Erneuerbare Energien:Der Wind dreht sich

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Die Windräder bei Berg liefern seit Jahren Strom. Solche Anlagen sind auch in den Gemeinden Gauting, Gilching, Wörthsee und Krailling geplant. (Foto: Nila Thiel)

Nach langem Stillstand erlebt die Nutzung der Windkraft für die Stromerzeugung nun einen Boom. In den Gemeinden Gauting, Krailling, Gilching und Wörthsee sind neue Anlagen geplant.

Von Michael Berzl, Gauting

Vier größere Windräder in Berg produzieren bisher im Landkreis Starnberg Strom. Bis zu 80 müssten es aber nach Berechnungen von Experten sein, damit die Energiewende klappt. Lange herrschte Flaute in der Branche, doch jetzt geschieht etwas - auch im Fünfseenland. Der Bau neuer Anlagen wird unter anderem geplant in Gauting, Krailling, Gilching und Wörthsee. Wenn alles klappt und nichts dazwischenkommt, könnten einmal an 19 weiteren Standorten Turbinen Strom erzeugen. Bis sich irgendwo ein Rotor dreht, vergehen aber noch Jahre. Wie aufwendig, langwierig und auch teuer der Weg zu einem Windrad ist, wurde zuletzt bei einem Informationsabend in Gauting deutlich.

Da sind etwa die Flughäfen in Oberpfaffenhofen und Lechfeld südlich von Augsburg, für die Einflugschneisen oder sogenannte Radarführungshöhen freigehalten werden müssen. Selbst eine Radarstation in Haindlfing bei Freising spielt eine Rolle. Wie Roter Milan und Fledermaus mit den Kraftwerken in luftiger Höhe klarkommen, wird in speziellen artenschutzrechtlichen Gutachten geprüft. Grundstücke müssen zur Verfügung stehen, Leitungen zum nächsten Umspannwerk verlegt werden. Und dann ist so ein Ding ziemlich teuer. Kosten in Höhe von etwa zehn Millionen Euro seien für ein Windrad zu veranschlagen, sagte beim Infoabend in Gauting Robert Sing, ein ausgewiesener Experte, der schon etliche Anlagen geplant hat und mit seiner Firma an etwa einem Dutzend Projekte beteiligt ist.

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Wo im Fünfseenland Windräder aufgestellt werden könnten, steht eigentlich schon lange fest. Seit gut zehn Jahren gibt es Teilflächennutzungspläne mit den entsprechenden Konzentrationsflächen. Wo die liegen, hat das Landratsamt veröffentlicht. Die meisten geeigneten Grundstücke liegen demnach im Norden des Landkreises. Nach jetzigem Stand der Dinge werden vor allem in der Nähe der Lindauer Autobahn Planungen relativ zeitnah umgesetzt.

Robert Sing hat schon viele Windräder geplant und ist mit seiner Firma in Landsberg an etlichen Anlagen wirtschaftlich beteiligt. (Foto: Catherina Hess)
Windkümmerer Peter Beermann empfiehlt den Kommunen, selbst aktiv zu werden, denn: "Es kommt so oder so". (Foto: Manfred Neubauer)

Zwei Standorte kommen in Gautinger Gemeindegebiet infrage: südlich von Buchendorf und in der Nähe von Königswiesen. Jeweils vier Anlagen könnten dort nach den Vorstellungen der Gemeinde und ihres Beraters Sing entstehen, 255 Meter hoch, mit einer Leistung von sechs Megawatt. In allen Fällen wären sie mehr als einen Kilometer vom nächsten Ort entfernt. Laut Sing wären sie doppelt so leistungsfähig wie die Anlagen in den Wadlhausergräben bei Berg. Die meisten Flächen, die benötigt würden, gehören dem Staatsforst, eine der Gemeinde, eine weitere ist in privater Hand. Erste Vorverträge mit dem Forst wurden nach seinen Worten schon geschlossen, es wurde geprüft, wo Leitungen verlegt werden müssen, wo ein Anschluss ans Stromnetz möglich wäre. Vorgesehen sei, dass sich Bürger ähnlich wie in Berg an den Anlagen beteiligen können. "Das Geld bleibt im Dorf", sagt Sing zu dem Modell.

Ein Modell, für das auch der sogenannte Windkümmerer Peter Beermann wirbt, der in München ein Ingenieurbüro mit einschlägigen Erfahrungen hat. Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums berät er Kommunen. Beermann weiß: Wenn Windräder nicht in kommunaler Regie geplant und gebaut werden, dann machen das andere: "Der bayerische Markt hat eine sehr hohe Anziehungskraft." Da gebe es große Begehrlichkeiten bei Unternehmen im In- und Ausland. Das Baurecht ist da, der Ausbau der Windkraft politisch gewollt, begrenzender Faktor sei nur der Zugriff auf geeignete Grundstücke. "Es kommt so oder so", sagt Beermann und empfiehlt daher den Rathäusern, selbst aktiv zu werden. Und genau das geschieht gerade besonders im Norden des Fünfseenlands.

Unübersehbar von der Garmischer Autobahn aus: So einen Anblick wird es im Fünfseenland künftig noch öfter geben. (Foto: Nila Thiel)

Die Gilchinger planen gemeinsam mit den beiden Nachbargemeinden Alling und Schöngeising den Bau von zwei Windrädern. Der Standort liegt fast an der Gemeindegrenze auf einem Acker zwischen Rottenried und Holzhausen etwas östlich von Jexhof, aber noch komplett auf Gilchinger Gebiet. Dennoch ist eine Zusammenarbeit der drei Gemeinden vorgesehen. Für den Bau soll eigens eine Gesellschaft gegründet werden. Die Federführung übernehmen dabei die Stadtwerke Fürstenfeldbruck, einen Anteil erhält der Grundeigentümer, Anteile von jeweils zehn Prozent gehen an die beteiligten Gemeinden.

