Walchenseekraftwerk:Juwel der Stromversorgung wird poliert

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In schwindelerregender Höhe finden die Sanierungsarbeiten am 44 Meter hohen Portal des Umspannwerks am Walchenseekraftwerk statt. (Foto: Christian Poppe/Bayernwerk AG)

Die Bayernwerk AG saniert das 100 Jahre alte Portal des Umspannwerks für rund 215 000 Euro. Die Arbeiten an dem 44 Meter hohen Metallgerüst sind aufwendig und ein richtiger Knochenjob.

Von Klaus Schieder, Kochel am See

Die Arbeiten finden in schwindelerregender Höhe statt. 44 Meter ragt das Portal des Umspannwerks am Walchenseekraftwerk in die Bergluft empor - ein Metallgerüst, das 100 Jahre alt ist, unter Denkmalschutz steht und jetzt einen frischen Anstrich braucht. Die zehn Facharbeiter einer Spezialfirma aus Jena klettern an den Verstrebungen hinauf und in ihnen herum, mit Y-Haken und Seilen gesichert wie Hochalpinisten. Mehr noch: Sie tragen Atemschutz, Gehörschutz, Spritzschutz. Stundenlang müssen sie oben auf den schmalen Metallstreben stehen, wenn sie die alte Farbe entfernen, was in den Sohlen langsam zu Druckschmerz führt. Und wenn sie die neue Farbe auftragen, müssen sie diese in zwölf Kilogramm schweren Eimer erst einmal hinauftragen. "Das ist ein Knochenjob, es ist extrem anstrengend", sagt Christian Poppe, Projektleiter der Bayernwerk AG.

Der Zustand des Portals ist so schlecht, "dass eine partielle Ausbesserung nichts mehr bringt"

Aber auch dringend notwendig. 1924 ging das von Oskar von Miller geplante Walchenseekraftwerk in Betrieb, seither wurde das historische Portal zwar immer wieder stellenweise hergerichtet. Aber nun, sagt Poppe, sei "der Zustand so schlecht, dass eine partielle Ausbesserung nichts mehr bringt". Mit anderen Worten: Die alte Farbe muss komplett entfernt, eine neue Beschichtung zum Schutz vor Verwitterung und Korrosion aufgetragen werden. Die soll dann auch ein Vierteljahrhundert lang halten. Für die Sanierung hat die Bayernwerk AG etwa 215 000 Euro veranschlagt.

Atemschutz, Gehörschutz, Spritzschutz: Projektleiter Christian Poppe (li.) und Servicetechniker Lorenz Demmel von der Bayernwerk AG zeigen, was die Facharbeiter im Gerüst tragen müssen. (Foto: Christian Martens/Bayernwerk AG)

Ganz oben am Portal haben die Arbeiter eine spezielle Einhausung aus Planen angebracht, die wie ein unförmig-schlaffer Ballon nach unten hängt. Damit werden Reste der Farbe aufgefangen, die mitunter noch aus den Anfangsjahren des Walchenseekraftwerks und des Umspannwerks stammt, und auch Schadstoffe wie Blei enthalten kann. Damit nichts davon in die Umwelt gelangt, hat die Bayernwerk AG diese Auffangmethode entwickelt.

Eine Anwohnerin beschwert sich über den Lärm der Druckluftnadler

Plötzlich wird es ohrenbetäubend laut. Mit sogenannten Druckluftnadlern - kleinen Pistolen, aus deren Metallrohren viele Mini-Hämmer schießen - lösen die Arbeiter die alten Farbschichten ab. Das gefällt einer Anwohnerin gar nicht. Sie läuft vom Nachbarhaus herbei und beschwert sich. Der Krach sei unzumutbar, sagt sie: "Könnt ihr euch nicht etwas einfallen lassen?" Sie verstehe ja, dass die Sanierung nötig sei, aber gegen solchen Lärm müsse etwas unternommen werden. Christian Martens, Pressesprecher der Bayernwerk Netz GmbH, beruhigt die Anliegerin und verspricht, später noch mit ihr zu reden.

Das Hämmern ist nur ein Teil der Arbeiten, die am 25. September begonnen haben und noch zwei Wochen dauern, sofern es nicht regnet oder zu windig wird. Wenn die alte Farbe entfernt ist, wird ein neues, aber ähnliches Zementgrau aufgetragen, und zwar in drei Schichten. Dies ist erforderlich, weil das historische Metallgerüst nicht wie moderne Masten verzinkt ist. Verwendet würden rund 1830 Kilo einer neuartigen Spezialfarbe, erläutert Poppe. "Sie hat den Vorteil, dass ich sie bei Feuchtigkeit auftragen kann." Was bei den Nebelschwaden, die im Herbst die nahen Bergwälder umhüllen, nicht ganz unwichtig ist.

Weil das alte Portal nicht wie moderne Masken verzinkt ist, muss die neue Spezialfarbe in mehreren Schichten aufgetragen werden. (Foto: Klaus Schieder)

Während der Sanierung wird immer der Stromkreis ausgeschaltet, der von den Arbeiten am Portal betroffen ist. Dies dient der Sicherheit der Facharbeiter, beeinträchtigt jedoch nicht die Stromversorgung für die Region. Bei den geplanten Schaltungen stünden "alternative Leitungen im Netz" bereit, so Martens. Während das Walchenseekraftwerk, das seit einem Jahrhundert Strom erzeugt, vom Uniper-Konzern betrieben wird, ist die Bayernwerk AG für die Verteilung des Stroms in die Region - in Richtung Murnau, in Richtung München - und damit fürs Umspannwerk zuständig. Das Portal selbst bildet das Ende der Hochspannungsleitungen und den Eingang der Stromleitungen zum Umspannwerk. Die von den Generatoren erzeugte Energie müsse "hochtransformiert werden, um sie übertragen zu können", sagt der Projektleiter.

Die Arbeiten an dem historischen Gerüst finden Poppe zufolge unter den Vorgaben des Denkmalschutzes statt. Denn wie die gesamte Kraftwerksanlage als Ensemble ist auch das Portal geschützt. Bei der Sanierung geht es für die Bayernwerk AG nicht bloß um Technik, sondern auch um ein Zeugnis bayerischer Geschichte. "Das Portal am Walchenseekraftwerk ist ein Juwel, um das wir uns mit besonderer Sorgfalt kümmern", versichert der Projektleiter. Dies sei schließlich die "Wiege der Stromversorgung" in Bayern. Die Leitungstrassen und Umspannwerke in dem Stromnetz, das Oskar von Miller seinerzeit aufgebaut habe, seien "bis heute wichtige Streckenverläufe und Knotenpunkte im Verteilnetz des Bayernwerks".

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