Tourismus in Bayern:"Der Walchensee platzt im Moment aus allen Nähten"

Lesezeit: 4 min

Übernachtungen und touristische Aktivitäten sind wieder sehr gefragt - vor allem in Bad Tölz-Wolfratshausen, trotz der Pandemie und des schlechten Wetters. Eine Bestandsaufnahme.

Von Kathrin Müller-Lancé

Zwei Mal muss Bozo Lukac, Wirt des Marienhofs in Bad Tölz, das Gespräch am Telefon kurz unterbrechen - die Gäste verlangen nach ihm. Wie immer in den Sommermonaten ist sein Hotel auch dieses Jahr gut gebucht, trotz oder gerade wegen der Pandemie. Lange hat Corona den Tourismus in Bad Tölz-Wolfratshausen und Umgebung ausgebremst. Nach einer schweren Zeit im Winter und Frühjahr geht es den Hotelbesitzerinnen und -besitzern langsam wieder besser.

Wie schon im vergangenen Corona-Sommer scheint die Region sogar davon zu profitieren, dass viele Deutsche sich wegen der Pandemie für Urlaub im eigenen Land entscheiden. "Die Klientel ist eine andere als früher", sagt Bozo Lukac. In seinem Hotel hätten dieses Jahr sehr viele Reisende eingecheckt, die zum ersten Mal in der Gegend seien. "Das ist gar nicht so einfach, wenn man sonst Pauschalurlaub im Ausland gewöhnt ist", sagt der Wirt lachend.

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Dass sich der Tourismus im Landkreis langsam erholt, bestätigen Zahlen des Landesamts für Statistik. Im Juni kamen in Bad Tölz-Wolfratshausen rund 20 Prozent mehr Übernachtungsgäste an als im gleichen Monat im vergangenen Jahr - allerdings knapp ein Drittel weniger als im Jahr 2019, also vor Corona. Viel deutlicher zeigen sich die Pandemie-Einbußen in der Halbjahresbilanz: Von Januar bis Juni besuchten den Landkreis dieses Jahr nur etwa 57 000 Übernachtungsgäste - gegenüber 183 000 im Jahr 2019. Der Lockdown im Frühjahr hat Spuren hinterlassen.

"Wie erwartet ging es an Pfingsten etwas zäh los", berichtet die Tölzer Kurdirektorin Brita Hohenreiter. Seit Juli hingegen gebe es in den Beherbergungsbetrieben kaum noch Lücken. "Es ist ein riesiges Problem im Moment, kurzfristig etwas zu finden." Dazu komme ein in Teilen begrenztes Angebot: Manche Häuser dürfen wegen der Hygieneauflagen nicht voll ausgelastet werden. Einen besonderen "Run" gebe es in diesem Sommer auf Ferienwohnungen, beobachtet Hohenreiter. Diese böten schließlich mehr Platz und Unabhängigkeit als kleine Hotelzimmer.

Wie der Tölzer Wirt Lukac berichtet auch Hohenreiter von vielen Touristinnen und Touristen in der Region, die sonst im Ausland Urlaub machen würden: "Als Mallorca zum Hochinzidenzgebiet erklärt wurde, hatten wir am nächsten Tag Unmengen von Anfragen." Vom schlechten Wetter ließen sich nur die wenigstens abschrecken. Zu groß scheint der Bedarf, endlich wieder Urlaub machen zu können.

"Wir merken Corona an jeder Stelle"

Große Einbußen bei ausländischen Urlauberinnen und Urlaubern habe man nicht zu verzeichnen, sagt Hohenreiter. Damit hätten eher die großen Städte zu kämpfen. "Gott sei Dank waren wir hier noch nie vom Auslandsmarkt abhängig." Dem Landesamt für Statistik zufolge kamen im ersten Halbjahr 2019, also vor Corona, etwa sieben Prozent der Übernachtungsgäste im Landkreis aus dem Ausland, im ersten Halbjahr dieses Jahres etwa vier Prozent.

