Bildung:Endlich eine Schule für alle

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Zum Schulbeginn eine völlig neue Schule: In Weßling ist es nach einem halben Jahrhundert gelungen, eine Idee in die Tat umzusetzen. (Foto: Arlet Ulfers/Arlet Ulfers)

Nach 50 Jahren sind erstmals Weßlings Grundschüler in einem Gebäude vereint. Mehr als 18 Millionen Euro hat das Mammutprojekt die Kommune gekostet. Doch alle sind sich einig: Der Aufwand hat sich gelohnt.

Von Patrizia Steipe, Weßling

"Nur ganz wenige Kinder dürfen so etwas erleben": 250 Grundschulkinder aus Weßling haben am Dienstag den ersten Schultag in einer neuen Grundschule begonnen. Auch für Rektorin Maria Streifinger war die Eröffnung ein besonderer Moment. 50 Jahre lang hat es gedauert, bis aus der Idee einer gemeinsamen Schule statt mehrerer Ortsteilschulen Realität geworden ist. Nun steht das Schulhaus am Meilinger Weg. Elf Klassen gibt es und gelernt wird nach dem Lernhausprinzip, bei dem sich jeweils drei Klassenzimmer um einen gemeinsam genutzten "Marktplatz" gruppieren.

Weßlings Bürgermeister Michael Sturm übergibt Rektorin Maria Streifinger symbolisch den Schlüssel. (Foto: Arlet Ulfers)

Für Katja aus der Klasse 3b war der Tag besonders aufregend. Das Mädchen ist nicht nur neu an der Schule, sondern wurde gemeinsam mit Leo aus der 3c ausgelost, um mit Bürgermeister Michael Sturm und der Rektorin das Band vor der Schultür durchzuschneiden. Danach marschierten die Kinder klassenweise unter einem aufgeblasenen Regenbogen hindurch in das Gebäude. Die Klassenstufen sind farblich in "rot", "gelb", "blau" und "grün" gekennzeichnet. Hinter der Eingangstür kommen die Kinder in die gemeinsam genutzte Garderobe. Auch Aula, Mensa, der Theater- und Werkraum finden sich im Erdgeschoss sowie das "Pädagogencafé", das den veralteten Begriff des Lehrerzimmers ersetzt. Die Klassenräume liegen im ersten Stock. Dort bieten die Marktplätze Raum für klassenübergreifende Gruppenaktionen und laden mit Sitzelementen zum Lesen ein.

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In den Klassenräumen nimmt die digitale Tafel mit dem Touchdisplay einen prominenten Platz ein. Lehrerin Claudia Neder hat in ihrer 2a bereits die Klassenregeln an die Wand gehängt. "Ich melde mich", "Ich höre gut zu", "Ich bin leise" steht da. Neder hat zuletzt in der Oberpfaffenhofener Schule unterrichtet. Die Ausstattung mit der neuen Technik sei "super", sagt sie und demonstriert, wie sie mit dem Zeigefinger das ABC auf die Tafel schreiben kann. Sie freut sich auf das Lernhausprinzip. "Meine Kollegin und ich haben schon einige Ideen".

Finger statt Kreide: Lehrerin Claudia Neder schreibt das ABC auf eine der neuen digitalen Tafeln. (Foto: Arlet Ulfers)
Rolf Maiwald hat sich vor 25 Jahren in einer Bürgerinitiative für eine neue Schule engagiert. Am Dienstag begleitete er seinen Enkel Samuel. (Foto: Arlet Ulfers)
Die neue Weßlinger Grundschule wird am 13.September eröffnet. (Foto: Arlet Ulfers)

Zur Eröffnung war auch Rolf Maiwald mit seinem Enkel gekommen. Vor 25 Jahren hatte sich der Weßlinger in einer Bürgerinitiative für eine gemeinsame Schule engagiert. "Der Standort neben der Turnhalle ist perfekt", sagte er freudig. "Ich wollte die Schule eigentlich für meine jüngste Tochter", erinnerte er sich. Jetzt begleitet er eben seinen Enkel in die neue Schule. Auch der ehemalige Gemeinderat Roland von Rebay, der sich in der Schulhausgruppe mit dem Raumprogramm und dem pädagogischen Konzept beschäftigt hatte, war gekommen, sowie Mitglieder des aktuellen Gemeinderats, der Gemeindeverwaltung und Projektleiter Florian Zarbo. "Bei uns ist kein Kompromiss, sondern in gemeinsamer Anstrengung für unser Dorf ein Optimum, eine wirklich tolle Schule, entstanden", lobte Rebay.

