Sportgeschichte:Legendäre Helden

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Erich Rüba hat die Ausstellung "Schneetreiben und Eishockeyhelden" in der Weßlinger Gemeindegalerie zusammengestellt. Hier ist er mit dem Equipment der Eishockeyhelden von 1953 zu sehen. (Foto: Nila Thiel)

Eine Ausstellung in Weßling widmet sich dem Aufstieg der örtlichen Eishockey-Mannschaft in die Oberliga vor 70 Jahren - eine Sensation, die bis heute unvergessen im Ort ist.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Die Sensation jährt sich im neuen Jahr 2023 zum 70. Mal: Der Aufstieg der Weßlinger Eishockey-Mannschaft in die Oberliga am 22. Februar 1953. "Die Oberliga ist vergleichbar mit der heutigen Bundesliga", erklärt Ortshistoriker Erich Rüba. Den bis heute im Dorf unvergessenem Erfolg der "Weßlinger Eishockeyhelden" hat er in der Gemeindegalerie eine Ausstellung mit Original-Ausrüstungsgegenständen, Fotos und Dokumenten, gewidmet. Hier sieht man beispielsweise die Schlittschuhe von Alfred Riedl mit der Aufschrift "Made in Canada", den Eishockeyschläger sowie die Ausrüstung von Alfred Dellinger: Knieschützer, Handschuhe und den gelb-schwarz gestreiften Wollpulli mit dem quer über die Brust laufenden Schriftzug "Wessling". Dellingers Nachfahren hatten das ganze Haus auf den Kopf gestellt, um die Reliquie aufzutreiben, erklärte Rüba. "Im Speicher haben sie den Pulli dann gefunden". Die Dimension des sportlichen Erfolgs zeigt sich auch an einem Plakat, das für das Oberliga-Meisterschaftsspiel "Düsseldorf gegen Weßling" warb.

Ein Plakat von 1953 wirbt für das Oberliga-Meisterschaftsspiel und zeigt die Dimension des sportlichen Erfolges der Weßlinger Mannschaft. (Foto: Nila Thiel)

Wie konnte es sein, dass eine kleine Dorfmannschaft an so vielen großen Vereinen vorbeizog? So ganz können es die Weßlinger bis heute nicht begreifen, denn sie hatten nicht einmal ein eigenes Kunsteisstadion und feste Trainingszeiten. Der verstorbene Eishockeyspieler Roland von Rebay senior habe ihm den Erfolg einmal so erklärt: "Wir waren nicht besser als die anderen, wir haben mehr mit Kraft gemacht und waren eine eingeschworene Mannschaft", zitiert Rüba.

1936 war der Weßlinger Eishockeyverein gegründet worden. Um zu spielen, mussten die Spieler auf frostige Kälte, die den See gefrieren ließ, warten. Dann bauten die Helfer die tragbare 20 Zentimeter hohe Bande auf dem Eis auf. Nach dem Krieg wurde 1948 mit Hilfe der Amerikaner ein Natureisstadion in der alten Kiesgrube, an der heute die Tennisplätze stehen, errichtet. Doch das Natureis hatte seine Tücken. Immer wieder mussten Spiele abgesagt werden, wenn es wieder einmal zu warm war und die Plätze im Matsch schwammen. Bis heute hallt deswegen der Ruf nach einem eigenen Eisstadion im Ort nach. Zum Trainieren mussten die Sportler spätabends ins Münchner Prinzregentenstadion ausweichen und später in das Landsberger Eisstadion.

Tatsächlich war es das Natureisstadion, das den Weßlingern Erfolg gebracht hatte. Bereits in der Spielsaison 1950/51 gelang der Aufstieg in die Landesliga. Bei einem Match konnte ein Spieler allerdings erst im zweiten Drittel eingesetzt werden, da er zuvor die Stallarbeit erledigen musste. Die Erfolgssträhne hielt an, die Weßlinger marschierten durch. Gerade bei dem entscheidenden Spiel am 22. Februar 1953 waren die Voraussetzungen für den Sieg denkbar schlecht. Nur ein Tag zuvor war die Mutter von Willi und Toni Edelmann gestorben. "Ohne die beiden Stars wäre die Fahrt nach Mannheim zwecklos gewesen", so Rüba.