Auch die Zimmer im Gasthof Edeltraut in Walchensee sind größtenteils mit deutschen Gästen belegt. Es kämen aber nach wie vor ein paar ausländische Besucher aus Österreich oder den Niederlanden, erzählt die Junior-Wirtin Alexandra Öttl. Über die Sommerferien ist ihre Pension komplett ausgebucht. "Der Walchensee platzt im Moment aus allen Nähten." Manchmal klingele ihr Telefon im Fünf-Minuten-Takt, sagt die Wirtin.

Obwohl der Betrieb momentan gut läuft, erklärt sie: "Wir merken Corona an jeder Stelle." In der angeschlossenen Gaststätte habe man die Bestuhlung anpassen müssen und die Tischdecken aus Hygienegründen entfernt. Hin und wieder komme es zu Diskussionen wegen des Maskentragens. "Das ist ärgerlich. Wir sind ja eine Wirtschaft und kein Kindergarten", sagt Öttl.

Wer aktuell in einem Hotel oder einer Pension in Bayern eincheckt, muss geimpft, genesen oder getestet sein. Als die Inzidenz noch über 50 lag, war sogar alle 48 Stunden ein Test fällig. "Im Frühjahr haben schon ein paar Leute abgesagt oder umgebucht, weil sie darauf keine Lust hatten", sagt Öttl. Jetzt gebe es nur noch das Problem zu weniger Testzentren. Manche Gäste müsse sie bis fast nach Garmisch schicken, weil es in der Nähe kaum noch Möglichkeiten zum Testen gebe. Die meisten Ankömmlinge seien aber ohnehin bereits doppelt geimpft.

Für die Campingplätze im Landkreis gilt ebenfalls die Drei-G-Regel. "Im Moment läuft es richtig gut", sagt Susanne Huber, Betreiberin des Campingplatzes "Beim Fischer" in Sankt Heinrich. Ähnlich wie im vergangenen Jahr sei die Nachfrage auch in diesem Corona-Sommer sehr hoch, immer wieder müsse sie Leuten absagen. "Vor allem am Anfang der Saison hat man gemerkt, wie erleichtert die Leute waren, dass sie endlich mal von zu Hause rauskamen", erzählt Huber. Hin und wieder komme es vor, dass sie Menschen, "die nicht an dieses Virus glauben", nach Hause schicken müsse, der Großteil der Gäste aber halte sich an die Regeln.

In der Hauptsaison ist es in Lenggries immer voll - auch in diesem Jahr

Um den Campingplatz coronatauglich zu machen, haben die Betreiber einige Vorkehrungen getroffen: Die Rezeption wurde ins Freie verlegt, im Sanitärgebäude stehen Trennwände zwischen den Waschbecken und die Türen bleiben offen. "Die Leute finden es gut, wie wir damit umgehen", sagt Huber. Nur hin und wieder gebe es Probleme, zum Beispiel wenn Gäste aus Bundesländern mit anderen Regeln anreisen: "In manchen Ländern brauchen Kinder erst ab zwölf Jahren einen Testnachweis, in Bayern aber schon ab sechs Jahren. Das ist schon ziemlich umständlich."

Dass der Tourismus im Landkreis zumindest in den vergangenen Wochen fast wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht habe, stellt auch Anneliese Kaltenhauser von der Tourist-Information Lenggries fest. "In der Hauptsaison sind wir eigentlich immer voll, das gilt auch für dieses Jahr."

Nicht nur Zimmer und Ferienwohnungen seien sehr gefragt, sondern auch Freizeitangebote. Weil unter anderem bei geführten Wanderungen wegen Corona nur noch weniger Personen teilnehmen dürfen, habe man das Angebot ausgebaut, so Kaltenhauser. Die Laternenwanderungen für Familien finden jetzt öfter statt.

Trotz der aktuellen Auslastung seien alle aber froh, dass der Betrieb endlich wieder losgeht, sagt Kaltenhauser. Die Tölzer Kurdirektorin Hohenreiter bekräftigt: "Das ist zwingend notwendig für die Gastgeber und die Freizeitindustrie." Man hoffe, dass es nicht allzu schnell wieder vorbei sei.

© SZ vom 14.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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