Mieten in München:Ein "Bürokratiemonster", das wenig Entlastung verspricht

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Der Haushaltsstopp trifft den Wohnungsbau in München. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Wohngeld-Novelle soll von Januar an den Kreis der Berechtigten verdreifachen. Münchens Sozialreferentin Schiwy warnt jedoch vor zu hohen Erwartungen - und kritisiert, dass den Menschen etwas "vorgegaukelt" werde.

Von Sven Loerzer

Als Juristin wählt Sozialreferentin Dorothee Schiwy ihre Worte für gewöhnlich mit Bedacht, redet sachlich und nüchtern über die Probleme, unter denen Menschen in München leiden. Wenn sie nun von einem "Bürokratiemonster" spricht, "das den Leuten vorgaukelt, dass sie mit dem Wohngeld ganz einfach eine Unterstützung bekommen können, die in schwierigen Zeiten die Situation abfängt", dann muss sich viel an Verdruss aufgestaut haben.

Dabei steht ihr der größte Ärger erst noch ins Haus: Dann nämlich, wenn die Wohngeldreform zum 1. Januar in Kraft getreten ist, die nach dem Willen der Bundesregierung weit mehr Menschen als bisher einen staatlichen Zuschuss zur Miete bringen soll. Der Kreis der Berechtigten soll sich so verdreifachen. Für München würde das bedeuten, dass künftig statt zuletzt 4100 Haushalte dann mehr als 12 000 Haushalte Wohngeld erhalten könnten.

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Doch weil die Berechnung diffizil und für Laien kaum zu überblicken ist, hatte von den 14 000 Wohngeldanträgen im Jahr 2021 nicht einmal jeder dritte Antrag Erfolg. Da die Reform große Erwartungen weckt, rechnen Experten mit einer Verdrei- bis Verfünffachung der bisherigen Antragszahlen. Das könnte dann dazu führen, dass über das Sozialreferat eine Flut von 50 000, ja sogar bis zu 70 000 Anträgen hereinbricht. Und nach langer Wartezeit dürfte für viele die Enttäuschung dann groß sein: weil die meisten Antragsteller leer ausgehen. Die Hoffnung, Wohngeld könne Haushalte mit geringem Einkommen davor bewahren, Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe beantragen zu müssen, hat sich in München kaum erfüllt - dazu waren die Mieten zu hoch und das Wohngeld zu gering, vermerkt der neue Armutsbericht des Sozialreferats.

Von der Wohngeld-Novelle enttäuscht: Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy. (Foto: Florian Peljak)

Schon bisher war die Bearbeitung von Wohngeldanträgen eine ziemlich unbeliebte Beschäftigung. Viel Verwaltungsaufwand, immer wieder Änderungen und das für die Auszahlung von letztlich wenig Geld, gemessen am Aufwand, darüber klagten schon Schiwys Vorgänger. Die Reform 2020 habe es schlimmer gemacht, dazu kam noch wegen der Pandemie die Kurzarbeit, die nachträglich dann für das Wohngeld berücksichtigt werden musste. "Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen das auf die Nerven ging, haben sich verständlicherweise beruflich umorientiert. Wir hatten eine ganze Weile ein Viertel der Stellen unbesetzt", klagt Schiwy. "Die Wohngeldabarbeitung ist nicht attraktiv." Für die ausgeschriebenen Stellen gibt es kaum Bewerbungen. Nun hofft die Sozialreferentin darauf, Personal aus dem Gesundheitsreferat gewinnen zu können, das für die "Contact Tracing Teams" zu Corona-Infektionen vom nächsten Jahr an nicht mehr gebraucht wird.

Im Normalfall brauche es eine Einarbeitungszeit von sechs Monaten beim Wohngeld. Allein der Antrag umfasse schon acht Seiten, dann müssten "wildeste Ein- und Wegrechnungen" vorgenommen werden, so müsse beispielsweise die Garage herausgerechnet werden. Jedes Familienmitglied müsse komplett kontrolliert werden, was die Einkünfte angeht. Im Durchschnitt liege die Bearbeitungszeit für einen Antrag bei vier Wochen, oft fehlten Unterlagen.

Noch ist nicht einmal klar, wann das Software-Update vorliegen wird

Schon bisher befinde sich die Wohngeldbearbeitung im Rückstand, der bei zehn und zum Teil sogar bei zwölf Monaten liege. Um überhaupt die Chance zu haben, neues Personal zu gewinnen, wäre es wichtig gewesen, den Vollzug des Wohngeld-Plus-Gesetzes auf den 1. Juli 2023 zu verschieben, meint Schiwy. Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hatte schon bei der Anhörung zum Gesetzentwurf angesichts des "immensen Mehraufwands" vor einem weiteren Antragsstau gewarnt.

Das Präsidium des Deutschen Städtetags zeigte sich enttäuscht davon, dass der Bundesgesetzgeber die zentralen Anregungen des Deutschen Städtetages, den Vollzug des Wohngeld-Plus-Gesetzes zu erleichtern, nicht aufgenommen hat. Das bleibt nicht ohne Folgen: "Die Erwartung der Menschen, das Wohngeld schnell ausgezahlt zu bekommen, kann in vielen Fällen nicht erfüllt werden." Noch ist ja nicht einmal klar, wann das Update für die zur Antragsbearbeitung verwendete Software vorliegen wird.

Das Gesetz sei "nicht der ganz große Wurf", meint denn auch Dorothee Schiwy, denn es führe zu "sehr viel Mühe für wenig Output". Zu dem Gesetz gab es schon bisher eine Fülle von Vorschriften, wie die Wohngeldverordnung und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Wohngeldgesetzes, dazu sei noch eine Vielzahl von ministeriellen Bearbeitungshinweisen gekommen. Und es sieht nicht danach aus, dass es weniger werden.

Bislang hätten 4100 von 843 000 Münchner Haushalten Wohngeld bezogen, also ein knappes halbes Prozent. Künftig dürften es dann gut 12 000 sein, etwa 1,5 Prozent. "Wenn man die arme Bevölkerung unterstützen will, dann hätte man den Berechtigtenkreis noch stärker ausweiten müssen." Besonders enttäuschend aber findet die Sozialreferentin, dass die Vorschläge zur Vereinfachung, die sie nach Berlin geschickt hat, kein Gehör fanden. Und dass Erwartungen geweckt werden, die nicht zu halten sind: "Das Wohngeld ist nicht die Unterstützung, die die Menschen aus der Patsche hebt."

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