Starnberg:Millionen für marode Straßen

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Löchrige Fahrbahnbeläge, ungenügende Rad- und Fußwege: Die Josef-Fischhaber-Straße ist nicht die einzige sanierungswürdige Straße in Starnberg. (Foto: Arlet Ulfers)

Jahrzehntelang hat die Kreisstadt an ihrer Verkehrsinfrastruktur gespart. Das rächt sich nun in Zeiten knapper Kassen - und die Liste sanierungsbedürftiger Straßen ist lang.

Von Peter Haacke, Starnberg

Es holpert gewaltig auf so manchen Starnberger Wegen: Das Straßennetz der Kreisstadt ist in einem jämmerlichen Zustand - und das schon seit Jahren. Oftmals wurde nur notdürftig geflickt, wo eine grundlegende Sanierung eindeutig die bessere Wahl gewesen wäre. Doch in Zeiten, in denen die Stadtkasse noch vergleichsweise prall gefüllt war, verzichteten die jeweiligen Bürgermeister, Stadträte und die Verwaltung lieber auf kostspielige Sanierungen der Straßeninfrastruktur - auch, um die beteiligten Anwohner nicht zu vergrätzen. Denn die Straßenausbaubeitragssatzung hätte die Hauseigentümer finanziell erheblich an den Kosten beteiligt. Mittlerweile aber gilt die umstrittene Satzung nicht mehr, nun müssen die Kommunen selbst sehen, wie sie damit klarkommen. Straßenunterhalt ist teuer, die Stadt schiebt eine gewaltige Bugwelle vor sich her.

Seit 2018 werden in Bayern keine Beiträge mehr zur Finanzierung der Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen, beschränkt-öffentlichen Wegen, Ortsdurchfahrten und der Straßenbeleuchtung erhoben. Die Folgen sind unübersehbar. Dass es so aber auf Dauer kaum weitergehen kann und weitere Straßenschäden abgewendet werden müssen, ist dem Starnberger Stadtrat zwar durchaus bewusst. Wo aber soll man beginnen angesichts eines grob geschätzten Gesamtbedarfs in dreistelliger Millionenhöhe und chronisch leerer Kassen? Zur Debatte steht nun die Josef-Fischhaber-Straße, eine viel befahrene Querverbindung zwischen Hanfelder Straße und Söckinger Straße. Die Holperstrecke soll für - bislang nur grob geschätzte - 1,5 Millionen Euro repariert werden. Doch auch das ist momentan fraglich.

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Dass der Straßenunterhalt in Starnberg als Sorgenkind gilt, ist ein offenes Geheimnis. Wer in der Stadt auf Luitpold- und Ludwigstraße, Leutstettener und Otto-Gaßner-Straße, Alpspitzstraße, Waldspielplatz oder Riedener Weg unterwegs ist, achtet besser genau auf den Fahrbahnbelag. Nicht viel besser sieht es in manchen Ortsteilen der Kreisstadt aus. Als wahre Schlaglochpisten etwa gelten der St.-Michael-Weg in Hanfeld oder die Wildmoosstraße in Wangen. Anderswo fehlen vielfach Bürgersteige, die Fahrbahnbeläge gleichen Flickenteppichen. Auch viel befahrene Ortsverbindungen in die Nachbargemeinden - Hanfelder, Andechser oder Possenhofener Straße - sind längst nicht mehr in Bestform.

Und am Bahnhofsplatz mitten in der Stadt wurden die jüngsten Frostaufbrüche erst kürzlich wieder einmal nur notdürftig geflickt. Am schlechtesten aber stehen wohl Klenzestraße, Bozener Straße, Fuchsgraben und Erlenweg da: Schadenskategorie acht, Schwellenwert überschritten, sehr schlechter Zustand. Maßnahmen überfällig.

Die Kategorien von eins bis acht hat die Firma "Eagle Eye Technologies" ersonnen. Im Mai 2020 waren Fahrzeuge des Berliner Unternehmens in Starnberg unterwegs und nahmen akribisch den Zustand aller Straßen unter die Lupe. Die Ergebnisse wurden in ein Kataster eingepflegt - das war's dann aber auch. Einen guten bis mittleren Zustand (Klassen eins bis fünf) wiesen vor vier Jahren immerhin 70 Prozent auf, 18,6 Prozent entsprachen der Kategorie sechs. Gut ein Zehntel der Starnberger Straßen aber befand sich in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand. Seither hat sich der Status quo weiter verschlechtert.

