Sogar ein Namensschild hat sie vorne an der Windschutzscheibe, ganz genau so wie andere Brummifahrer. Links und rechts vom Schriftzug "Lisa" sind kleine Hufeisen abgebildet. Schon kurios, dass diese Frau einen 15 Tonnen schweren Pferde-Transporter bewegt. Und dass es sich bei dieser Lastwagen-Lenkerin auch noch um die Partnerin eines Fußball-Nationalspielers handelt: Lisa Müller.
Sie ist verheiratet mit Bayernprofi Thomas Müller, ins klassische Raster der Spielerfrau, wie man es aus der Boulevardpresse kennt, passt sie nicht: Sie ist keine Martina Effenberg, keine Frau Matthäus Nummer zwei, drei oder vier. Sie ist die Frau Müller, so bodenständig wie ihr Mann, der einst beim TSV Pähl unweit des Ammersees mit dem Fußballspielen begann - und deshalb bekommt der Leser der Klatschpresse sie auch nur höchst selten zu Gesicht. Selbst jetzt, während der Fußball-Europameisterschaft, sieht man sie meist nicht auf der Tribüne, neben den anderen Spielerfrauen und Spielerfreundinnen. Warum? Das erzählt sie beim Gespräch auf einem Reiterhof im bayerischen Oberland.
Hier, zwischen all den Boxen mit edlen Pferden, ist ihr zweites Zuhause. Lisa Müller kommt täglich hier her, von 6.30 Uhr morgens an bis zum Einbruch der Dämmerung. Die Müllers haben Stallungen gemietet, insgesamt sieben Pferde haben sie hier stehen: vier Turnier-Pferde, drei für die Zucht.
Lisa Müller und drei Pfleger kümmern sich den ganzen Tag um sie. Die Spielerfrau reitet die Tiere aus, trainiert sie und hält sie bei Laune. Sie hilft beim Füttern und kratzt die Hufe aus, sie redet mit anderen Einstellern auf dem Gut und kümmert sich um alle organisatorischen Dinge. Nur das Ausmisten überlässt sie den Angestellten. "Das habe ich als Teenager am Ponyhof lang genug selbst gemacht", sagt die 22-Jährige. Denn ihre Jugend hat Lisa Müller vorwiegend mit den Tieren verbracht, in Diskotheken war sie so gut wie nie. "Zu laut, schlechte Cocktails und stickige Luft - das hat mich nie gereizt."
Lisa Müller reist mit ihren Pferden regelmäßig auf Turniere, in einem voll ausgestatteten Transporter mit Schlafplatz, Küche und Fernseher. Ihr Mann Thomas, sagt sie, sehe sich später dagegen als Züchter: "Da hat er sich richtig reingearbeitet." Selber reiten mag der Offensivspieler des FC Bayern nicht: Er habe sich schon mal draufgesetzt, erzählt seine Ehefrau, und sei im Schritt geritten; das Risiko sei ihm jedoch zu hoch. "Es ist ihm zwar vertraglich nicht verboten", sagt Lisa Müller, "aber wenn er herunterfliegt und sich verletzt, wäre das natürlich problematisch."
Beim Finale fehlt sie
Dass Thomas Müller das Interesse seiner Ehefrau teilt, ist in vielerlei Hinsicht wichtig - etwa bei der Urlaubsplanung. Denn trotz einer anstrengenden Saison mit rund 60 Pflichtspielen und nun noch der Europameisterschaft ist ein mehrwöchiger Urlaub nicht drin. Dem stehen die Verpflichtungen am Reiterhof entgegen: "Wir fahren vielleicht vor dem Trainingsauftakt zum Ausspannen noch ein paar Tage an einen See und aufs CHIO nach Aachen, um dort zu beobachten, was die Profis machen", sagt Lisa Müller.
Der Pferde wegen ist sie auch nicht zu den drei EM-Vorrundenspielen der deutschen Mannschaft gereist. Immerhin: Das Viertelfinalspiel an diesem Freitag in Danzig gegen Griechenland wird sich Lisa Müller vor Ort ansehen. Beim Finale am 1. Juli wird sie aber in jedem Fall wieder fehlen - und zwar selbst dann, wenn Thomas Müller und die DFB-Elf mit dabei wären. "Ich habe eine Einladung zu einem sehr wichtigen Turnier bekommen, da muss ich einfach hin", sagt sie.
