SZ-Streitgespräch:"Bei Schwarz und Grün gibt es Schnittmengen"

Lesezeit: 7 min

Peter Gauweiler (CSU) und Jerzy Montag (Grüne) diskutieren über gemeinsame Positionen und Antworten auf die Krise.

J. Bielicki, B. Neff

SZ: Herr Gauweiler, mit den Roten wollen Sie nicht mehr, Ihr Freund Lafontaine von der Linken kandidiert hier nicht, also haben wir Sie zum Gespräch mit einem Grünen gebeten. Wollen Sie mit den Grünen koalieren?

Peter Gauweiler und Jerzy Montag duzen sich zwar, haben aber unterschiedliche politische Vorstellungen. (Foto: Foto: Haas)

Gauweiler: (lacht) Am liebsten mit mir selber. Im Übrigen bin ich dagegen, die große Koalition runterzureden. Sie hat ihre Leistungen, und es wäre nicht gut, wenn wir jetzt zum Ende nur noch schlecht übereinander reden würden. Und was die Grünen betrifft, so ist das erste Bündnis zwischen einer Unionspartei und den Grünen im Münchner Rathaus geschlossen worden, von Franz Josef Strauß genehmigt. Ich war zwar damals dagegen, aber so schlecht war es gar nicht. Und die Grünen in Bayern haben jetzt im Landtag einen Dringlichkeitsantrag zum Vertrag von Lissabon eingebracht, der ist so gut ...

Montag: ... dass er von der CSU sicher wieder abgelehnt wird ...

Gauweiler: ... der ist so gut, so Originalton Peter Gauweiler, dass ich mit den Bundes-Grünen sofort das Streiten aufhören und zu den Weißwürsten übergehen könnte, wenn sie auch für diesen Antrag wären.

Montag: Ich glaube, da schmückst du dich mit fremden Federn, man kann es auch umgekehrt sehen, dass du auf grüne Positionen eingeschwenkt bist.

Gauweiler: Ich werbe dafür, auch bei meinen Kollegen im Landtag, diese lagerbedingte Ablehnung von Anträgen der Opposition zu überdenken, wie es ja auch die rot-grüne Regierung getan hat. Was jedenfalls in diesem Grünen-Antrag steht, ist unsere Position. Dass der Bundestag genauer hinschaut auf alles, was aus Brüssel kommt, dass der völkerrechtliche Vorbehalt hinsichtlich der Bindung Deutschlands an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unabdingbar ist, dass es auch auf nationaler Ebene Volksabstimmungen in EU-Angelegenheiten geben soll. Und von dir will ich hören: Ist das auch die Position der Grünen?

Montag: Wir sind jetzt viel zu schnell auf dein Lieblingsthema Europa gekommen. Ihr habt in der großen Koalition trotz der großen Mehrheit in den brennenden Fragen für die deutsche Gesellschaft Stillstand produziert. Es ist höchste Zeit, diese große Koalition zu beenden. Hoffentlich kommt dann aber nicht Schwarz-Gelb, denn das wäre eine Reise in die Vergangenheit.

SZ: Wäre Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb-Grün besser als die große Koalition?

Montag: Besser wären richtig starke Grüne, nur so kann es eine ökologische Energiepolitik geben. Wir müssen dann nach der Wahl sondieren, mit wem wir diese ökologische Politik machen können. Es ist das Wesensmerkmal einer parlamentarischen Demokratie, dass man sich nach dem Wahlergebnis zusammenraufen muss. Wir brauchen auf jeden Fall einen Neuanfang. Und was die CSU betrifft, so sehe ich da, gerade beim Naturschutz, durchaus Schnittmengen.

SZ: Welches Thema wird die Wahl entscheiden?

Gauweiler: Momentan die Beliebtheitsfrage. Die meisten Deutschen sind zufrieden mit der Art und Weise, wie sie von Angela Merkel in der Welt repräsentiert werden, und wollen, dass es dabei bleibt.

Montag: Die Beliebtheit von Politikern ist wichtig, aber nicht wahlentscheidend. Auch die Europa- und die Außenpolitik sind letztlich nicht wahlentscheidend, wichtiger ist die Innenpolitik. Diese Themen müssen wir in den Mittelpunkt stellen, müssen unsere Konzepte auf den Tisch legen. Welche Antworten hat die deutsche Politik auf die Wirtschaftskrise? Die Kanzlerin schweigt dazu, Herr Guttenberg macht den Vorschlag eines radikalen Sozialabbaus ...

Gauweiler: Wo denn?

