Bad Tölz:Lederjacken und Handys für Flüchtlinge umsonst? - "So ein Schmarrn"

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Mittlerweile werde getratscht, dass Handys mit Gutscheinen aus dem Landratsamt bezahlt würden. (Foto: Manfred Neubauer)

Immer wieder hört Landrat Josef Niedermaier, dass Asylbewerber angeblich teure Waren auf Kosten des Landratsamts bekommen. Jetzt ist ihm der Kragen geplatzt.

Von Alexandra Vecchiato und David Costanzo, Bad Tölz-Wolfratshausen

Immer wieder hört Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) diese Geschichten: Ein Flüchtling mit 80 Euro in der Tasche soll sich in einem Tölzer Schuhladen Lederstiefel für 300 Euro ausgesucht haben - und der Händler habe nur im Landratsamt anrufen müssen, um die Differenz erstattet zu bekommen. Seit Wochen kursieren solche Gerüchte in der Stadt und im Landratsamt in verschiedenen Variationen, erzählt Annelies Mayer vom Vorzimmer des Landrats. "Manchmal mehrfach täglich" erreichten sie Anrufe, E-Mails und Briefe dieser Art, die sie meist an den Landrat weiterleite. Jetzt ist Niedermaier der Kragen geplatzt.

"So ein Schmarrn"

Am Ende der Sitzung des Bauausschusses des Kreistags am Montag ergriff er noch einmal das Wort. Solche Gerüchte kämen sonst nur aus einer Ecke. Nun aber müsse er sie im eigenen Umfeld hören. Dagegen verwahre er sich entschieden, sagte Niedermaier. Von Luxus-Artikeln sei da die Rede, konkret sprach Niedermaier auch von einer Jacke der Modemarke Bogner, die sich ein Flüchtling gekauft haben soll. Es sei gang und gäbe, so die Rede, dass Geschäftsleute direkt in der Kreisbehörde anrufen könnten, um sich Rechnungen bezahlen zu lassen. "Das ist so ein Schmarrn", schimpfte der Landrat.

Landrat Niedermaier ärgert sich über Gerüchte, die über Flüchtlinge verbreitet werden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit drei, vier Wochen höre er solche Gerüchte. Zuerst im Südlandkreis, aber auch in Geretsried. Er habe sie anfangs für "Christkindlmarkt-Gerede" gehalten. Aber nun gebe es sogar regelmäßig Post von Unternehmern, die dies thematisierten und ihn fragten, wie so etwas sein könne. Für Niedermaier auch ein Indiz für mangelndes Vertrauen bei den Bürgern: "Das ist furchtbar." Selbst Stadt- und Gemeinderäte hätten ihn angesprochen, die es besser wissen müssten. "Wenn ich das in diesem Ausmaß mitbekomme, dann ist das furchtbar. Daran stimmt gar nichts."

326 Euro im Monat - für alles

Fakt sei, betonte Niedermaier, dass eine alleinstehende Person im Monat insgesamt 326 Euro bekomme. Davon müsse ein Asylbewerber alles bezahlen von den Lebensmitteln bis zur Bekleidung. Das Landratsamt komme für Miete, Heizung, Strom und Wasser auf. Würde sich also ein Flüchtling eine Jacke für 300 Euro leisten, müsste er den Rest des Monats mit 26 Euro auskommen.

Auch der für die Flüchtlinge zuständige Sozialamtsleiter Thomas Bigl kennt diese Geschichten. Mal sei es eine teure Lederjacke, mal ein Paar Markenturnschuhe, manchmal gehe es sogar um Restaurantbesuche, die das Landratsamt angeblich übernehme. Mittlerweile werde getratscht, dass Handys mit Gutscheinen aus dem Landratsamt bezahlt würden. "Die Gutscheine würde ich gern einmal sehen", stöhnt der nicht minder genervte Bigl. Schließlich könnte man den Wahrheitsgehalt des Gutschein-Gerüchts bestätigen, wenn man einen in Händen hielte. Es gibt sie aber nicht.

Gutscheine nur für Second-Hand-Klamotten

Tatsächlich gebe das Landratsamt Gutscheine aus, sagt Bigl - die seien aber nur für die Kleidermärkte des Bayerischen Roten Kreuzes, wo es gebrauchte Sachen gibt. Doch selbst das seien Einzelfälle für besonders Bedürftige - mal zehn, mal 20 Menschen im Quartal. Derzeit leben rund 1600 Flüchtlinge im Landkreis.

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Eine zweite Art von Gerüchten lautet, dass Polizei und Behörden gezielt Delikte von Asylbewerbern vertuschten, um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen. Bigl betont, dass die Polizei Vorfälle in eigener Zuständigkeit melde. Das werde nicht gesteuert. Man müsse grundsätzlich die Relationen wahrnehmen: Jedem Fall stünden etliche Nicht-Fälle gegenüber. In Bürgerversammlungen sagt Bigl dazu immer wieder einen Satz: "Der Anteil an Deppen unter den Flüchtlingen ist genau so hoch wie bei der einheimischen Bevölkerung."

Eine dritte Art von Gerüchten besage, dass die Behörde Hauseigentümern Unsummen an Miete für Unterkünfte nachwerfe - manche Besitzer könnten ihre Bauten angeblich sogar schon in drei bis fünf Jahren abbezahlen. Dazu sagt Bigl: "Wir zahlen pünktlich, sind ehrliche und solvente Mieter - aber wir sind nicht blöd."

Gezahlt werde die ortsüblich Miete je nach Zustand der Wohnung. "Bei schlechten Fenstern zahlen wir in Tölz auch keine elf Euro pro Quadratmeter." Gegebenenfalls gebe es einen Zuschlag für die stärkere Abnutzung durch den häufigen Wechsel der Bewohner.

Warum die Gerüchte ausgerechnet jetzt derart hochkochen, kann Bigl sich nicht recht erklären. Auffällig sei, dass immer mehr Geschichten die Runde machten, seit im Rahmen des Notfallplans Flüchtlinge in den Turnhallen untergebracht seien. Sie seien jetzt präsenter im Stadtbild, sagt Bigl, daher komme wohl das zunehmende Gerede. Das Landratsamt versuche, alle Anrufe, E-Mails und Briefe individuell zu beantworten: "Aber manchmal wissen auch wir nicht, was wir da noch sagen sollen."

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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