Die ersten Ideen für eine gemeinsame Schule waren 1970 aufgekommen, informierte Sturm. Damals zerschlugen sich die Pläne für einen Neubau im Stocket. 1998 schmetterte ein Bürgerentscheid die Idee einer gemeinsamen Schule ab. Erst 2006 kam der Gemeinderatsbeschluss zustande. Danach folgten jahrelange Diskussionen um Standort, Architektur und Konzept. 2021 fand der erste Spatenstich statt. Über 18 Millionen Euro habe der Neubau, das größte Bauprojekt, das die Gemeinde je gestemmt hat, gekostet, berichtete Sturm. Mehr als fünf Millionen mehr als ursprünglich veranschlagt. Die gestiegenen Baupreise, Lieferengpässe und die hohe Nachfrage bei Baufirmen haben die Teuerung verursacht. Und am Ende wurde es noch richtig spannend. Eine Woche vor Schulbeginn hatte es von der Decke getropft. Wenn nicht zufällig Lehrerinnen vor Ort gewesen wären, die das entdeckt hatten, hätte es zu einem größeren Wasserschaden kommen können, so Sturm.

Die Garderoben sind offen und übersichtlich gestaltet. (Foto: Arlet Ulfers)
Die Räume der jeweiligen Klassenstufen unterscheiden sich farblich. (Foto: Arlet Ulfers)
Sogenannte Marktplätze bieten Möglichkeiten für klassenübergreifende Angebote. (Foto: Arlet Ulfers)

"Unsere Schule auf Rädern ist Vergangenheit", jubelte Streifinger. Die komplizierten Busfahrpläne für elf Klassen, die zu Sport-, Religion- oder anderen Stunden durch den Ort nach Oberpfaffenhofen oder Weßling gekarrt werden mussten, fallen weg. Und noch viel mehr: "In Oberpfaffenhofen hat es kein Klettergerüst gegeben", erklärte eine Viertklässlerin. Sie freue sich deswegen auf die Pausen mit den neuen Spielmöglichkeiten. Anderen Kindern gefällt, dass sie mehr Freunde finden können oder dass Freunde jetzt in dieselbe Schule gehen. Vergessen sind die heftigen Diskussionen zwischen Lehrkräften, Elternhaus und Lehrern, als es um das Thema "Teppich oder Parkett" ging. Der Gemeinderat hatte sich mit dem Stäbchenparkett durchgesetzt.

Um die Neugier von Kindern und Eltern zu stillen, hatte ein Schülervater eine Woche vor Schulbeginn einen kleinen Film gedreht und den Familien den Link geschickt. "Da war das Ganze noch eine richtige Baustelle", erinnert sich Streifinger. Sogar noch einen Tag vor Schulbeginn pflanzten Gärtner Bäume und Helfer schafften Umzugskartons aus dem Gebäude. Für einen sicheren Schulweg wurde der Meilinger Weg verbreitert und hat einen Gehsteig bekommen. "Es ist sicher, muss sich aber erst einspielen", meinte eine Mutter. "Unsere Tochter geht jetzt einmal um den halben See, das ist kein Problem", berichtet Schülermutter Hannah Thaler. Schön findet sie es, dass sich nun alle Grundschulkinder der Gemeinde an einem Ort treffen können. "Das hat etwas Verbindendes".

Die Erstklässler Stefano und Grace freuen sich darauf, in der Schule Freunde zu finden. (Foto: Arlet Ulfers)

Ein wenig abseits warteten an diesem Tag bereits die ersten beiden Erstklässler mit ihren Müttern auf ihre Einschulungszeremonie im Anschluss. Stefano hatte eine gebastelte Schultüte mit Piratenmotiv und Grace eine mit einem Einhorn dabei. "Ich freue mich auf Freunde", so der Siebenjährige. Und für noch jemanden hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen: Für Hausmeister Thomas Theobald. "In die Technik muss ich mich noch einfuchsen", erklärt der "Neue". Ihn beeindruckt die Hightech-Einrichtung. Türen, Lüftung, Sonnenschutz und Licht werden automatisch geregelt, die Fehlermeldungen kommen direkt auf das Handy. Mit Kindern kennt sich der Weßlinger bereits aus: "Ich war früher Fußballtrainer."

Am Freitag, 13. Oktober, ist die offizielle Einweihung der Grundschule, einen Tag später ist die Bevölkerung zu einem Tag der offenen Tür eingeladen.

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