Grundschule Weßling:Am Boden scheiden sich die Geister

Lesezeit: 3 min

Im Klassenzimmer ihres Sohnes Luis prüft Alexandra Beier (re.) den probeweise verlegten Teppichboden, der nach ihrer Ansicht wesentlich besser ist als das vom Weßlinger Gemeinderat für die neuen Schulräume favorisierte Parkett. Links Klassenleiterin Melanie Lehner von der 4b. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seit Wochen schwelt um den Neubau des Schulhauses eine kurios anmutende Auseinandersetzung: Die Eltern wollen Teppich, der Gemeinderat will Parkett. Elternbeirätin Alexandra Beier erläutert die Hintergründe des Streits.

Interview von Patrizia Steipe, Weßling

Während der Neubau der Weßlinger Grundschule sichtbar voranschreitet, bangen die Eltern um das Lernhauskonzept. Grund: Ein anhaltender Streit zwischen Gemeinderat und Schulfamilie darüber, ob der Bodenbelag nun Parkett oder Teppichboden sein soll. Derzeit werden in Weßling Unterschriften gesammelt, im Internet läuft zusätzlich eine Petition für den Teppich als wesentlicher Bestandteil der akustischen Maßnahmen, die bereits von mehr als 300 Personen unter https://www.change.org/prolernhaus unterschrieben wurde. Eine der Initiatorinnen ist Alexandra Beier: Die Mutter zweier Söhne engagiert sich mit Unterbrechungen seit 2013 im Elternbeirat und ist auch in der Lernhausgruppe vertreten, die sich mit der Gestaltung der neuen Grundschule beschäftigt - ein Gespräch über Vor- und Nachteile der jeweiligen Bodenbeläge im neuen Lernhaus.

SZ: Das Wort "Teppich" hat zurzeit in Weßling eine toxische Wirkung.

Alexandra Beier: "Teppich" ist ein richtiges "Unwort" geworden. Ich sage stattdessen bereits: `Weicher, nicht glatter Bodenbelag`. Es hat sich ein riesiger Streit um den Bodenbelag für die neue Grundschule entwickelt. Mir scheint, dass es da gar nicht mehr um die Sache geht.

Es ist schon ungewöhnlich, dass Eltern einen Teppichboden fordern statt eines höherwertigen Parkettbelags. Ich erinnere an Zeiten, in denen Eltern Teppichböden als Bakterienschleudern, allergieauslösend und voller Schadstoffe geschmäht hatten. Was ist da los in Weßling?

Eigentlich fing alles super an. Alle zogen bei der Planung der Schule an einem Strang. Aber dann gab es einen Punkt, an dem die Stimmung zwischen Gemeinderat und Lernhausgruppe gekippt ist. Das Thema stand schon viermal auf der Tagesordnung. Es gab Kränkungen, der Gemeinderat wollte sich nicht soviel reinreden lassen. Aber wenn es um die Zukunft des Unterrichts unserer Kinder geht, dann müssen wir uns eben einmischen. Teppich ist einfach die fachlich bessere und finanziell günstigere Alternative.

Was ist jetzt an Teppich so besonders?

Wir haben im Vorfeld für die Schule gemeinsam mit Lernhausexperten, dem Gemeinderat und der Nutzergemeinschaft 2018 ein pädagogisches Raumfunktionsbuch erstellt, in dem der Teppichboden als Element erwähnt wurde. Und zwar nicht, weil er kuschelig ist, sondern weil er schallschluckend ist und deswegen ein elementarer Bestandteil der Lernhaus-Pädagogik. Abweichend davon beschloss der Gemeinderat 2020 aber, die Klassenzimmer mit Industrieparkett auszustatten.

Ein Lernhaus ist doch kein Lärmhaus. Rechnen Sie damit, dass es soviel lauter wird?

