SZ-Adventskalender:Ein Fest für gute Werke

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Erstmals als Chefdirigent des BRSO steht Sir Simon Rattle beim Benefizkonzert für den SZ-Adventskalender für gute Werke auf der Bühne. (Foto: Robert Haas)

Das Spendenhilfswerk der Süddeutschen Zeitung und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Sir Simon Rattle feiern mit einem umjubelten Benefizkonzert ihre 75. Jubiläen.

Von Rita Argauer

Die Bühne im Münchner Herkulessaal ist voll. Die Streicherpulte ziehen sich bis zu den Seitenrändern. Schräg dahinter quetschen sich Celesta, Flügel und Orgel, Schlagwerk und Percussion. Aber es passt irgendwie zum Anlass, hier einmal alles aufzufahren, was Podiumsgröße und Orchesterbesetzung hergeben. Es ist das erste Benefizkonzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO) unter dessen neuem Chefdirigenten Sir Simon Rattle. Und an Feieranlässen mangelt es an diesem Abend nicht: 75 Jahre SZ-Adventskalender für gute Werke. 75 Jahre Bayerischer Rundfunk. 75 Jahre Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. 15 Jahre Zusammenarbeit zwischen dem BRSO und dem SZ-Adventskalender.

Sandra Geisler, Geschäftsführerin des SZ-Spendenhilfswerks, schwärmt im Interview mit Moderator Maximilian Maier von der langjährigen Zusammenarbeit mit dem BRSO. (Foto: Robert Haas)

Als Moderator Maximilian Maier zu Beginn all das aufzählt, wirkt der ganze Orchesterpomp in seinem Rücken nur angemessen. Ja, heute wird gefeiert! Bestätigt auch Sandra Geisler, Geschäftsführende Vorständin des SZ-Adventskalenders: Der Advent ist zwar vorbei, aber man habe 2023 ein gutes Jahr gehabt, konnte viele tolle Projekte und einzelne Menschen in Not unterstützen. Sie sei dankbar für die Zusammenarbeit mit dem Orchester, man sei sich ein wertvoller Partner.

2009 fand das Benefizkonzert des BRSO zugunsten des SZ-Adventskalenders zum ersten Mal statt, zurückgehend auf eine Initiative des damaligen SZ-Lokalchefs Christian Krügel und Mariss Jansons, damals Chefdirigent des BRSO. Es birgt auch eine große Tragik, dass die beiden Initiatoren dieses großen Konzerts beim Jubiläum nicht mehr anwesend sein können. Christian Krügel verstarb 2018, Mariss Jansons ein Jahr später.

Simon Rattle gehört zu den mental offensten Mensch im Klassik-Betrieb

Es schwingt also kurz auch ein bisschen Wehmut mit, als Simon Rattle auf die Bühne kommt. Dieser Mann gehört zu den mental offensten Menschen im High-End-Klassik-Betrieb. Weltberühmt für hochpräzise Interpretationen und einem immer noch jungenhaft-schelmischen Blick auf die Welt; und auf die Musik. So ist dieser Abend auch konzipiert. Beethovens Violinkonzert und Edward Elgars "Enigma"-Variationen rahmen eine Uraufführung des nicht mal 20-jährigen Johannes Wiedenhofer. Über "Jugend Komponiert" gelangte Wiedenhofers Partitur in die Hände Rattles. Und der scheut sich eben überhaupt nicht, zu so einem großen Anlass ganz nebenbei quasi die Zukunft der klassischen Musik aufs Programm zu setzen. Das zahlt sich direkt aus: Die Jugenddichte im Publikum ist erstaunlich hoch.

Dann beginnt das Konzert. Rattle und das BRSO versetzen das Violinkonzert von Beethoven unter größte dynamische Spannung. Schneidend präzise sind die Orchesterstimmen gesetzt, es ist eine Freude. Auch weil die großartige Solistin Veronika Eberle an der Geige die Musik absolut ernst nimmt und absolut nicht spielt, um ihre eigene, zweifelsohne sehr große Virtuosität auszustellen. Vielmehr hat sie sich - auch in diesem ikonischen Werk - etwas Forschendes und wenig Arriviertes bewahrt, das zum Ansatz und Anlass des ganzen Abends ganz großartig passt: Über den eigenen Horizont herausschauen, helfen, die Mitmenschen, die Hilfe benötigen wahrnehmen und für die Gesellschaft einstehen!

Solistin Veronika Eberle begeistert das Publikum mit Spielfreude und Virtuosität. (Foto: Robert Haas)

Dass der Münchner Komponist Jörg Widmann zu diesem Anlass dem Beethoven neue Kadenzen komponiert hat, fügt sich da prima ein. Vor allem, weil das Kadenzen sind, die nicht nur der Solistin als Spielfläche dienen, sondern wahlweise Kontrabass, eine zweite Violine und die Pauke hinzuziehen, um die Motive Beethovens zu verfremden und sanft, voller Respekt in eine vielfarbige Gegenwart zu ziehen.

So wird dieser Abend auch musikalisch zum Ereignis. Und zum Zeichen. Das nach der Pause uraufgeführte Stück von Johannes Wiedenhofer ist Gen Z in Klassik: Basierend auf einem dystopischen Gedicht von Rose Ausländer schöpft er aus dem orchestralen Vollen (wegen seines Stückes stehen all die vielen Instrumente auf der Bühne). Zwischen John Williams' "Harry Potter"-Soundtrack und der zwingenden Nervosität, mit der man hofft, die Welt möge sich doch noch ändern, ist dem jungen Künstler ein Stück neue Symphonik gelungenen - samt Handlungsaufruf, der Welt und den Menschen Gutes zu tun!

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Danach umarmen Elgars "Enigma"-Variationen mit überwältigendem Orchester-Schmelz. Doch auch hier: Die Vielfarbigkeit, die Verschiedenheit, das Eklektische, mit dem die musikalische Überwältigung zelebriert wird, hat auch etwas sehr Zeitgemäßes. Applaus wie nach einem Beatles-Konzert und Dvořáks Slawischer Tanz, op. 72/7 als euphorische Zugabe. "Dvořák macht alles besser", sagt Rattle weise-enigmatisch davor. Dann geht es symphonisch und mit klatschendem Publikum "zum Städele hinaus". Die letzte Feierlichkeit für diesen Abend: Bratschist Andreas Marschik, 34 Jahre im Orchester, hat sich mit diesem besonderen Konzert in den Ruhestand verabschiedet.

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