Schließlich hat sie zuletzt vor allem in der Dressur einen großen Leistungssprung gemacht und ist mittlerweile in der anspruchsvollsten Klasse angekommen, der S-Klasse. Die Vielseitigkeitsreiterei lässt sie dagegen sein: "Thomas hat mich gebeten, nicht ins Gelände zu gehen, das ist ihm zu gefährlich". Preisgelder spendet sie, entweder für notleidende Tiere oder für die Stiftung "Young Wings" zugunsten von Kindern, die den Verlust eines Elternteils zu verkraften haben.
Fußball-EM:Einschweben der Spielerfrauen
Wo hat Lena Gercke nur ihre Hose gelassen? Die Fotografen helfen dem Model suchen. Außerdem zu sehen bei der Ankunft der Spielerfrauen in Lemberg: Mutige Schuhe, tapferes Lächeln und nur ein einziges standesgemäßes Outfit.
Lisa Müller weiß es zu schätzen, dass sie sich mit den Pferden einen Lebenstraum erfüllt. "Pferd war das erste Wort, das ich sprechen konnte", sagt sie. Und auch ohne einen gut verdienenden Ehemann, mit dem sie schon zusammen war, als er Bundesliga und Champions League nur aus dem Fernsehen kannte, hätte sie sich für diesen Beruf interessiert: "Ich hatte bereits einen Ausbildungsplatz als Pferdewirtin, doch damals wusste Thomas noch nicht, in welche Richtung seine Karriere gehen würde, deshalb haben wir erst einmal abgewartet."
Denn bei aller Begeisterung für die deutschen Rassepferde Laurie, Radcliffe, Alfred und Lennox - am Ende muss sich das junge Ehepaar eben doch danach richten, wo die Dienste des Fußballprofis gefragt sind. Und deshalb hat man die Stallungen im Oberland eben auch nicht gekauft, sondern zum marktüblichen Preis gepachtet.
Dass Thomas Müller jenen Verein verlässt, der ihn groß gemacht hat, scheint auf den ersten Blick unwahrscheinlich. "Er spielt bei diesem Verein, seit er klein war. Es gibt kaum einen, der mehr Herz für den FC Bayern hat als Thomas", sagt seine Frau. Dennoch lässt aus seiner Sicht ungerechtfertigte Kritik den stets gut gelaunten Kicker nicht kalt. Dass Experten an ihm herumkrittelten, weil er zuletzt nicht mehr so oft traf wie zu Beginn seiner Karriere, bringt auch Lisa auf die Palme: "In Deutschland gibt es kein Grau, sondern immer nur Schwarz oder Weiß. Es wird auch nicht geschaut, wo die Stärken eines Spielers liegen, sondern immer nur darauf, was er nicht so gut kann", sagt sie.
Dabei hat sie mit der hierzulande üblichen Heldenverehrung der Balltreter durchaus ihre Probleme - nicht nur in Bezug auf ihr durch aufdringliche Fans eingeschränktes Privatleben. Zum Champions-League-Finale des FC Bayern gegen Chelsea, das trotz des Führungstors ihres Ehemannes verloren wurde, sagt sie: "Ich versuche immer irgendetwas Positives zu sehen, auch wenn etwas noch so traurig ist. Und hätte Thomas mit seinen 22 Jahren dieses Finale entschieden, was wäre dann noch für eine Steigerung möglich gewesen?"
Ihr Mann sieht das vermutlich anders, er sei nach der Niederlage sehr schwer zu trösten gewesen, verrät sie. Beim Herumtollen mit den beiden Hunden Micky und Murmel dürfte er dann wieder auf andere Gedanken gekommen sein. Und auf dem Beifahrersitz des 15-Tonners seiner Frau. Thomas hat zwar keinen Lkw-Führerschein, aber auch ein Namensschild. Statt der Hufeisen sind Fußbälle abgebildet.