Natürlich soll in einem Lernhaus nicht herumgeschrien werden. Aber der Frontalunterricht soll zugunsten moderner Unterrichtsformen aufgegeben werden. In Lernhäusern gibt es mehr Platz, damit Kinder in Kleingruppen arbeiten können. Das Konzept gibt den Kindern mehr Möglichkeiten sich zu bewegen, das ist für Grundschüler wichtig. Für Gruppenarbeit brauchen die Kinder aber Ruhe. Da stört es schon, wenn Stifte auf den Boden fallen, Stühle gerückt oder Schultaschen abgestellt werden. Auf einem Parkettboden sind solche Geräusche viel lauter als auf einem Teppichboden. Bei der Erweiterung der Schule um zwei Klassen im alten Feuerwehrhaus wurden die Räume schon einmal testweise als Lernhäuser eingerichtet und bis heute genutzt. Seit Beginn schwärmen alle Lehrerinnen davon, wie gut man sich in einem Raum mit Teppichboden konzentrieren kann.

Am Rohbau der neuen Weßlinger Grundschule wird derzeit kräftig gewerkelt, doch am Bodenbelag scheiden sich weiterhin die Geister. (Foto: Franz Xaver Fuchs/Starnberger SZ)

Teppichböden sind aber doch viel empfindlicher als Parkettböden

Die Architektur des Lernhauses ist auf den Teppichbelag ausgerichtet. Die Kinder ziehen ihre Schuhe in der Garderobe im Eingangsbereich aus und laufen dann nur mehr mit Hausschuhen durch das Haus. In den Klassenzimmern darf weder gegessen werden, noch finden dort Werkunterricht oder Pausen statt. Also, alles, was Schmutz verursacht, findet nicht in den Klassen statt.

Und was ist mit den Allergien, eines der Argumente des Gemeinderats?

Solche Vorbehalte stammen noch aus alten Zeiten. Bei den neuen Materialien kann man dies klar widerlegen, die haben gar nichts mit den alten Bakterienschleudern gemein. Sie sind als reine Naturprodukte erhältlich, ganz anders gefertigt, so dass sie auch für Allergiker geeignet sind. Teppiche sind sogar besser für die Gesundheit, weil sie nachweislich Staub binden und dadurch die Feinstaubbelastung in den Klassenzimmern sinkt. Es gibt zum Beispiel Teppiche aus Ziegenhaar, die sind mit ganz engen Schlaufen gewebt und imprägniert, so dass der Teppich besonders unempfindlich ist.

"Eigentlich wollten wir das Thema nicht in der Öffentlichkeit diskutieren, aber wir müssen."

Und billiger ist Teppichboden auch.

Genau.Teppichboden ist in etwa halb so teuer wie Parkett, das derzeit sogar Lieferschwierigkeiten hat. Angesichts der explodierenden Preise muss man an die Steuergelder denken, und auch der Unterhalt ist für einen Parkettboden teurer.

Und jetzt haben Eltern eine Petition gestartet.

Eigentlich wollten wir das Thema nicht in der Öffentlichkeit diskutieren, aber wir müssen, denn uns rennt die Zeit davon. Im Januar soll in der Schule bereits der Estrich gegossen werden. Deswegen sind wir mit der Petition an die Öffentlichkeit gegangen, um dem Thema endlich mehr Gewicht zu verleihen. Wir haben zwei Jahre lang versucht, die Bedeutung des Teppichs klarzumachen, aber wir haben festgestellt, dass vielen gar nicht bewusst ist, dass das Lernhauskonzept mit dem schallschluckenden Teppich steht und fällt.

Was erhoffen Sie sich von der Petition?

Dass im Gemeinderat über die Entscheidung über den Bodenbelag noch einmal nachgedacht wird.

Und falls doch Parkett kommt?

Dann wird auf alle Fälle später mit sehr viel Schallschutzmaßnahmen an den Wänden und an der Decke nachgebessert werden müssen - und man wird trotzdem nicht die guten Werte wie mit einem Teppichboden erreichen können. Das wird dann richtig, richtig teuer.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Haushalt
:Weßling investiert Millionen in die Schule und Wohnungen

Die Gemeinde braucht ihr Erspartes komplett auf und muss Kredite aufnehmen.

Von Patrizia Steipe

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: