Trattoria Da Paolo:Sardische Höhle

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Paolo Congiu ist der Wirt der Trattoria Paolo. (Foto: BRE)

Insulaner gelten als unheilbar heimatverbunden. In der Trattoria Da Paolo ist Sardinien überall - die Dekoration ist Gradmesser für das Heimweh des Wirts.

Paula Morandell

Wenn die Dekoration Gradmesser ist für das Heimweh eines Wirts, muss bei Paolo Congin die Sehnsucht groß sein. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er Sarde ist. Insulaner gelten als unheilbar heimatverbunden. In der Trattoria Da Paolo ist Sardinien überall. Korkstöpsel in bauchigen Flaschen erinnern an die Korkeichen-Wälder, an der Wand hängt ein zentnerschweres Steinrelief der Insel - das ist nah am Kitsch, aber man sitzt trotzdem rustikal-behaglich in dem kleinen Lokal.

Um den Raum zu nutzen, decken der Wirt und seine Partnerin im Service zusätzlich an hohen Bistrotischen und der Bar ein, wenn es voll wird. Und voll kann es in der von Stammgästen geschätzten Trattoria leicht werden. Beengt fühlt man sich trotzdem nicht, vor allem, wenn der Wirt die raumhohen Holztüren zur wenig befahrenen Straße öffnet. An solchen Tagen erscheint Paolo Congin besonders gut gelaunt. Um es vorwegzunehmen: Auch wir verließen die sardische Höhle stets fröhlich gestimmt.

Allerdings sollte man in dem etwas versteckt gelegenen Restaurant keine Offenbarungen aus der klassischen italienischen Küche erwarten. Seine Stärke sind Sardiniens Gerichte. Zeit dafür muss der Gast mitbringen, jedenfalls kann zwischen Vorspeise und Hauptgang leicht eine halbe Stunde vergehen - bei großem Andrang gerät das kleine Team unter Druck. Zur Überbrückung bieten sich pane carasau an, papierdünne Brotfladen, und das frischgebackene Hausbrot - nur bei einem unserer Besuche lagen beide enttäuschend labberig im Korb.

Die Sarden mit ihrer uralten Jagdtradition lieben die Wachtel

Bei den Vorspeisen stachen die Salate hervor. Mit erstklassigem Olivenöl angemacht, kam hier keiner der anderswo so oft auf die Teller gekehrten Blatthaufen auf den Tisch, sondern etwa ein knackig frischer Sommersalat mit Kaninchen und Pinienkernen (8 Euro), bei dem die kross gebratenen Fleischhappen und die nussigen Kerne den Geschmack der Blätter nicht erdrückten. Der Feldsalat mit Rosinen (5 Euro) war eine Köstlichkeit, weil der Koch schwarze Korinthen beimischte, deren herbe Süße mit Balsamico perfekt zur Geltung kam.

Bei der Kartoffelsuppe mit Wachtelschenkel (4 Euro) überzeugte die kräftige Einlage, nicht aber die fade Suppe. Dasselbe galt für den Salat mit gebratener Wachtel (7,90): Die Sarden mit ihrer uralten Jagdtradition lieben den Vogel, hier hat ihn der Koch lehrbuchmäßig mit Speckbarden umwickelt und gebraten, durch und doch nicht trocken. Der Sellerie-Tomatensalat als Unterbett fürs Geflügel erschien allerdings rasch hingewürfelt. Bei den warmen Vorspeisen wirkte es manchmal so, als habe der Koch mit Tatendrang begonnen, dann aber die Lust verloren.

Sardinien umgeben rund 1800 Kilometer Küste, und so ist es bei Paolo kein Fehler, sich nah am Meer zu halten. Der gegrillte Wolfsbarsch oder das Zanderfilet in säuerlichem Fond (16,50 Euro) verrieten sorgsamen Umgang mit Meeresgetier. Geradezu begeistert haben die Linguine mit Scampi in Zitronensauce (11 Euro), in denen sich das Aroma frischer Limonenschale in einem leichten Rahmsud entfaltete.

Fleischrevier trotz Mittelmeer

Und doch ist Sardinien, was bei so viel Mittelmeer rundherum manchen überraschen mag, gastronomisch eigentlich ein Fleischrevier. Bei der Pasta Casareccia mit Lammragout (9,50 Euro) schwelgte der Koch geradezu in der innersardischen Kochtradition: harzig balsamische Noten von Rosmarin in der tomatigen Grundlage erinnerten an die Macchia der steinigen Insel, das duftende Fleisch war forsch angebraten, innen leicht rosa.

Sardiniens bäuerliche Pasta ist kompakt und fest. Die Malloreddus, eine sardische Form kleiner, gewürzter Gnocchi, wurden hier mit ebenbürtig rustikaler Hirtenwurst angemacht (9,50 Euro). Hinter dem schönen sardischen Wort Culurgiones verbargen sich großformatige Ravioli mit einer delikaten Füllung aus Kartoffeln und frischer Minze (11 Euro).

Den Inselwein Vermentino gibt es auch gut gekühlt ins Glas (4,40 Euro), der Rote des Hauses ist ein weicher, ebenfalls sardischer Cannonau (4,90 Euro). Zum Dessert gab es ebenfalls ungewohnte Reize: Seadas (5 Euro) sind Teigtaschen, kurz ausgebacken, mit einer Fülle aus frischem mildem Pecorino. Doch Achtung! Übergossen mit Honig lösen sie unverzüglich heftiges Inselfernweh aus.

© SZ vom 15.10.2007/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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