SZ-Podiumsdiskussion:Schlagabtausch um Neubau am Grundschulareal in Gauting

Lesezeit: 3 min

Gegner und Befürworter debattieren bei der SZ-Diskussion vor fast 200 Zuschauern. Während die einen die Häuser für zu groß halten, pochen die anderen auf 60 Wohnungen.

Von Otto Fritscher, Gauting

Befürworter und Gegner des Neubauprojekts auf dem Gelände der alten Grundschule beim Gautinger Bahnhof haben in einer Podiumsdiskussion der Süddeutschen Zeitung am Sonntagvormittag einen Schlagabtausch geführt. Dort sind drei fünfstöckige Gebäude mit 60 Wohnungen, einem Lebensmittel- sowie einem Drogeriemarkt geplant, dazu 42 oberirdische Parkplätze für Autos und eine Tiefgarage. Vor allem an der Baudichte und an der Frage, ob die Bahnhofstraße zusätzlichen Verkehr verträgt, entzündete sich die Diskussion vor gut 150 Zuhörern im überfüllten Breitwand-Kino. Einige Dutzend mussten draußen per Lautsprecherübertragung zuhören.

Wie hoch soll Gauting bauen? Rund 150 Zuschauer verfolgen die SZ-Diskussion in Saal 1 des Kinos Breitwand, mehrere Dutzend lauschen im Gang. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Gebäude

Nach einer kurzen Einleitung durch Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU) ging es um die Frage, ob der Neubau zum Ortsbild passt. Angelika Siegmund von der Bürgerinitiative "Gauting aktiv" sprach von einer "bedrohlichen Atmosphäre", die von der zu dicht an die Bahnhofstraße heranreichenden Fassade ausgehen werde. Auch fünf Geschosse wolle man "dort auf keinen Fall haben". Dagegen erinnerte Andreas Albath von der Initiative "Zukunft Gauting", die das Ratsbegehren für den Neubau unterstützt, daran, dass es "an dieser Stelle schon immer hohe Gebäude gab, zum Beispiel die ehemalige Tabakfabrik". Die Gegner des Projekts hatten mit roten Luftballons die Höhe des geplanten Baukörpers simuliert. Eine Aktion, die den Befürwortern laut Albath "Rückenwind gebracht hat". Denn viele Gautinger hätten so gesehen, "dass die Höhe gut passt". Eines sei klar: "Wir werden nie einen Konsens über die Gestaltung schaffen." Wenn es nach Grünen-Gemeinderat Heinrich Moser geht, sollten die oberirdischen Kundenparkplätze aus der Planung gestrichen werden und als zweites Untergeschoss in die Tiefgarage verlegt werden. Dies sei "das Schlüsselelement, um die Gebäude besser anordnen und mehr Grün schaffen zu können".

Wohnen

UBG-Gemeinderat Richard Eck verwies auf die 120 Sozialwohnungen, die die Gemeinde auf dem ehemaligen Gelände der Firma Apparatebau plant. "Diese kommen aber für Bürger mit mittlerem Einkommen nicht in Frage, deshalb ist es gut, dass im Ortszentrum Wohnungen mit einer Miete von 13,50 bis 15 Euro entstehen." Preise, die laut Angelika Siegmund nicht garantiert seien. "Die Mieten stehen ja noch gar nicht fest. Und warum sollte ein Investor Interesse an niedrigen Mieten haben?" 60 neue Wohnungen seien "ein Pfund für Gauting", ergänzte Albath. Eck schlug sogar vor, auf die fünf Geschosse "noch ein Stockwerk draufzusetzen, weil wir Wohnungen im Zentrum brauchen". Darum geht es beim Bürgerentscheid aber nicht.

Einkaufen

Bringen die zwei geplanten Märkte neues Leben in die Bahnhofstraße? Für Albath ist die Antwort klar: "Wir wollen keine Verödung der Bahnhofstraße, die Geschäfte dort kämpfen schon jetzt um ihre Existenz. Und sie werden von den Geschäften in den Neubauten profitieren"; Bürgermeisterin Brigitte Kössinger hatte in ihrem Eingangsstatement von einem erwarteten Umsatzplus von zehn Prozent gesprochen. Angelika Siegmund kritisierte, "dass Edeka doch nicht den Bau bestimmen kann." Zum einen ändere sich das Einkaufsverhalten in den nächsten zehn Jahren weiter, und zudem sei das alte Postgelände viel besser für einen Supermarkt geeignet. Alle Diskutanten auf dem Podium waren sich aber grundsätzlich einig, dass Wohnen und Einkaufen im Ortszentrum "eine gute Chance für Gauting sind", so Moser.

Verkehr

Nach Ansicht von Richard Eck wird es durch das Neubauprojekt nicht zu einem Verkehrschaos auf der Bahnhofstraße kommen. "Der Wohn- und Geschäftsverkehr wird ja über die Ammerseestraße abgeleitet." Dort gebe es Abbiegespuren in beide Richtungen und eine Ampelregelung. Albath verwies darauf, "dass die Bahnhofstraße immer stark befahren sein wird, mit oder ohne den Neubau". Ein Vorteil sei, dass die Grundschulkinder nach dem Konzept der Planer zu den Bushaltestellen gelangen können, "ohne mit dem Pkw-Verkehr in Berührung zu kommen". Moser wandte sich gegen die Stichstraße, die als Zufahrt sowohl für die Tiefgaragenzufahrt als auch für die von der Gemeinde geplante Park+Ride-Anlage mit bis zu 300 Plätzen dienen soll. "Und diese Anlage brauchen wir, weil sonst die Wohngebiete zugeparkt werden", so Richard Eck. "Warum muss man denn eine Tiefgarage bauen, ein mehrgeschossiges Parkregal wäre viel besser", befand Angelika Siegmund. Noch nicht entschieden ist, ob von der Bahnunterführung für Radfahrer ein Schutzstreifen auf der Straße oder ein richtiger Radweg am Gehweg den Berg hinunter in Richtung Hauptplatz eingerichtet wird.

Auswirkungen des Projekts

Unterschiedliche Ansichten traten für den Fall zutage, dass die Gegner des Projekts den Bürgerentscheid am kommenden Sonntag gewinnen. "Dann muss man halt neu planen, aber der jetzige Investor wäre sicher nicht unerwünscht. Wie schnell es geht, liegt an der Bürgermeisterin", sagte Angelika Siegmund. Andreas Albath malte ein schwarzes Bild, falls das Projekt gestoppt wird. "Das ist die alte Gautinger Krankheit, ewig zu diskutieren und zu keiner Entscheidung zu kommen. Dann fängt die Diskussion über das Grundstück von Neuem an, und wir haben fünf Jahre lang eine Brache im Ortszentrum." Zudem bestehe dann die Gefahr, dass die Gemeinde bis zu zehn Millionen Euro an den Investor zurückzahlen müsse. In diesem Falle müsse die Gemeinde einen Nothaushalt aufstellen, die Zuschüsse für die Vereine kürzen, und möglicherweise sei sogar das Bosco in Gefahr, was Angelika Siegmund als "unglaubwürdige Drohkulisse" bezeichnete.

In der folgenden Diskussion fragte Grünen-Gemeinderätin Anne Franke, warum es keine Mediation zwischen den Initiatoren des Bürgerentscheids und des Ratsbegehrens gegeben habe. "Die Gegner waren dafür einfach zu schnell", sagte Eck. Er verwies darauf, dass das Projekt vom Gemeinderat ursprünglich mit 21 zu zwei Stimmen gutgeheißen worden war.

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: