Electropop-Pioniere in München:Überwältigungsmusik

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Nicht von einem Kubus der Borgs aus dem "Star Trek"-Universum, sondern von den Klanggewittern des Trios "Tangerine Dream" wurde das Publikum in der Isarphilharmonie assimiliert. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Die Electro-Pioniere "Tangerine Dream" zeigen in der Isarphilharmonie klang- und bildgewaltig, welche Spuren sie in der Pop-Geschichte hinterlassen haben.

Von Oliver Hochkeppel, München

Auch Thorsten Quaeschning, seit 2005 bei Tangerine Dream, erinnerte sich in seiner Ansage vor dem fast dreistündigen Konzert in der Isarphilharmonie an den bis dahin letzten Münchner Auftritt der Band 2014 im Circus Krone. Da war Edgar Froese noch dabei, jahrzehntelang die einzige Band-Konstante. 1967 hatte Froese Tangerine Dream unter Kraut- und Jazzrock-Vorzeichen gegründet, bald aber gehörte man als Teil der "Berliner Schule" zu den Pionieren der elektronischen Popmusik. Die Leitung der Band hatte Froese schon 2013 an Quaeschning übergeben, der sie nach seinem Wunsch und in seinem Sinne weiterführen sollte. Im Januar 2015 starb Froese dann völlig überraschend an einer Lungenembolie.

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Quaeschning tut seitdem, wie ihm geheißen, nicht zuletzt, indem er die verschiedenen Phasen der langen, inzwischen von etlichen Dokumentationen aufgearbeiteten und von den Fans kultisch verklärten Bandgeschichte zusammenbringt. Auf ziemlich bezwingende Weise, wie man in der Isarphilharmonie erleben konnte. In der klassischen Trio-Besetzung mit Hoshiko Yamane und dem Neuzugang aus dem Jahr 2020, Paul Frick, spielte man "Altes, Neues und ganz Altes". Eine bildgewaltige Tour de force mit der typischen Mischung aus sphärischen Klangflächen, Drumcomputer-Beats und Syntheziser-Sounds.

Überwältigungsmusik, die nicht mehr so alt-avantgardistisch und abgehangen klang wie noch vor zehn Jahren, sondern durchaus wieder zeitgemäß. Weil man hören konnte, wieviele Spuren Tangerine Dream im Pop und darüberhinaus hinterlassen hat. Und weil Quaeschning an die zweistündige Hitparade von "Phaedra" über "Betrayal" (aus dem legendären Soundtrack von "Sorcerer", der ersten von zahllosen Tangerine-Dream-Filmmusiken) und dem poppigen "Rare Bird" bis "Ricochet" eine kammermusikalischere "Session" mit (wohlvorbereiteten) Improvisationen anschloss, womit es auch zurück zu den experimentellen Wurzeln der Band ging. Was alles zusammen eine faszinierende Zeitreise von den Anfängen bis zu einer möglichen Zukunft des Electro ergab.

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