"Wintervergnügen auf dem Wesslinger See" heißt ein Gemälde in der Ausstellung von Johannes Klein. (Foto: Nila Thiel)

Schweren Herzens entschlossen sich die beiden Sportler mitzufahren im Bewusstsein, dass ganze neun Tore Unterschied gegen den ERC Mannheim nötig waren, um Landesmeister zu werden. Doch der Siegeswille der Weßlinger war unbezwingbar. 66 Angriffe trugen sie aus ihrem eigenen Drittel vor das Mannheimer Tor, "von denen waren neun erfolgreich", staunte Rüba. Am Ende stand es 11:0 - der Einzug in die Oberliga war geglückt. Ein Stück Eishockey-Geschichte war geschrieben. "Wir steigen zur allgemeinen und unserer eigenen Verblüffung mühsam in die höchste deutsche Eishockeyspielklasse auf", notierte Rebay.

Das Aquarell von Gottfried Weber "See mit Badehütten" ist ebenfalls ausgestellt. (Foto: Nila Thiel)

Es folgten aufregende Jahre. Für die Sportler, die zuvor kaum jemals aus dem Dorf herausgekommen waren, war bereits der Aufenthalt in einem der mondänen Schweizer Hotels in Orten wie Arosa oder St. Moritz eine Sensation. Aufzüge kannten die Weßlinger bis dato nicht. "Im Hotel sind sie erstmal in einen Lift gestiegen und immer wieder auf- und abgefahren", weiß Rüba aus Erzählungen.

Für die Fans waren die Heimspiele in Weßling eine große Schau. Mit Bussen wurden sie zum Natureisstadion gekarrt. Teilweise waren bis zu 3000 Menschen vor Ort. Rüba erinnert sich gut an die Stimmung. "In der Pause gab es Glühwein. Dann flanierten die Leute um das Stadion herum". Rüba selbst konnte sich zuhause aufwärmen, da er in der Nähe wohnte.

Einige Spieler wie die beiden Edelmann-Brüder wurden in die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft berufen. 1956 wurde sogar das Spiel Deutschland gegen Jugoslawien, das 5:5 endete, nur mit Weßlinger Spielern bestritten, da die nominierten Spieler des SC Riessersee vom Verein wegen eines Meisterschaftsspiels keine Freigabe erhalten hatten.

Equipment der damaligen Zeit (Foto: Nila Thiel)

Das Erreichte zu behalten, erwies sich für die Weßlinger auf Dauer jedoch als zu schwierig. "Es war klar, dass ohne regelmäßiges Training auf einem Kunsteis ein Verbleib in der Oberliga unmöglich ist", sagte Rüba. Dabei gaben die Weßlinger alles, "Witschi" Edelmann stand einmal seinen Mann im Tor mit Kieferbruch und drei ausgeschlagenen Zähnen, die er sich beim Training vor dem Anpfiff zugezogen hatte. Unvergessen ist auch die harte "Schlacht" gegen den EV Rosenheim. Es habe Unmengen an Strafzeiten gegeben, "teilweise standen sich jeweils nur drei Mann auf dem Eis gegenüber", so Rüba.

1958 stiegen die Weßlinger endgültig ab. Von den Eishockey-Helden, die auf dem Mannschaftsbild nach dem Aufstieg in die Oberliga in der Gemeindegalerie keck in die Kamera blicken, sind mittlerweile fast alle außer dem 96-jährigen Hans Buchner gestorben. Mit ihrem Erfolg haben sie sich jedoch auf ewig einen Platz in der Eishockey-Geschichte gesichert.

Die Ausstellung: "Die Weßlinger Eishockeyhelden - Aufstieg in die Oberliga 1953" ist bis zum 11. April 2023 in der Weßlinger Gemeindegalerie, Hauptstraße 57, zu besichtigen. Öffnungszeiten sind freitags und sonntags von 14 bis 17 Uhr.

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