Montag: Im sogenannten Guttenberg-Papier aus seinem Hause. Er hat erst im Nachhinein erklärt, er stehe nicht mehr dazu. Der Kündigungsschutz soll weitgehend zerstört werden, um nur einen Punkt daraus zu nennen. Wir haben die gigantischste Staatsverschuldung in der Geschichte produziert, und ausgerechnet da fordert die FDP radikale Steuersenkungen - und die Kanzlerin stellt sie in Aussicht. Ist das ehrliche Politik oder ein lügnerisches Wahlversprechen?

SZ: Kann es sein, dass wir die schwerste Krise nach dem Krieg erleben, aber die Leute interessiert es nicht?

Gauweiler: Die Bundeskanzlerin und Finanzminister Peer Steinbrück haben damals, mit ihrer sofortigen Garantie aller Spareinlagen...

Montag: Hast du das je geglaubt, dass die Kanzlerin jedem Sparer in Deutschland seine Einlagen garantiert?

Gauweiler: ... die richtige Entscheidung getroffen und so einen größeren Banken-Tsunami verhindert. Für Merkel und Steinbrück war das wie Mogadischu für Helmut Schmidt. Selbst wenn das der einzige Erfolg der großen Koalition gewesen wäre - allein schon damit hätte sie sich gerechtfertigt.

Montag: Die ist doch dafür nicht gegründet worden! Ihr wart zufällig dran.

Gauweiler: Mit Renate Künast und Jürgen Trittin wäre das wohl nicht gegangen. Aber das ist nur eine Vermutung von mir, vielleicht hätten die sich auch zu politischen Riesen entwickelt.

Montag: Die Antworten der großen Koalition auf die Krise sind ein Desaster. Nimm nur die Abwrackprämie, ein Strohfeuer für ausländische Hersteller.

Gauweiler: Es spricht der bekannte Nationalist Jerzy Montag.

Montag: Die deutsche Industrie profitiert davon überhaupt nicht. Ein langfristiger, nachhaltiger Input für die Wirtschaft müsste anders aussehen. Wir hätten radikal in den ökologischen Umbau unserer Industrie investieren müssen. Stattdessen hat die große Koalition Geld verpulvert. Damit könnt ihr euch weiß Gott nicht schmücken.

SZ: Was hätte man tun müssen?

Gauweiler: Die Garantie für alle Sparer war ein wirtschaftshistorischer Moment, in dem richtig entschieden wurde. Bei den Investitionsprogrammen begannen dann die Mühen der Ebene. Sie sind aber besser als ihr Ruf, es gibt schon Anzeichen für eine Erholung. Das beste Konjunkturprogramm wäre, die Steuern erheblich zu senken, was sich durch die damit verbundene Investitions- und Ausgabenfreudigkeit weitgehend selber finanzieren könnte.

Präsident Ronald Reagan hat in den achtziger Jahren die Steuern enorm gesenkt und damit ein Konjunkturfeuer entfacht, von dem die USA 20 Jahre lang profitierten, sicher um den Preis gewaltiger Schulden. Und es gibt viele neue Ideen, etwa die, eine Million Elektroautos zu bauen. Die halte ich für sinnvoller, als jetzt auch eine deutsche Rakete auf den Mond zu schicken.

Montag: Wenn das die Spannbreite der Union ist, von der Mondrakete bis zur Finanzierung von Elektroautos, dann tut es mir leid. Als von der EU, die du stets geißelst, der Vorschlag kam, den Kohlendioxid-Ausstoß der Autos radikal zu begrenzen, hat die Kanzlerin genau dies in Brüssel verhindert. Die Sache mit den Elektroautos ist doch reichlich nebulös, ein Wunschgebilde ohne Zeitangabe. Die Vorschläge der Grünen hingegen sind klar und durchgerechnet.

SZ: Was haben denn die Arbeitslosen davon und die, die fürchten müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren?

Montag: Es gibt Millionen Menschen, die zwar einen Vollzeitjob haben, aber davon nicht leben können, es gibt immer mehr zerstückelte Arbeitsverhältnisse, und das Resultat ist, dass viele Menschen von ihrer Hände Arbeit nicht mehr existieren können. Wir brauchen daher soziale Absicherung. Starke Schultern sollen mehr tragen als schwache. Die Schwarzen können den Schwachen in unserer Gesellschaft nichts bieten. Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn. Ich bin kein Freund der Vermögenssteuer, aber das Grundgesetz kennt die Vermögensabgabe. Die muss es jetzt geben, im Programm der Schwarzen fehlt sie aber.

