Bad Tölz-Wolfratshausen:Bangen am Badesee

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Zur Hochsaison ist das Ambacher Erholungsgelände voll. Der Strandabschnitt des Starnberger Sees ist wegen des flachen Wassers besonders bei Familien mit kleinen Kindern beliebt. Weil immer mehr von ihnen noch nicht schwimmen können, müssen ihre Eltern dennoch besonders aufpassen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Sommer ist da, doch viele Kinder können noch nicht schwimmen. Die Wasserflächen sind knapp, die Wartelisten bei den Kursen lang. Das vergangene Corona-Jahr hat die Lage noch verschärft - zum Frust vieler Eltern.

Von Moritz Hackl, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Badesaison ist längst eröffnet, überall zieht es Familien an die Seen. Doch von sorglosen Badetagen kann bei vielen keine Rede sein. Denn etliche Kinder können noch nicht schwimmen. Das vergangene Corona-Jahr hat die ohnehin schwierige Lage im Landkreis noch verschärft. Die knapp bemessenen Wasserflächen waren in den Lockdowns geschlossen, Kurse konnten nicht stattfinden. "Es läuft momentan gar nichts", sagt Martina Hüller. Die Geretsriederin ist derzeit wie viele andere auf der Suche nach Schwimmunterricht für ihre drei Kinder. Doch überall, wo sie anruft, sind die Kurse voll und die Wartelisten lang. Für diesen Sommer hat sie die Hoffnung schon aufgegeben: "Es steht in den Sternen, wann es für unsere Kinder einen Platz geben wird", sagt sie.

Das Problem sei nicht neu, berichtet der Jugendleiter der Wasserwacht Wolfratshausen, Jakob Jungmeier. "Auch vor Corona konnten nicht alle Kinder, die gerne einen Kurs gemacht hätten, einen Platz bekommen." Es gebe schlicht zu wenige Schwimmbäder. Wo neue gebaut werden, schließen die alten, und die notwendigen Wasserflächen zum Trainieren fehlen. Wie beim alten Hallenbad in Geretsried, dessen Türen auch nach dem Lockdown für immer geschlossen bleiben. Und das neue interkommunale Hallenbad öffnet erst im September, also nach den Sommerferien. In Wolfratshausen ist das marode Weidacher Lehrschwimmbad, in dem einst viele Kinder schwimmen lernten, seit Jahren geschlossen. Ersatz ist geplant, aber erst in etlichen Jahren in Sicht. Die vielen Seen im Landkreis seien nicht ideal, um Anfängern die Grundkenntnisse und Techniken beizubringen, sagt Jungmeier. "Für den Schwimmunterricht mit Anfängern brauchen wir einsehbare Wasserflächen, wo auch unter Wasser gute Sicht herrscht."

Die Pandemie hat das Problem nicht erzeugt, aber Corona hat die schon raren Plätze weiter verringert. "2020 haben wir zwei Kurse angefangen, die wir beide wieder abbrechen mussten, weil die Schwimmbäder pandemiebedingt geschlossen haben", sagt Stefanie Dienel von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Schäftlarn-Wolfratshausen. "Wir haben jetzt das Glück, dass das Schwimmbad in Ascholding für uns aufgemacht hat und wir dort trainieren können." Doch auch die sechs Kurse pro Jahr, welche die DLRG in normalen Jahren anbietet, reichten nicht, um allen Kindern das Schwimmen beizubringen. "Die Wartelisten", sagt Dienel, "waren auch vor Corona schon voll."

Nicht nur bei DLRG und Wasserwacht sind die Kapazitäten begrenzt. "Es gibt immer weniger Schwimmunterricht an Schulen", sagt Jungmeier. Das Risiko, bei einem Unfall haften zu müssen, sei den meisten Lehrkräften zu hoch. Zumal bei einem Verhältnis von 30 Schulkindern zu zwei Lehrern ein Schwimmunterricht, der den Kindern alle notwendigen Grundlagen nahebringt, kaum möglich sei. "Bei unseren Kursen kommen fünf Trainer auf 15 Kinder", sagt er. Überhaupt sei ein Schwimmkurs für Anfänger immer nur ein erster Schritt. Mit dem Seepferdchen-Abzeichen könnten Kinder eine Strecke von 25 Metern schwimmen, was sie aber nicht auf die Gefahren in Seen, Flüssen und im Urlaub auf dem Meer vorbereite. "Eigentlich sollte das Bronze-Abzeichen das Mindeste sein", sagt Jungmeier. "Da müssen Kinder sich 15 Minuten lang über Wasser halten."

Im Jahr 2019 hat die Wasserwacht Bayern die Aktion "Bayern schwimmt" ins Leben gerufen: Im ganzen Freistaat wurden Schwimmkurse abgehalten, 4000 Kinder haben innerhalb von fünf Tagen Abzeichen erworben. Eine Fortsetzung der Aktion war im vergangenen Jahr wegen der Schwimmbadschließungen nicht möglich. Stattdessen haben die Wasserwachten Trainingsvideos aufgenommen und ins Internet gestellt. "Wir wollen den Eltern zumindest eine theoretische Grundlage an die Hand geben, damit sie ihren Kindern das Schwimmen beibringen können", sagt Jungmeier. "Es ist wirklich wichtig, dass die Kinder mit Wasser in Kontakt kommen."

Beim Schwimmenlernen gehe es auch um "Respekt vor dem Wasser", sagt der Jugendleiter. Er habe schon viele Fälle erlebt, in denen Kinder sich in Gefahr gebracht hätten, weil sie die Kraft des Wassers unterschätzt hätten. Und das Tückische an Wasserunfällen mit Kindern sei: "Sie sind lautlos. Kinder strampeln und schreien nicht, wenn sie ertrinken - sie ertrinken leise", sagt Jungmeier. Umso wichtiger sei es, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht gerecht werden.

Das sei größtenteils der Fall, berichtet Dienel. "Zum Glück machen sich die fehlenden Kursplätze noch nicht an der Anzahl unserer Einsätze bemerkbar", sagt die Rettungsschwimmerin der DLRG. Dass sich etwas ändern müsse, sei jedoch unausweichlich. "Wir brauchen unbedingt mehr Wasserflächen", sagt Dienel. "Und da sehe ich die Gemeinden in der Verantwortung."

Martina Hüller will in diesem Sommer versuchen, ihren Kindern selbst das Schwimmen beizubringen. Nur ihr ältester neunjähriger Sohn hat bereits das Seepferdchen gemacht. Dass sie jetzt ohne Hilfe von professionellen Trainern auskommen muss, macht ihr Sorgen. Vor allem der mangelnde Einsatz von Schulen und Gemeinden sei frustrierend, sagt sie. "Man könnte schon viel machen - wenn man es denn wollte."

© SZ vom 25.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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