Wohnen für alle:Stadt baut nach Protesten weniger Wohnungen für Alleinstehende

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  • Im Programm "Wohnen für alle" soll die Zahl der Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen aufgestockt werden.
  • Leidtragende dieser Entscheidung sind vor allem alleinstehende Wohnungslose sowie Flüchtlinge.
  • Den Anfang macht der Stelzenbau auf dem Parkplatz des Dantebads, in dem ursprünglich 112 Ein-Zimmer-Apartments geplant waren.

Von Dominik Hutter

Nach heftigen Protesten von Anwohnern und Bezirksausschüssen soll es im Programm "Wohnen für alle" weniger Wohnungsbau für Alleinstehende geben. Stattdessen wird die Zahl der Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen aufgestockt. Den Anfang macht der Stelzenbau auf dem Parkplatz des Dantebads, in dem ursprünglich 112 Ein-Zimmer-Apartments geplant waren.

Der Aufsichtsrat der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag hat sich auf Betreiben von Oberbürgermeister Dieter Reiter darauf verständigt, stattdessen ein Haus mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen zu errichten.

Eine grundsätzliche Konzeptänderung bedeutet dies nicht. In dem erst vor wenigen Wochen verabschiedeten Programm sind gar keine strikten Vorgaben über Ein-Zimmer-Apartments enthalten. Allerdings hat der Stadtrat beschlossen, zunächst vor allem kleinere Wohnungen zu bauen, da diese am dringendsten benötigt werden. Nach den teilweise erbitterten und oftmals auch diskriminierenden Einwürfen der Anwohner will die Stadt aber nun auf reine Ein-Zimmer-Anlagen verzichten.

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Leidtragende dieser Entscheidung sind vor allem alleinstehende Wohnungslose sowie Flüchtlinge, die nun möglicherweise länger in Gemeinschaftsunterkünften bleiben müssen. Ausreichend Bedarf bestehe allerdings auch für Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen, sagte SPD-Planungssprecher Christian Amlong. Deren Anzahl wird laut Angaben der Gewofag nun auch bei den nächsten "Wohnen für alle"-Projekten in der Schittgabler- und Bodenseestraße erhöht. Um wie viel Prozent, sei noch offen.

Nach Angaben Amlongs reagiert die Stadt damit auf Ängste in der Nachbarschaft. Es handle sich jedoch nicht um ein "Entgegenkommen gegen unvertretbare Rechtsaußenpositionen", so Amlong. Immerhin: Die ganz großen Proteststürme gegen Flüchtlinge oder sozial Schwache gebe es in München bislang nicht. "Wohnen für alle" richtet sich vor allem an diese Personengruppen, die auf dem hochpreisigen Münchner Wohnungsmarkt sonst kaum eine Chance hätten.

Ängste gegen arabische Männer werden geschürt

Tatsächlich haben sich einige Münchner bei den Debatten um "Wohnen für alle" nicht gerade mit Ruhm bekleckert. "Ich habe mich richtig geschämt für diese Stadt", berichtete ein Teilnehmer diverser Veranstaltungen der SZ. Neben den üblichen Einwürfen der Anlieger - zu viel Verkehr, zu wenig Grün, keine oder zu viele Parkplätze, zu hoch oder zu dicht bebaut - kam es auch zu Ausfällen.

So wurde bei einer Versammlung in Moosach gedroht, man werde die Stadt für jede einzelne Vergewaltigung verantwortlich machen. Gerade so, als handle es sich um die übliche Alltagsbeschäftigung von Flüchtlingen und Alleinstehenden.

Andernorts seien ganz bewusst Ängste gegen arabische Männer geschürt worden, so ein Beobachter. Amlong glaubt, dass es gerade in der gut situierten Mittelschicht große Sorgen vor einer vermeintlichen Abwertung des eigenen Viertels gibt. Viele Proteste seien von der Hoffnung auf das Weiterbestehen des "unbeeinträchtigten Idylls" geprägt. Sie richteten sich letztlich gegen jede Veränderung.

Auch Bezirksausschüsse haben bereits diverse Einwendungen gegen das mit heißer Nadel gestrickte Wohnungsbauprogramm verabschiedet. Viele davon stellen das bewusst auf Tempo und Effizienz getrimmte Vorhaben, mit dem bis 2019 rund 3000 geförderte Wohnungen entstehen sollen, ganz prinzipiell infrage. Da werden die geplanten Niedrigstandards kritisiert (wo kann man denn da Wäsche aufhängen und den Müll entsorgen?) oder der bewusst niedrig angesetzte Stellplatzschlüssel bezweifelt (dürfen Flüchtlinge etwa keine Autos kaufen?). Zudem gehe alles viel zu schnell.

Dabei ist der Druck, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, größer denn je. Nach den Zahlen des Planungsreferats, die am Mittwoch im Stadtrat diskutiert wurden, werden nach wie vor viel zu wenige Angebote für Niedrigverdiener errichtet. Auch die Gesamt-Zielmarke, 7000 neue Wohnungen pro Jahr, wurde 2015 verfehlt: Insgesamt wurden in München 6596 Neubauwohnungen fertiggestellt.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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