Bei einer Bürgerversammlung im Oktober hat Bürgermeister Manfred Walter die entsprechenden Planungen vorgestellt. Demnach liegt die Gesamthöhe der vorgesehenen Anlagen bei gut 260 Metern, die Leistung wie in Gauting ebenfalls bei sechs Megawatt. Bis zum Baubeginn vergehen aber noch Jahre, nach jetzigem Zeitplan ist die Inbetriebnahme im Jahr 2027 vorgesehen.

Der Gemeinde Krailling machen vor allem die Flughöhen noch Probleme, die zu berücksichtigen sind. Die Rathausverwaltung sei deswegen mit dem Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig und dem Luftamt Südbayern in München im Gespräch, berichtet Bürgermeister Rudolph Haux. Damit steht und fällt das Vorhaben. Denkbar und realistisch seien vier Standorte im Kreuzlinger Forst in der Nähe der Lindauer Autobahn. Die Standorte liegen in einem Bereich von Pentenried im Süden bis hinauf nach Germering im Norden. Alle Standorte sind in Privatbesitz oder gehören den Bayerischen Staatsforsten, einer liegt auf der Gemeindegrenze zu Gilching.

Die Familie Toerring plant nördlich der Lindauer Autobahn fünf Anlagen

Auf Wörthseer Gebiet und auf eigenem Grund will die Familie Toerring fünf Anlagen errichten. "Wir sind gerade in der Genehmigungsplanung", sagt Armin Elbs, Forstdirektor und Geschäftsführer der Graf zu Toerring-Jettenbach'schen Unternehmensverwaltung im Rentamt in Seefeld. Alle möglichen Voraussetzungen müssten geprüft werden. Dabei gehe es um Themen wie Luftrecht, Naturschutz und Abstandsflächen. Die artenschutzrechtliche Prüfung sei bereits im vergangenen Januar beauftragt worden. Die Standorte befinden sich nördlich der Lindauer Autobahn zwischen der Ausfahrt Wörthsee und Etterschlag in Richtung Schöngeising. Sie seien jeweils 200 bis 300 Meter voneinander entfernt. Die Toerrings haben bereits Erfahrung mit dem Bau von Windrädern. Vor acht Jahren wurden beim Gutshof Engelmannsberg im Landkreis Pfaffenhofen vier Anlagen errichtet.

Die Kosten für ein Windrad setzt auch Elbs mit etwa zehn Millionen Euro an. Nicht nur die Investitionen, sondern auch der Aufwand sind erheblich. Zu den zahlreichen Untersuchungen und Prüfungen im Vorfeld einer Genehmigung kommen technische Herausforderungen. Die Rotorblätter seien mittlerweile 80 Meter lang, entsprechend schwierig ist der Transport durch kleine Ortschaften oder Waldgebiete. Die vor mehr als zehn Jahren errichteten Windräder in Berg sind da noch wesentlich kleiner.

In dem Teilflächennutzungsplan von 2012, der unter Federführung des Kreisbaumeisters Christian Kühnel für den ganzen Landkreis Starnberg entwickelt wurde, ist noch eine maximale Bauhöhe von 210 Metern für Windräder festgesetzt. Vor zehn Jahren schien das noch ausreichend. Die vier Windräder in Berg, die 2015 in Betrieb gingen, sind 205 Meter hoch. Um die Anlagen wirtschaftlich rentabel zu betreiben, seien inzwischen aber mindestens 240 bis 250 Meter nötig, erklärt Windkraft-Experte Sing.

Gute Aussichten: Bürgerwind-Geschäftsführer Robert Sing auf einem der Windräder bei Berg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Währenddessen erweist sich die Anlage in Berg nicht nur als Vorzeigeobjekt, das erheblich zur Stromproduktion aus regenerativen Quellen beiträgt, sondern auch finanziell als Erfolgsgeschichte. Nach Sings Worten übertrifft der Ertrag die Prognosen. Er sprach von einer Eigenkapitalrendite von sechs Prozent. "Das läuft sehr gut, was die Wirtschaftlichkeit angeht". Für die 169 Teilhaber zahlt sich die Windkraft aus, wenn das so bleibt.

Mit Einlagen von mindestens 5000 Euro bis mehr als 100 000 Euro sind sie nach Sings Angaben dabei. Heuer ist die Investition in Windkraft für die Kommanditisten besonders lukrativ. Die Gesellschafterversammlung hat im Mai eine Rekordausschüttung von 30 Prozent beschlossen. Das bedeutet: Schon wer mit der Mindesteinlage dabei ist, bekommt 1500 Euro aufs Konto. "Macht Spaß", sagt Sing am Telefon.

Spaß macht das Thema Windkraft nicht allen. Beim Infoabend in Gauting wurde deutlich, dass noch öfter mit Protesten zu rechnen sein wird. Im Kultursaal Bosco, wo Gemeinde und Sing vor 120 Zuhörern über die geplanten Anlagen informierten, meldeten sich zum Schluss auch die Kritiker lautstark zu Wort. Im Oktober hatte dort eine Vereinigung zu einer Veranstaltung eingeladen, die sich "Vernunftkraft" nennt und Windräder vehement kritisiert.

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