Gauweiler: Die Frage ist doch: Wie kommen wir aus der Krise, durch Wertschöpfung oder durch Umverteilung? Wir haben dafür gesorgt, dass die Krise nicht voll zuschlägt, haben durch die nun verlängerte Kurzarbeiterregelung viele Arbeitsplätze gesichert. Und was den Mindestlohn betrifft - da hat die große Koalition mehr erreicht, etwa bei den Briefdiensten, als davor die Hedgefonds-Freunde von Rot-Grün zuwege brachten.

SZ: Die Wahl ist ja so etwas wie eine Volksabstimmung. Worüber sollte das Volk in Abstimmungen entscheiden?

Montag: Erstens entscheidet das Volk am Wahltag. Ergänzend dazu muss es Abstimmungen geben. In Bayern hat sich dieses Instrument bewährt. Die Grenzen dafür gibt die Verfassung vor, deren Grundgehalt durch eine Abstimmung nicht angetastet werden sollte. Bisher hat die Union unsere Vorschläge immer abgelehnt. Nun würde sie gerne darüber abstimmen lassen, ob die Türkei in die EU soll, über andere Fragen aber nicht. Auf dieses vergiftete Angebot gehen wir nicht ein, auf diese Leimspur treten wir nicht.

Gauweiler: Die CSU hat nach ihren schweren Verlusten bei der Landtagswahl 2008 aus der Verstimmung der Bevölkerung Konsequenzen gezogen und in ihr Programm für die Europawahl das Thema Volksabstimmungen aufgenommen. Ich weiß, dass die CSU nun an keiner Regierung teilnehmen kann, in der dieses Thema nicht in seriöser Weise im Koalitionsvertrag angesprochen ist. Und wir müssen auch unser Wahlrecht ändern.

Das sollte die letzte Bundestagswahl sein, bei der die Menschen über Listen abstimmen, bei denen nur die ersten fünf Namen überhaupt auf dem Wahlzettel stehen und - im Gegensatz zur Landtagswahl - niemand auf der Liste einen Namen auswählen darf. Wir müssen die Aufstellung unserer Kandidaten und Spitzenkandidaten demokratisieren. In den USA, bei Obama und McCain, bestimmen 60 Millionen, und bei Steinmeier am Schwielowsee sind sieben beteiligt, in Wolfratshausen beim Frühstück von Edmund Stoiber und Angela Merkel waren's sogar nur zwei. Dieses von oben Verordnete, Ausgemachte und Vorbestimmte muss weg.

Montag: Das Wahlrecht muss in der Tat reformiert werden. Die schönen Ideen des Abgeordneten Gauweiler haben in der Union aber keine Chance. Und was die Listen betrifft - bei uns Grünen gibt es ständig Kampfkandidaturen, aber bei Union und SPD ist es doch so, dass die Vorstände Vorschläge für die Liste machen, die dann nahezu sakrosankt sind.

Gauweiler: Und bei euch gibt es doch die Albernheit mit der Quotenregelung.

Montag: Die sich die CSU-Frauen übrigens sehnlichst herbeiwünschen.

SZ: Wie sollte der Wähler Einfluss auf die Listen der Parteien nehmen können?

Montag: So ähnlich wie bei den Kommunalwahlen in Bayern. Der Wähler sollte innerhalb der Liste Präferenzen zeigen können, anstatt nur ein Fertiggericht vorgesetzt zu bekommen. Man könnte auch die Listenbildung verändern, etwa durch Urwahlen, um mehr Teilhabe und Transparenz zu sichern.

SZ: Was wollen Sie in der nächsten Legislaturperiode für die Menschen im Münchner Süden erreichen, was ist dort das drängendste Problem?

Gauweiler: Mein Lieblingsfoto zur Zeit ist die wachsende Baustelle am Luise-Kiesselbach-Platz. Dafür habe ich schon 1972 zu kämpfen begonnen. Dieser europäische Verkehrsknotenpunkt muss schneller als geplant fertig werden, das sollte am Geld nicht scheitern. Und wir müssen diese Geschichte mit der zweiten S-Bahn-Stammstrecke endlich auf die Reihe bringen. Ich finde es gut, dass die Münchner CSU den Südring stützt, da bekommen die Grünen recht.

Montag: Mein schönstes Bild ist keine Baustelle, sondern das wunderschöne Isartal. Was wir als Bundespolitiker für den Münchner Süden durchsetzen können, ist: Keine weiteren Autobahnen, den Autobahn-Südring brauchen wir nicht. Die Stadt und ihre Natur sind nicht dazu da, dass möglichst viele möglichst schnell durchrasen, sondern dass die Menschen in ihnen gut leben.

© SZ vom 28.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: