Zweitwohnungssteuer:Münchner, bitte zur Kasse

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Entspannen an der Herrschinger Uferpromenade: Das wollen auch Menschen regelmäßig, die nicht fest in der Gemeinde wohnen. (Foto: Arlet Ulfers)

Als erste Gemeinde am Ammersee erhöht Herrsching die Zweitwohnungssteuer auf den zulässigen Höchstsatz. Das trifft vor allem Menschen aus München, die im Fünfseenland ihr Feriendomizil haben.

Von Tim Graser, Herrsching

Zur filmreifen Alpenkulisse an der Seepromenade ein Eis schlecken, gemütlich eine Mass Bier über den Baumwipfeln des Klosters Andechs trinken oder in einem der Ufer-Biergärten bei Sonnenuntergang eine Brotzeit verzehren: Wer im Fünfseenland lebt, hat es im Sommer wahrlich schön und kann die warme Jahreszeit so richtig genießen. Wohnen, wo andere Urlaub machen - für viele Bewohner des Fünfseenlands ist das Realität.

Doch auch so mancher wohlhabende Münchner hat sich den Traum vom Feriendomizil im Landkreis Starnberg erfüllt: eine Zweitwohnung in Herrsching am Ammersee beispielsweise, um am Wochenende mal draußen im Grünen so richtig auszuspannen. Erholung pur, und das auch noch so schön günstig: Gerade einmal acht Prozent der Jahresnettokaltmiete veranschlagte die Gemeinde an Zweitwohnungssteuer. Herrsching war damit die Steueroase im Landkreis.

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Doch das hat jetzt ein Ende: Am Montag vergangener Woche stimmte der Herrschinger Gemeinderat mit nur einer Gegenstimme für eine Erhöhung des Steuersatzes auf satte 20 Prozent, wirksam von Januar 2024 an. Grund dafür ist die klamme Kasse der Kommune, in die dringend mehr Geld muss. Zwar sind die Herrschinger Unternehmen wieder auf Wachstumskurs und die Gewerbesteuereinnahmen liegen zum Halbjahr mit fünf Millionen Euro erstmals wieder über dem "Vorkrisenniveau" (knapp vier Millionen Euro waren es zum Halbjahr 2019), doch auch die Ausgaben sind gestiegen.

"Ich mahne zum weiterhin vorsichtigen Haushalten", warnte die Kämmerin Miryam Goodwin die Gemeinderäte. "Wir können nicht in die Zukunft sehen. Weitere Kostensteigerungen oder Einnahmeneinbußen sind nicht absehbar."

Der Landrat mahnt die Kommunen zum Sparen

Schulden müssen abgebaut werden, Bauvorhaben sind deutlich teurer als noch vor einigen Jahren - und auch der Landkreis bittet kräftiger zur Kasse, als je zuvor: Knapp neun Millionen Euro müssen die Herrschinger heuer an Kreisumlage überweisen. Sie sind aber bei Weitem nicht die einzige Gemeinde, bei der diese Abgabe mittlerweile den größten Haushaltsposten ausmacht: In Gauting liegt die Kreisumlage für dieses Jahr schon bei mehr als 15,5 Millionen Euro.

Die Goldenen Zeiten sind vorbei. Sparen lautet das neue Credo, auf das Landrat Stefan Frey (CSU) den Landkreis schon im vergangenen Oktober eingeschworen hatte: "Man muss endlich den Leuten reinen Wein einschenken, wie sehr wir über unsere Verhältnisse leben."

In der Pandemie erhöhte auch Starnberg den Steuersatz

Weil Sparen aber erstmal weh tut, greifen die Gemeinden nun nach jedem Strohhalm, der noch ein wenig Geld in die Kasse spülen kann, damit nicht so viel gekürzt werden muss. Einer dieser Strohhalme ist die Zweitwohnungssteuer. In Feldafing beispielsweise erhöhte der Gemeinderat den Steuersatz bereits für dieses Jahr auf 20 Prozent, in Berg hat man diesen Satz schon seit 2022.

