Corona, Inflation, Energiekriese:Schwere Zeiten für die Krankenhäuser

Lesezeit: 4 min

An der Asklepios-Klinik in Bad Tölz gibt es künftig keine Abteilung für Gefäßchirurgie mehr. (Foto: Asklepios-Klinik/OH)

In der Tölzer Stadtklinik rechnet Geschäftsführer Felix Rauschek mit zusätzlichen Kosten für Gas von bis zu 300 000 Euro. Für den Notfall ist die Energieversorgung gesichert. Eine neue Corona-Welle würde die finanzielle Lage noch verschärfen. Nach der Wiesn werden derzeit noch 18 Covid-Patienten stationär behandelt.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Corona, Inflation, Ukraine-Krieg: In diesem Dreiklang der Krisen haben es auch Krankenhäuser schwer. Ob er seine Vorgänger nicht manchmal beneide? Das möchte Felix Rauschek nicht bejahen. Aber: "Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren schon eine aufregende Zeit", sagt der Geschäftsführer der Asklepios-Stadtklinik in Bad Tölz. Auch im Oktober füllt Covid-19-Patienten die Krankenhausbetten, 18 sind es derzeit noch, zwei davon liegen auf der Intensivstation. Das liegt nicht zuletzt am Oktoberfest, da sind sich Rauschek und Klinik-Sprecher Christopher Horn sicher. Eine neue Corona-Welle können sie gerade nicht gebrauchen. In Bad Tölz wie in anderen Krankenhäusern benötigen sie die Regelleistungen für die üblichen Behandlungen, um dafür die Einnahmen zu bekommen. Die dürften ohnehin kaum reichen, um die sprunghaft gestiegenen Kosten für Energie und Einkäufe zu decken. "Das ist eine große Herausforderung", sagt Rauschek.

Ein Trostpflaster ist, dass die Omikron-Variante oder auch die neue BO.1.1.-Subvariante des Virus bislang nicht zu so schweren Krankheitsverläufen führen wie die Delta-Variante vor einem Jahr. Damals, sagt der Geschäftsführer, "waren die Patienten deutlich kränker". Von den 18 Corona-Infizierten im Tölzer Krankenhaus wurden nur zwölf wegen Covid-19 eingeliefert, die andere Hälfte kam wegen einer anderen Erkrankung und wurde dann positiv getestet. Ob es wieder ein harter Pandemie-Winter wird, vermag Rauschek nicht vorherzusagen. Die Prognosen reichten von sehr gut bis schlecht, sagt er. "Es ist schwer, sich auf ein Szenario vorzubereiten, aber wir haben viel gelernt und wissen, wie wir damit umgehen müssen."

Auch wenn die Zahl stationärer Corona-Fälle derzeit wieder zugenommen hat, gehe die Tendenz da hin, "dass wir weniger Patienten haben, die so schwer an Covid erkranken, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden müssen", sagt Kliniksprecher Horn. Ebenso wie Rauschek verweist er auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, wonach sich über 60-Jährige und immungeschwächte Personen abermals impfen lassen sollten. "Die Impfung ist die beste Möglichkeit, sich vor einem schweren Krankheitsverlauf zu schützen", betont Horn. Und noch etwas liegt beiden am Herzen: Jemand, der eine Behandlung braucht, solle nicht aus Angst vor einer Corona-Infektion dem Krankenhaus fernbleiben. Vorigen Winter hätten Patienten mit eindeutigen Schlaganfall- oder Herzinfarktsymptomen gezögert, eine Klink aufzusuchen. "Das ist echt bedenklich", sagt Rauschek und verweist auf das strenge Hygiene-und Schutzkonzept im Krankenhaus.

"Ich persönlich trage noch Maske beim Einkaufen im Supermarkt", sagt Felix Rauschek, Geschäftsführer der Tölzer Stadtklinik. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Übrigen raten beide dazu, FFP2-Masken in Innenräumen zu tragen. "Ich persönlich trage noch Maske beim Einkaufen im Supermarkt", erzählt Rauschek. In der Klinik ist dieser Mundschutz ohnehin vorgeschrieben. Für die Mitarbeitenden sei es nicht immer leicht, manchen Besuchern diese gesetzlichen Regelungen zu vermitteln, die ja dem Schutz von Patienten und Beschäftigten in einem besonders sensiblen Umfeld dienten. Ein Grund für das Unverständnis: "Warum kann man ohne Maske in ein Festzelt mit 10 000 Leuten gehen, aber hier muss man Maske tragen und einen Test vorweisen."