Insgesamt sind rund 120 Millionen Euro binnen der nächsten zehn Jahre fällig

Die Corona-Jahre in Kombination mit extrem angespannten Haushaltslagen vereitelten zuletzt bislang überfällige und teure Straßensanierungen. Insgesamt rund 120 Millionen Euro wären binnen zehn Jahren fällig, um das marode Straßennetz der Kreisstadt mit 167 Kilometern Gesamtlänge auf Vordermann zu bringen - so die Schätzung der Eagle Eye-Spezialisten. Allein rund 4,8 Millionen Euro wären jährlich allein zum Erhalt des Ist-Zustands fällig. Nun rächt sich die jahrzehntelange Flickschusterei, die langfristig weitaus höhere Kosten produziert.

Die von Eagle Eye prognostizierten Summen dürften sich mittlerweile erhöht haben. Gleichzeitig aber hat sich der finanzielle Spielraum der Stadt drastisch verengt. Im Bauausschuss sowie im Stadtrat wurde die Angelegenheit unlängst wieder einmal ausgiebig diskutiert. Im Grundsatz ist man sich einig: Nichtstun ist auch keine Lösung. Und so fiel die Wahl nach einigem Hin und Her auf die Josef-Fischhaber-Straße: Kategorie sieben, Warnwert überschritten, schlechter Zustand, Maßnahmen dringend planen. Diesen Status haben allerdings mindestens 20 weitere Straßen in Starnberg.

Straßen mit unzureichenden Fuß- und Radwegen: Die Josef-Fischhaber-Straße in Starnberg soll saniert werden - wenn das Geld dafür da ist. (Foto: Arlet Ulfers)

Entscheidende Kriterien in der Debatte zum Ausschlussverfahren waren daher die jeweilige städtebauliche Bedeutung, ÖPNV-Nutzung oder eine Nutzung als Schulweg und andere öffentliche Einrichtungen. Zudem spielen noch weitere Akteure eine Rolle: In der Alpspitzstraße etwa müsste auch der Abwasserverband mitwirken. Doch der hat derzeit kaum freie Kapazitäten. Die Straße "Waldspielplatz" hätte ebenfalls eine Sanierung nötig. Doch hier sollen perspektivisch schon bald wieder tonnenschwere Lkw rollen, sobald der Geschosswohnungsbau am Wiesengrund startet: Die Straße wäre wohl schnell wieder kaputt. Und am Bahnhofsplatz in der Kernstadt sind ohnehin große bauliche Dinge - Bayerischer Hof, Museumsquartier und Seeanbindung - geplant.

Die Herabstufung von Kreis- zu Ortsstraßen hat ihren Preis

Fatal wirkt sich auch die von der Stadt unter Amtsführung der damaligen Bürgermeisterin Eva John (jetzt: Pfister) im Jahr 2019 forcierte Herabstufung ehemaliger Staatsstraßen zu Ortsstraßen aus. Denn für Hanfelder Straße und Söckinger/Andechser Straße steht noch immer eine Übernahmeregelung mit dem Staatlichen Bauamt Weilheim über Kostenübernahme oder eine Sanierung der ehemaligen Staatsstraßen 2069 und 2070 aus. Zumal sich die Hoffnung, durch Tempo 30, Fahrbahnverengungen, Zebra- und Radfahrstreifen sowie Verkehrsinseln den Verkehr zu verbrämen, ebenfalls nicht erfüllte. Nach wie vor rollen Lkw, für die ein Durchfahrtsverbot verhängt wurde, den Hanfelder Berg hinauf und hinunter. Die Verkehrsbelastung hat - wenn überhaupt - nur unmerklich abgenommen. Dafür aber hat die Stadt nun die Unterhaltspflicht vom Freistaat übernommen.

Reine Anliegerstraßen waren in der Debatte der Stadträte ohnehin schnell aus dem Rennen, zumal so mancher Anwohner gar nicht traurig zu sein scheint über den bedauernswerten Zustand der Straßen: Angeblich fahren Autos langsamer, wenn die Straße kaputt ist, argumentierten einige Vertreter der CSU. Deren Ortsvorsitzende Charlotte Meyer-Bülow plädierte gar dafür, das Thema für den Haushalt 2024 komplett zu ignorieren. Doch "gar nichts zu machen, weil man nicht weiß, wo man anfangen soll, ist auch keine gute Idee", meinte Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS).

Ob die Josef-Fischhaber-Straße frühestens im Jahr 2025 nun tatsächlich saniert wird - die Ausschreibung für die Arbeiten soll erst im Herbst erfolgen - und ob der hierfür veranschlagte Etat reichen wird, ist offen. Die Angelegenheit steht unter Vorbehalt der noch immer nicht abgeschlossenen Haushaltsberatungen für 2024. Immerhin: Es wäre seit Jahren die erste Straße in Starnberg, die nicht notdürftig geflickt, sondern rundum erneuert werden würde.

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