Wahl-Thesentest zur Kommunalwahl:So rigide soll München sein

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Brauchen wir mehr Kameras? Wie soll die Stadt mit Flüchtlingen umgehen? Und dürfen die Münchner an lauen Sommerabenden künftig länger im Freien sitzen? Beim Wahl-Thesentest der SZ haben Hunderte Kandidaten für den Münchner Stadtrat mitgemacht. Die Auswertung.

Von Anna Fischhaber

Millionenstadt mit Herz? Oder Millionendorf mit viel zu vielen Verboten und Regeln? Im dritten Teil der Auswertung unseres Wahl-Thesentest zur Kommunalwahl geht es um die Frage, wie rigide die Stadt sein soll. SZ.de hat mehr als 350 Kandidaten aller demokratischen Parteien und Wählergruppen gefragt, was sie über 20 zentrale Thesen zur Münchner Kommunalpolitik denken. Machen Sie den Test - kreuzen Sie oben an, was Sie denken, und erfahren Sie, welcher Partei Sie nahe stehen. Klicken Sie auf Parteien oder Antworten, um detaillierte Anmerkungen der Kandidaten zu erfahren.*

Die Kandidaten hatten die Möglichkeit, zu den von uns formulierten Thesen auf einer Skala von 0 ("Ich stimme absolut nicht zu") bis 100 ("Ich stimme absolut zu") Stellung zu beziehen. Die Zwischenstufen "Ich stimme eher nicht zu", "Ich bin unentschieden" und "Ich stimme eher zu" wurden zur Berechnung durch die Werte 25, 50 und 75 ersetzt. Anschließend berechneten wir für jede Partei den Durchschnitt. Je höher dieser Mittelwert, desto größer die Zustimmung der Abgeordneten einer Partei zu einer bestimmten These. Hier die Ergebnisse.

Überwachung im öffentlichen Raum: Konservative Parteien wollen Kameras

Einmal durch die Innenstadt ohne gefilmt zu werden? Das ist in München fast unmöglich. 2828 Kameras sind in der Stadt angebracht. Politiker fordern dennoch immer wieder: Wir brauchen mehr Kameras, um München noch sicherer zu machen. Doch was macht die ständige Überwachung mit einer Stadt - verändern mehr Kameras nicht auch das Lebensgefühl? Der These "München braucht mehr Kameras im öffentlichen Raum" stimmen vor allem die konservativen Parteien zu: Bei der AfD liegt der Mittelwert mit 71 am höchsten, dicht gefolgt von der CSU (70). Die Freien Wähler sind unentschieden (49). Alle anderen Parteien und Wählergruppen positionieren sich klar gegen mehr Kameras. Viele argumentieren, dass Polizeipräsenz und Zivilcourage wichtiger seien, um Verbrechen zu verhindern. Ganz unten auf der Skala liegen die FDP (9), die Linke (7) und natürlich die Piraten (3).

Flüchtlinge: Fast alle Parteien plädieren für menschenwürdigeren Umgang

Vergangenen Sommer traten in der Münchner Innenstadt Flüchtlinge in den Hungerstreik, einige kollabierten, schließlich räumte die Polizei das Camp. Der Freistaat Bayern gilt als besonders rigide, wenn es um den Umgang mit Asylbewerbern geht. Und auch in München gibt es immer wieder Probleme: Zahlreiche Flüchtlinge warten in einer ehemaligen Kaserne bei Freimann auf ihre Anerkennung - und dort herrscht ein strenges Regiment: Die Beschwerden über fehlende Zimmerschlüssel und den Sicherheitsdienst häufen sich. Muss sich die Stadt stärker für die menschenwürdigere Unterbringung von Flüchtlingen einsetzen, haben wir die Stadtratskandidaten gefragt. Die Linken stimmen dieser These absolut zu - der Durchschnittswert liegt hier bei 99. Auch die Zustimmungswerte bei Grünen (90), SPD (87), Rosa Liste (91), Piraten (92), Hut (88) und ÖDP (90) sind sehr hoch. Viele Kandidaten weisen allerdings darauf hin, dass eigentlich der Freistaat für die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich ist, die Stadt aber unterstützend eingreifen muss. Unentschlossen zeigen sich bei dieser These nur die Kandidaten der AfD (49), noch skeptischer ist die Bayernpartei (43).

Knallige Farben sind verboten genau wie Bänke. Und um 23 Uhr ist Schluss. Wer einen lauen Sommerabend vor einer Kneipe verbringen will, bekommt so seine Zweifel, ob München wirklich eine Großstadt ist. Das haben auch einige Politiker erkannt: Bei der FDP taucht die Freiheit am Kneipentisch im Kommunalwahlprogramm auf. Und auch Stadtrat und Verwaltung wollen Wirten in diesem Sommer die Chance geben, ihre Freischankflächen bis Mitternacht zu öffnen. Allerdings nur probeweise. Vorgesehen ist, für drei Monate die Öffnungszeiten an Freitagen und Samstagen von 23 auf 24 Uhr zu verlängern - falls dies für die Nachbarschaft vertretbar erscheint. Wir haben die Kandidaten gefragt: Sollte die Stadt die Sperrzeit für Freischankflächen nicht abschaffen? Wirklich klar positioniert sich hier allerdings kaum eine Partei - SPD (48), CSU (51) und Grüne (50) sind unentschieden. Viele Kandidaten verweisen auf mögliche Probleme in Wohngebieten - und wollen längere Öffnungszeiten nur im Einzelfall erlauben. Einen wirklich hohen Wert auf der Zustimmungsskala erreicht nur die Wählergruppe Hut 75. Vielleicht weil ihr OB-Kandidat Wirt ist? Am anderen Ende der Skala liegt die ÖDP (34).

