Dann kommt das Wochenende. Jene Tage in der Woche, in denen Familien meist Zeit zusammen verbringen wollen. "Ich aber sitze da und falle in ein Loch", sagt Vera M. ( Name von der Redaktion geändert). "Nicht, weil ich mein Kind an diesen Tagen bespaße - sondern weil ich das ja schon die ganze Woche über jeden Tag mache. Aber genau an den Tagen, an denen ich mich mal gerne mit anderen, mit Erwachsenen treffen oder austauschen würde, sind die eben oft beschäftigt - mit ihrer Familienzeit." So beschreibt Vera M. ihr Dasein als Alleinerziehende. Gerade an Wochenenden falle ihr immer wieder auf, dass ihr Leben anders verläuft als das der anderen. Aber Vera ist gar nicht allein. Jede sechste Familie im Oberland besteht nur aus einem Elternteil. In ganz Bayern ist es sogar jede fünfte, zeigen Statistiken. Alleinerziehende Mütter und Väter sind zur gesellschaftlichen Normalität geworden. Doch im Alltag stehen sie oft vor besonderen Herausforderungen. Daher hat die Diakonie Oberland ein Forum geschaffen, in dem sie sich austauschen und informieren können: den Alleinerziehenden-Treff an jedem zweiten Samstag im Monat.
"Ein Segen", sagt Vera, denn hier kann sie sich mit Menschen treffen, die ihre Situation verstehen, weil sie ähnliches kennen. Zugleich kann sie ihren Sohn mitbringen, der während der zwei Stunden professionell betreut nebenan im Kindergarten spielen und toben kann, manchmal sogar mit Gleichaltrigen oder aber mit jüngeren und älteren. Die Mama ist gleich nebenan und kann, wenn es doch mal zu Tränen oder Sehnsucht kommt, schnell ein paar tröstende Worte finden. Aber sonst ist einfach auch einmal Zeit, Gleiche oder Gleicher unter Gleichen zu sein, sich Tipps und Rat zu holen, und manches eben auch neu zu sortieren und einzuordnen. "Ich dachte lange, das passiert nur mir, mir, mir", erzählt Claudia Schneider, eine von zwei Ehrenamtlichen, die den Alleinerziehendentreff organisieren, über ihren Alltag. "Und dann plötzlich kann man sich mal austauschen und merkt, nö, das geht ja allen so, die haben das auch alle erlebt oder durchgemacht. Das ist sehr erleichternd."
Die administrative Seite des Treffs liegt in den Händen von Isabelle Hagen, die seit diesem Jahr die Leitung der Diakonie Oberland von Ilka Öhrlein übernommen hat. Seinen Ursprung hatte der Alleinerziehendentreff schon 2009. Damals sprach bei einer Pfarrkonferenz eine Referentin des Alleinerziehenden-Referats in München in der evangelischen Kirche in Bad Tölz. Dekan Martin Steinbach habe daraufhin Öhrlein angesprochen und die Gründung einer örtlichen Selbsthilfegruppe angeregt. Auch, weil die Diakonie bereits viele Alleinerziehende in der Beratung hatte, der Bedarf also da war.
Gemeinsam mit einer alleinerziehenden Mutter arbeitete Öhrlein an der Realisierung des Treffs. Im evangelischen Gemeindehaus in der Tölzer Schützenstraße waren schnell die passenden Räumlichkeiten gefunden. Seither können sich Alleinerziehende aus der ganzen Region am jeweils zweiten Samstag des Monats bei Kaffee und Kuchen in angenehm entspannter Atmosphäre treffen. Mütter und Väter unterhalten sich ungestört, informieren sich und knüpfen Kontakte. Während des Zusammenseins beschäftigen erfahrene Betreuerinnen und Betreuer die Kinder im nebenan gelegenen Kindergarten "Arche Noah", die so Spiel und Spaß mit anderen Mädchen und Jungen erleben können, bei denen eben auch ein Elternteil nicht zu Hause wohnt.