Einen Winter wie voriges Jahr, als die Delta-Variante grassierte und die Intensivstationen voll mit Corona-Patienten waren, wäre für die Krankenhäuser finanziell kaum noch zu verkraften. Wegen der hohen Inflation und der explodierenden Energiepreise benötigen sie dringend die Einnahmen aus den üblichen Behandlungen. Rauschek verweist auf das DRG-Abrechnungssystem ( diagnosis related groups). Nach diesem Katalog ist für dieses Jahr nur eine Steigerung der Einnahmen für die Kliniken von 2,32 Prozent, für 2023 um 3,45 Prozent vorgesehen. Ein Beispiel: Für eine Blinddarm-OP, die der Klinik rund 3000 Euro einbringt, gibt es dann gut 100 Euro mehr. "Die Krankenhäuser können die inflationsbedingten Preissteigerungen, unabhängig davon, ob sie in kommunaler, privater oder freigemeinnütziger Trägerschaft stehen, nicht aus dem laufenden Betrieb ausgleichen", sagt der Geschäftsführer. Die Vergütung, die man für die Versorgung der Patientinnen und Patienten von den Krankenkassen erhalte, sei durch das DRG-System gedeckelt. "Steigende Kosten werden nicht ausreichend kompensiert", so Rauschek. Nötig sei ein Inflationsausgleich. Wobei die Kosten aber nicht bei den Krankenkassen landen dürften, sondern der Bund sie als Zuschuss an die Kassen trage.

Die hohe Inflationsrate macht den Krankenhäusern vor allem beim Einkauf zu schaffen. Die Tölzer Klinik bekommt zwar noch gute Preise wegen der Beschaffung über den Asklepios-Konzern. Dennoch: Die Medizinprodukte, vom Heftpflaster bis hin zur OP-Abdeckung, seien im Schnitt um 10,5 Prozent teurer geworden, so Rauschek. Dazu kommen die Ausgaben für Wärme und Strom. Das Tölzer Krankenhaus verbraucht im Jahr rund zwölf Millionen Kilowattstunden Gas, dazu noch etwa 2,9 Millionen Kilowattstunden für Strom, wovon rund 1,3 Millionen von einem eigenen Blockheizkraftwerk erzeugt werden. Um den Energieverbrauch zu veranschaulichen, rechnet der Geschäftsführer ihn auf ein Krankenhausbett herunter: Das brauche im Jahr umgerechnet "so viel wie vier Einfamilienhäuser."

Und wenn es gar kein Gas mehr gibt? Dann trete ein Notfallplan in Kraft, so Rauschek. Die Klinik stiege auf Heizöl um, das BHKW würde in diesem Fall stillgelegt. Und wenn der Strom ausfällt? Dann würden erst eine Batterie, dann zwei Schiffsdieselmotoren die Versorgung übernehmen. Alle relevanten Geräte liefen weiter, so Rauschek.

Wie viel die Tölzer Klinik diesen Winter für Wärme und Strom ausgeben muss, lässt sich noch nicht genau beziffern. Rauschek rechnet derzeit mit einem zusätzlichen Aufwand von 250 000 bis 300 000 Euro. Schon jetzt könnten 96 Prozent der Krankenhäuser die gestiegenen Kosten nicht mehr aus dem laufenden Betrieb gegenfinanzieren, sagt Horn. Die Schere zwischen Erlösen und Kosten geht dem Geschäftsführer zufolge zwischen sechs und sieben Prozent auseinander, "das ist in jeder Klinik so." Ob in dem 200 Milliarden Euro schweren Doppelwumms-Paket der Bundesregierung auch etwas für die Krankenhäuser dabei ist, beispielsweise ein Energiekostenzuschuss, muss sich erst noch zeigen. Immerhin gebe es in Bayern eine Investitionsförderung durch den Freistaat.

Und noch etwas hellt die Zukunftsaussichten für den Geschäftsführer ein wenig auf: Die Tölzer Stadtwerke, die für die Klinik das Gas liefern, bauen ihr Nahwärmenetz in der Kurstadt aus. "Das Rohr zur Anbindung wird in Kürze verlegt", sagt Rauschek.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Coronavirus
:Kliniken halten an Regeln fest

Im Landkreis hat die Inzidenz stark zugenommen. Die Zahl infizierter Patienten steigt. Besucher dürfen aber weiterhin ins Krankenhaus.

Von Benjamin Engel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: