Junges Kollektiv:In Kunst verbunden

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"Macht Emanzipation eigentlich geil?" Diese Frage steht im aktuellen "Turtle Magazin(e)" neben der Collage von Jasmine Schmauder. (Foto: Collage: Jasmine Schmauder)

Was das Münchner "Turtle Magazin(e)" bei seiner mehrmonatigen Schreib-Residency in der Monacensia plant und antreibt.

Von Antje Weber

"Wow. Einfach wow." So fasste der März-Newsletter des Turtle Magazin(e) den ersten großen Auftritt in der Monacensia zusammen. Der war, unübersehbar, ein Erfolg: Der Saal des Münchner Literaturarchivs war an jenem Samstagabend Ende Februar dicht gefüllt mit Menschen, überwiegend jungen. Manche von ihnen hatten nachmittags bereits einen Workshop besucht, nun erklärten Künstlerinnen ihre Bilder aus dem frisch gedruckten Magazin, Autorinnen lasen ihre Texte, dazwischen war Zeit für Gespräche, und gefeiert wurde natürlich auch.

Trifft man ein paar Wochen später zwei der Turtle-Macherinnen, wirken sie immer noch begeistert von dem Interesse, auf das ihr Projekt insgesamt und die neue Magazin-Ausgabe im Speziellen stoßen. Und von der "wahnsinnigen Unterstützung", die sie von der Monacensia bei ihrer derzeitigen #SchreibResi erfahren; es ist nach der Residency der Schriftstellerin Dana von Suffrin im vergangenen Jahr nun schon die zweite des Archivs, das unter der Leitung von Anke Buettner experimentierfreudig geworden ist.

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Doch zurück zum Turtle-Magazin(e), dessen Endungs-E auf die Zweisprachigkeit verweist, die den Macherinnen als inklusiver Gedanke wichtig ist. Doch nicht nur von der Sprache her will das Kollektiv möglichst niemanden ausschließen bei dieser Plattform, die vor drei Jahren von vier Studierenden gegründet wurde. Aus den Anfängen sind heute noch Chefredakteurin Lara Wüster und Social-Media-Redakteurin Sabrina Laue dabei; zum Kernteam gehört auch Redakteurin Leonie Winter, zuständig für den Vertrieb.

Was das Team eint, das noch etliche Mitarbeiter mehr zählt, ist vor allem der Wunsch, Kunst zu einer gemeinsamen Sache zu machen: "Menschen miteinander verbinden", nennt Lara Wüster als Antrieb, und damit meint sie erfahrene und noch nicht so erfahrene Menschen aus der Kunst- und Literaturbranche. "Austausch fördern", ergänzt Leonie Winter, "sich inspirieren, voneinander lernen".

Das Team des "Turtle Magazin(e)": vorne von links Lilly Gladenbeck, Leonie Winter und Pia Stautner, dahinter von links Lara Wüster und Sabrina Laue. (Foto: Turtle Magazin(e))

Ursprünglich war Turtle nur als Online-Plattform gedacht, doch Leonie Winter setzte sich für zusätzliche gedruckte Ausgaben ein. Bisher sind vier Themenhefte entstanden, zum Schreiben und zu Stichworten wie "Ganz nah", "Unsichtbar" und "Körperlich". Ein erstaunlicher Schwenk zum Analogen einer eigentlich digital geprägten jungen Generation? "Zurück zu Print!", bekräftigt Winter, "das erweckt alles zum Leben." Doch auch das Digitale soll weiterhin zur Sichtbarkeit beitragen, mit einem Blog etwa, den man zum Online-Magazin ausbauen will.

Ein gedrucktes Heft aber hat eine andere Ausstrahlung - vor allem, wenn es so liebevoll layoutet ist wie die aktuelle Ausgabe zum Thema "Körperlich". Auf einen Aufruf hin erreichten die etwas überraschte Redaktion "viele dunkle, traumatische" Arbeiten, so erzählte Wüster beim Release-Event; Arbeiten, die von Magersucht und Krankheit bis Tod reichten. Die schließlich ausgewählten Beiträge zeigen berührende Fotos und pointierte Collagen neben Gedichten und Prosa. Nicht alles ist große Kunst und Literatur, doch man merkt "schon einen gewissen Anspruch", wie Wüster es selbst formuliert. Mit jedem Magazin werde man besser, sagt sie, "und wir müssen lernen, dass wir auch Nein sagen müssen".

Titelbild der vierten Ausgabe zum Thema "Körperlich". (Foto: Turtle Magazin(e))

Schließlich will man, auch wenn einige der mitwirkenden Künstler und Autorinnen noch studieren, nicht in die Schublade Studentenmagazin geraten. Man will im Gegenteil Kulturschaffende verschiedenen Alters und Wissens vereinen, ihnen künftig noch mehr Events und Workshops anbieten, sich noch mehr professionalisieren. Dabei hilft natürlich die Schreib-Residency der Monacensia, die von der C.H. Beck-Stiftung unterstützt wird. Denn Geld ist fraglos ein wichtiger Faktor bei der Umsetzung ehrgeiziger Pläne.

Bisher hangelt sich das gemeinnützige Turtle-Projekt, das bei der Münchner Kulturator-Stiftung angedockt ist, finanziell von Heft zu Heft. Die Macherinnen bemühen sich um Förderungen aller Art, verkaufen über ihren Online-Shop nicht nur die Magazine, sondern auch T-Shirts und Postkarten. Und sie arbeiten ehrenamtlich ("Noch!"); bei den monatlichen Veranstaltungen in der Monacensia können sie sich zum ersten Mal Honorare für etwa Moderationen zahlen.

Ein Tag rund ums Geld

Naheliegend also, dass der nächste Thementag am 25. März vom Geld bestimmt sein wird. Bei einem Gruppencoaching der Künstlerin Verena Kandler und einer Podiumsdiskussion mit Dana von Suffrin, der Theaterautorin Raphaela Bardutzky und der Künstlerin Gabi Blum soll es um die Frage gehen: "Kann man sich das noch leisten? Kreative Berufe zwischen freier Szene und Marktorientierung".

Hoffentlich werden die Antworten nicht zu frustrierend ausfallen. Es ist jedenfalls sicher nicht schlecht, dass das Motto fürs nächste Magazin, das die "Turtles" gemeinsam mit Interessierten bis Juli erarbeiten wollen, auf gute Laune setzt: "Leicht (sein)" heißt es. Der Sommer, er kann kommen.

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