Missbrauchsvorwürfe:"Uns ist nie etwas an ihm aufgefallen"

Rund 50 Schüler wollten Polizeiwache stürmen

Im Fokus nach dem Missbrauchsskandal: die Polizeiinspektion Starnberg.

(Foto: dpa)

Starnbergs Polizeichef Bernd Matuschek äußert sich erstmals über den wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten Beamten, mit dem er sieben Jahre lang in der Inspektion zusammenarbeitete.

Von Christian Deussing

Sieben Jahre lang hat Starnbergs Polizeichef Bernd Matuschek den Beamten als loyalen und zuverlässigen Mitarbeiter in seiner Inspektion kennengelernt - bis der Hauptkommissar am 14. März zu Hause in Tutzing festgenommen wurde. Dafür rückten eigens Beamte des Landeskriminalamts aus München an. Der Grund: Der Polizist steht unter dringendem Verdacht des sexuellen Missbrauchs. Der Mann muss sich nach erhobener Anklage wohl noch heuer vor Gericht verantworten. "Uns ist nie etwas an ihm aufgefallen, auch nicht im Umgang mit Schülerpraktikanten", betont Matuschek auf Anfrage. Der Dienststellenleiter hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass sich der inzwischen suspendierte Beamte auf einer Patrouillenfahrt an einem Hospitanten der Polizei vergangen haben könnte - wovon die Ermittler offenbar bislang ausgehen.

Denn auf Streifenfahrten auf dem Starnberger See seien stets zwei Bootsführer an Bord, dort wäre also das "Entdeckungsrisiko sicher zu groß gewesen", sagt Matuschek. Als Tatort sei eines der beiden Polizeiboote eher vorstellbar, wenn es im Bootshaus liege und weniger einsehbar sei. Die Details zu den Vorwürfen kenne er allerdings nicht, so Matuschek. Die Stelle des inhaftierten Polizisten werde zum 1. September neu besetzt - auch wieder mit einem Bootsführer für die Wasserschutzpolizei.

Nun ist auch Matuschek auf den voraussichtlichen Prozess gegen den 59-jährigen Beamten vor der Jugendkammer am Landgericht München II gespannt. Der Angeklagte befindet sich seit mehr als fünf Monaten in Untersuchungshaft und ist laut seines Verteidigers weitgehend geständig. Die 28-seitige Anklage wirft dem Familienvater sexuelle Nötigung, Missbrauch von Kindern und Jugendlichen und die Verbreitung pornografischer Bilder und Videos vor. Die Ermittlungen hatte das Landeskriminalamt übernommen, das auch Dienstcomputer und Schreibtisch des verdächtigen Beamten in der Wache durchsuchte.

Der erste sexuelle Übergriff soll vor 18 Jahren begangen worden sein: Dem Vernehmen nach soll der Polizist als damaliger Jugendwart der Tutzinger Feuerwehr einen 16-Jährigen in seine Wohnung gelockt und ihm Pornobilder gezeigt haben. Im Februar erstattete der heute 34-Jährige, der selbst Polizist wurde, bei einer Anwältin Strafanzeige - und löste damit die Ermittlungen der Kripo aus, die auf weitere Verdachtsfälle stieß. So sollen auch andere Jugendliche missbraucht oder genötigt worden sein - unter anderem auch im Schulungsraum der Feuerwehr. Deren Vorsitzender war der beschuldigte Polizist seit 2006. Er war darüber hinaus auch in weiteren Vereinen engagiert.

Starnbergs Polizeichefs

Starnbergs Polizeichef Bernd Matuschek hatte nie einen Verdacht gegen seinen Beamten geschöpft, mit dem er sieben Jahre lang in der Inspektion zusammenarbeitete.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nach den ersten Erkenntnissen habe man "schnell und konsequent handeln und aufklären müssen", sagt Manfred Frei, Chef der Kripo Fürstenfeldbruck. "Schwarze Schafe in eigenen Reihen" dürften nicht toleriert werden, weil sie zudem das Ansehen der Polizei erheblich beschädigten. Es sei auch zu befürchten gewesen, dass der mutmaßliche Täter "weiter machen würde", denn er habe sich seinerzeit erneut als Betreuer einer Jugendreise angemeldet, berichtet der Kriminaldirektor.

Der Fall hat in Tutzing Unruhe ausgelöst. Vize-Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg kennt den Mann gut. Sie betont, dass auch er nach einer möglichen Haftstrafe die Chance verdient habe, in den Ort und den Alltag zurückzukehren.

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