Wenn am kommenden Montag der Missbrauchsprozess gegen einen ehemaligen Polizisten aus Tutzing beginnt, dürfen Richter und Ankläger mit einem umfassenden Geständnis rechnen. Der 59-jährige bereue seine Taten, er wisse, was er falsch gemacht habe, und wolle sich ausführlich dazu äußern, kündigte am Freitag der Münchner Rechtsanwalt Tom Heindl an, einer von insgesamt drei Verteidigern in dem Verfahren. Den Opfern werde damit erspart, vor Gericht über die sexuellen Übergriffe zu sprechen. Außerdem werde ein Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt, um wenigstens eine finanzielle Entschädigung anzubieten.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, dass er sich an minderjährigen Buben vergangen hat. Eines der Opfer war nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Tatzeit erst zwölf Jahre alt, andere kaum älter. Der 59-Jährige habe bei seinen sexuellen Übergriffen immer wieder ein besonderes Vertrauensverhältnis gegenüber Schutzbefohlenen ausgenutzt, wie der 14-seitigen Anklageschrift zu entnehmen ist. Der Mann war fast 20 Jahre bei der Starnberger Polizei, zuletzt im Rang eines Hauptkommissars, wo er auch als Bootsführer eingesetzt war. Er war Jugendwart bei der Tutzinger Feuerwehr, er hat eine Musikgruppe geleitet und war ehrenamtlich beim Kreisjugendring tätig.
Missbrauchsvorwürfe:"Uns ist nie etwas an ihm aufgefallen"
Starnbergs Polizeichef Bernd Matuschek äußert sich erstmals über den wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten Beamten, mit dem er sieben Jahre lang in der Inspektion zusammenarbeitete.
Zu seinen Opfern soll er ein freundschaftliches und manchmal väterliches Verhältnis aufgebaut haben, um sich ihnen nähern zu können. Sogar ein Patenkind blieb nicht verschont; von ihm soll der Angeklagte ohne dessen Einverständnis Nacktfotos gemacht haben. Einem Praktikanten bei der Polizei soll er per Handy pornografische Bilder geschickt haben. Um seine minderjährigen Opfer sexuell zu bedrängen, brachte er sie der Anklage zufolge zum Teil in Situationen, in denen sie ihm nicht entkommen konnten: bei einer Bootsfahrt auf dem Starnberger See etwa oder in einem abgesperrten Unterrichtsraum der Feuerwehr. Auch eine Reise nach Hamburg und einen Urlaub in Ungarn habe er für seine Übergriffe genutzt.
Ermittler des Landeskriminalamtes haben Tablets, einen Computer, eine Festplatte und das Handy des Tutzingers ausgewertet. Mehr als hundert pornografische Bilder und Filme wurden dabei sichergestellt. Der 59-Jährige war nach konkreten Hinweisen von mutmaßlichen Opfern im März vergangenen Jahres verhaftet worden und sitzt seither im Gefängnis in Stadelheim in Untersuchungshaft. Eine Rechtsanwältin aus Augsburg, die ein ehemaliges Mitglied der Tutzinger Jugendfeuerwehr vertritt, hatte Strafanzeige erstattet. Bei den weiteren Ermittlungen der Kriminalpolizei wurden dann weitere Missbrauchsfälle bekannt, die zum Teil schon mehr als 15 Jahre zurückliegen.
Der Prozess vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts München sollte eigentlich schon im März beginnen, musste aber verschoben werden. Ein Justizsprecher begründete die Entscheidung damit, dass sich ein Sachverständiger und weitere Beteiligte des Verfahrens wegen der Corona-Krise in freiwillige Quarantäne begeben hätten. Zudem sei ein Mitglied der Jugendkammer erkrankt, was aber nichts mit dem Virus zu tun habe. Nun sind in der kommenden Woche insgesamt drei Verhandlungstage vorgesehen. Verteidiger Heindl geht aber davon aus, dass es schon früher zu einem Urteil kommen könnte. Auf jeden Fall müsse der suspendierte Hauptkommissar damit rechnen, dass er seine Pensionsansprüche als Beamter verliert.