Für die Kreisstadt Starnberg galt eine Zweitwohnungssteuer lange Zeit per se als Tabu. Zu viel Aufwand, zu wenig Ertrag, lautete das Argument der Steuergegner im Stadtrat. Als sich die Kassenlage während der Corona-Pandemie allerdings verschlechterte, einigte man sich 2021 auch in Starnberg auf zwölf Prozent der Jahresnettokaltmiete - vergangenen Februar schon wurden dann auch daraus 20 Prozent.

Herrsching ist die erste Ammersee-Gemeinde, die den Höchstsatz ausreizt

So hoch liegt der gesetzliche Höchstsatz, das Maximum also, das die Kommunen kassieren dürfen. Nicht nur im Fünfseenland, sondern in verschiedenen Orten überall in Oberbayern wird dieser Höchstsatz mittlerweile ausgereizt: am Chiemsee, Tegernsee, Staffelsee und Kochelsee, am Starnberger See sowieso. Mit Herrsching zieht jetzt auch die erste Ammersee-Gemeinde nach.

Höchstsatz also an allen Seen, überall da, wo es schön ist. Zufall ist das nicht, denn: In München wurde die Zweitwohnungssteuer zuletzt auf 18 Prozent erhöht. Diesen Satz hatte auch die Bürgergemeinschaft Herrsching (BGH) zunächst vorgeschlagen. Direkt auf 20 Prozent, so eine Steigerung empfand man als zu hart. Aber: "Mit einem höheren Steuersatz als in München hoffen wir, dass Menschen ihren Hauptwohnsitz von München nach Herrsching verlegen werden, und dann auch hier ihre Einkommenssteuer einbringen", erklärte Kämmerin Miryam Goodwin.

Daran würde man noch besser verdienen. Bei Menschen, die sich einen zweiten Wohnsitz im Landkreis Starnberg leisten können, kann man auch von einer entsprechend hohen Einkommenssteuer ausgehen. Das leuchtete auch der BGH ein.

Knapp die Hälfte der Nebenwohnsitze in Herrsching haben Münchner

Die gleiche Rechnung haben auch andere aufgestellt. "Wir bekommen von den Zweitwohnsitzen keine Einkommensteuer", sagt auch Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim. Die Straßen müssten vor den entsprechenden Häusern ja trotzdem saniert werden, so Sontheim. Von Ummeldungen aufgrund des Steuerunterschieds von München in seine Gemeinde wisse er zwar noch nicht, aber wenigstens kann die unterfinanzierte Kommune ihren Etat mit dem Höchstsatz ein bisschen aufbessern.

Die Münchner sollen also auf dem Land nicht mehr so günstig davonkommen. Wer sich einen Nebenwohnsitz an einem der Seen leisten will, den könne man dort auch zur Kasse bitten, lautet der Tenor. Natürlich gehören diese Zweitwohnungen nicht sämtlich Menschen aus München. In Herrsching sind aktuell 270 Nebenwohnsitze angemeldet, bei davon immerhin 112 Fällen liegt die Hauptwohnung in München.

Mehr Geld gibt es auf jeden Fall: Eine Viertelmillion Euro nimmt Herrsching heuer mit seinen - noch - acht Prozent an Zweitwohnungssteuer ein. Mit 20 Prozent erhofft sich die Kämmerin von nächstem Jahr an ein Plus von weiteren 250 000 Euro. "Eine Verdopplung wäre schön", so Miryam Goodwin. Aktuell ist noch nicht absehbar, wer alles seinen Hauptwohnsitz nach Herrsching verlegen und wer sich aus der Gemeinde ganz abmelden wird. In letzterem Fall würde dafür Wohnraum frei. Auch den können die Kommunen dringend gebrauchen.

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