Kioske: Linke und ÖDP wollen abends nicht einkaufen

In Berlin gehört der Späti zum Straßenbild, viele Supermärkte sind bis 22 Uhr geöffnet. Wer neu in München ist, steht oft vor verschlossenen Türen. In Bayern sind die Ladenöffnungszeiten so strikt wie in kaum einem anderen Bundesland, Geschäfte dürfen nur bis 20 Uhr geöffnet sein. Kiosken kann die Stadt längere Öffnungszeiten erlauben. Manche Münchner Standl dürfen nachts Alkohol ausschenken. Vor dem Kiosk an der Reichenbachbrücke bildet sich deshalb Freitag- und Samstagabend oft eine Schlange. Richtig einkaufen kann man aber auch hier nicht. Geht es nach Hut (89), FDP (85), AfD (85) und Piraten (83) soll sich das ändern. "Noch wichtiger wäre eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten", schreiben viele liberale Kandidaten. Kioske könnten aber als Ergänzung sehr sinnvoll sein. Eher positiv äußern sich auch die Kandidaten der drei großen Parteien SPD (56), CSU (52) und Grüne (64). Skeptisch sehen Standl, in denen man abends einkaufen kann, nur die Linke (43) und die ÖDP (43).

Die einen genießen ihre Sommerabende draußen, die anderen klagen über Müll und Ruhestörungen. Vor allem am Gärtnerplatz gibt es ständig Ärger: Sobald es die Temperaturen erlauben, treffen sich die Münchner zwischen den Blumen zum Biertrinken, Gitarrespielen oder Picknicken. Vielen Anwohnern ist das zu viel - sie fordern, Alkohol auf dem Platz zu verbieten. "Lärmbelästigung ist kein Grund für Alkoholverbot", sagt KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle in einem Interview mit Süddeutsche.de. Doch wie denken die Stadtratskandidaten darüber? Für ein Alkoholverbot ist keine der zwölf Parteien und Wählergruppen. Am höchsten ist der Zustimmungswert bei der CSU (45). Auch bei der Bayernpartei (44), der ÖDP (41) und der Linken (41) liegt der Wert nah an Unentschieden. Klarer dagegen positionieren sich die Kandidaten der Grünen (24), der SPD (24) und vor allem der FDP (15). Egal wie die Wahl ausgeht, die Münchner werden auch weiterhin auf dem Gärtnerplatz ihr Feierabendbier genießen können.

Highlife am Gärtnerplatz in lauen Sommernächten: vielen Anwohnern ist das zu viel (Foto: Florian Peljak)

Leinenzwang für alle Hunde überall: CSU und ÖDP sind unentschlossen

50 Zentimeter und nicht mehr: Jeder Hund, der größer als einen halben Meter ist, muss seit Sommer 2013 an vielen Orten in München an die Leine. Schäferhunde, Boxer, Dobermänner und Deutsche Doggen fallen grundsätzlich unter die neue Verordnung. Für sie gilt nun Leinenpflicht im gesamten Gebiet innerhalb des Altstadtrings oder auch im näheren Umfeld von Spielplätzen. Und damit sich Hundebesitzer auch daran halten, kann das Kreisverwaltungsreferat zwischen fünf und 1000 Euro Strafe kassieren. Vor allem die 50-Zentimeter-Marke sorgte bei Hundehaltern für Ärger: Reine Willkür, sagen Tierfreunde. Kann ein Mini-Hund etwa nicht aggressiv werden? Wir haben gefragt: Sollte die Stadt Leinenzwang für alle Hunde überall einführen? Dafür ist keine Partei, die Kandidaten von CSU (49) und die ÖDP (48) sind unentschieden. Auch die SPD (39) ist sich bei dieser Frage nicht ganz einig. Relativ deutlich gegen eine Leinenpflicht sprechen sich die Kandidaten von Piraten (29) und FDP (22) aus, die sich immer wieder klar gegen eine zu rigide Stadt positionieren. Oder wie ein Kandidat der Piraten schreibt: "Man muss miteinander Leben lernen, denn nicht alles lässt sich mit Verboten regeln."

Details zur Umfrage: Die SZ hat Ende Januar bis Mitte Februar alle Stadtratskandidaten aller Parteien per Mail angefragt, etwas weniger als die Hälfte hat teilgenommen. Die Antworten wurden anonymisiert. Detailergebnisse finden Sie hier.

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Von Anna Fischhaber
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