Zwei Ehrenamtliche leiten und organisieren den Treff: Claudia Schneider und Cornelia Lintow. Sie schildern die Situation, in der sich Alleinerziehende befinden: "Man muss eben alle Entscheidungen alleine treffen. Nach einer Trennung gibt es oft Konflikte mit dem Partner, manchmal kommen auch Geldsorgen dazu. Und oft die Frage, wie alles unter einen Hut zu bekommen ist, Betreuung und Beruf etwa." Und Isabelle Hagen ergänzt: "Die Gesellschaft sollte mehr anerkennen, was Alleinerziehende leisten."
Neben der Möglichkeit, mit anderen ins Gespräch zu kommen, die in derselben Situation sind, bietet der Alleinerziehenden-Treff auch weiterführende Informationen. Viele Termine, die meist ein Jahr im Voraus geplant werden, stehen unter einem bestimmten Thema. Zudem gibt es Tipps zu Wellness und Entspannung. Auf dem Programm stehen auch kunsthandwerkliche Angebote, und saisonale Anlässe werden zum Beisammensein genutzt: Die Teilnehmer feiern gemeinsam Fasching oder es gibt ein Sommertreffen mit Eisessen für all jene, die nicht im Urlaub sind. Ein Höhe- und Fixpunkt im Jahresreigen ist der gemeinsame Tagesausflug zusammen mit Alleinerziehenden aus München.
Geschützter Raum und Infobörse
Die Gruppe unterliege einem steten Wandel: Manchmal seien viele Elternteile mit Kleinkindern darunter, mal mehr mit Kindern im Teenager-Alter. Dementsprechend änderten sich auch die Fragen, die gestellt und gemeinsam besprochen werden. Wer frisch getrennt sei, brauche oft einfach einen Raum, um den Frust und den Schock loszuwerden. Wer schon länger in der Situation sei, benötige manchmal sehr spezifische oder konkrete Tipps.
Hagen sieht sich hierbei auch als Mittlerin für die weiteren Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten im Landkreis und im gesamten Dekanat. "Wir sind Teil eines Netzwerkes. Beispielsweise bietet die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit (KASA) der Diakonie ein Beratungsangebot für Alleinerziehende. Wir wissen, wer im Jobcenter und in der Erziehungsberatungsstelle Ansprechpartner ist", erklärt Hagen.
Auch Väter sind alleinerziehend
Der überwiegende Teil der Alleinerziehenden ist zwar - statistisch gesehen - immer noch weiblich. In Bayern sind das gegenwärtig mehr als 80 Prozent. Doch es gibt auch Väter, die allein ein oder mehrere Kinder erziehen, die sich aktiv um das Sorgerecht bemühen oder aber zumindest an Wochenenden oder wochenweise den Nachwuchs betreuen. Sie sind genauso willkommen beim Treff wie Mütter, betont Hagen. Eine Anmeldung ist zwar nicht nötig, wird aber grundsätzlich gerne gesehen, damit disponiert werden kann. Und das nicht nur im Hinblick auf Tee und Kuchen, sondern eben auch, um die Betreuung der Kinder sicherzustellen.
Zukünftig möchten die Organisatorinnen des Treffs noch mehr Experten einladen, die zum Beispiel über die rechtlichen Aspekte einer Scheidung informieren oder den Alleinerziehenden Tipps geben, wie sie mit den Kindern über die Trennung sprechen können. Aktivitäten wie ein gemeinsames Wochenende mit Supervision und Kinderbetreuung sind ein großer Wunsch der Gruppe, aber allein kaum zu finanzieren. Trotzdem hoffen die Organisatorinnen, dass es einen Weg dazu geben kann. Denn, so beschreibt es Schneider, das Miteinander allein an einem Samstag zeige jedes Mal aufs Neue, dass Schwung zurückkehre. Ein ganzes Wochenende könne ganz neue Kräfte freisetzen, von denen die Alleinerziehenden lange profitieren und zehren könnten.
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