff genutzt. In den 1970-er Jahren wurden vermehrt Drainagen und Gräben gezogen, um Moore als Grünland nutzbar zu machen. Mit fatalen Folgen, denn Moore sind wichtige CO₂- und Wasserspeicher. Entwässerte Moore führen zum Verlust wiesenbrütender Arten, wie dem Braunkehlchen, dem Kiebitz oder dem Großen Brachvogel. Außerdem gehe bis zu eineinhalb Meter Boden durch die Entwässerung verloren.

Ein positives Gegenbeispiel sei die Tölzer Moorachse, bei der seit 2003 Flächen in einem Nord-Süd-Verbund im Landkreis renaturiert werden. Krönauer betonte, dass er nicht "gegen die Landwirte wettern" wolle. Denn sie würden fast schon dazu gezwungen, höhere Erträge zu erwirtschaften. Investitionen in einen Freilaufstall etwa rechneten sich oft nur, wenn Bauern ihren Viehbestand vergrößern. Bedeutet: Mehr Futter und mehr Grünlandflächen sind nötig. Wenn früher pro Jahr dreimal gemäht wurde, habe sich diese Taktung nun verdoppelt. Bauern mähten auch deshalb öfter, weil kurzes Gras einen höheren Eiweißgehalt habe und so die Milchleistung der Kühe gesteigert werde.

Die Fichten, die noch viele Wälder dominieren, sind keine klimaresistente Art. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch ein intakter Bergwald saugt Wasser auf, bindet CO₂ und schützt vor Lawinen und Muren. Die Bedrohung durch den sauren Regen in den 1980-er Jahren sei einigermaßen im Griff, sagte Krönauer. Allerdings bedrohe nun die klimabedingte Massenvermehrung von Schädlingen wie dem Borkenkäfer den Wald. Dass die Fichte keine klimaresistente Art sei, habe sich bei den Waldbauern inzwischen herumgesprochen. Ein Waldumbau sei nötig, dauere allerdings Jahrzehnte. Auch ein zu hoher Wildverbiss sei ein Problem. "Wild hat seine Berechtigung, aber der Wald muss seine Schutzfunktion behalten."

Was den Klimaschutz anbelangt, sieht Krönauer vor allem die Politik in der Pflicht. "Ich finde es furchtbar, dass man uns Bürgern die Schuld zuschiebt und strukturelle Probleme nicht angegangen werden, weil Lobbyisten dagegen arbeiten." Wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel habe man 40 Jahre lang versäumt. Ein aktuelles Beispiel sei ein Gesetz zur europaweiten Renaturierung von Mooren. Das liege fertig in der Schublade, werde aber bis zur Wahl gestoppt. Sein Appell: "Schaut euch genau an, welche Partei was verhindert in Brüssel und in Deutschland."

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