Einzelhandel in Starnberg:Der traut sich was

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Roberto Mestanza ist der Mann fürs TV: Im Angebot sind ausschließlich Fernsehgeräte "Made in Germany". (Foto: Peter Haacke)

Online-Handel und Einkaufszentren verdrängen zunehmend den Einzelhandel, der Preis macht das Geschäft. Roberto Mestanza hält dagegen und eröffnet in der Hauptstraße einen Laden für betuchte Audiophile - ein unternehmerisches Experiment gegen Ladenleerstand.

Von Peter Haacke, Starnberg

Der klassische Einzelhandel ist das Sorgenkind vieler Städte und Gemeinden in Deutschland - auch in Starnberg. Traditionsreiche Geschäfte verschwinden, vielerorts prägt Leerstand das lokale Geschehen. Zunehmend dominieren Online-Handel und Einkaufszentren, der Preis macht das Geschäft. Das hat teilweise dramatische Folgen: Die Innenstädte veröden und den Kommunen fehlen wichtige Einnahmen zur Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben. Umso ungewöhnlicher, wenn mal ein Geschäftsmann ganz gegen den Trend nicht raus, sondern rein will.

Der Tutzinger Roberto Mestanza hat in der Starnberger Hauptstraße sein neues Geschäft eröffnet. Im Angebot: Hochwertige Fernseher und Audioanlagen, High-End für Augen und Ohren. Der Informationstechnikmeister füllt damit eine Marktlücke für Besser-Hörer und -Seher, die seit drei Jahren mit der Geschäftsaufgabe der Kiffer GmbH unbesetzt war in Starnberg.

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In keiner Kommune Deutschlands ist die Kaufkraft pro Kopf so hoch wie in Starnberg: Unlängst erst hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für den Landkreis mit gut 32 800 Euro das höchste verfügbare Jahreseinkommen errechnet. Das sind 34,7 Prozent mehr als der Bundesdurchschnitt. Da macht es auch nur wenig aus, dass die Lebenshaltungskosten mit 14,1 Prozent weit über dem Durchschnitt der Republik liegen. Und reich bleibt reich: Starnberg, der Hochtaunuskreis, Baden-Baden sowie die Landkreise Miesbach und München sind schon seit Jahren die nationalen Spitzenreiter beim preisbereinigten Einkommen. Das wirkt sich auch auf den Konsum aus: Wer es sich leisten kann, kauft hochpreisig.

Das gilt ebenso für den hart umkämpften Markt der Unterhaltungselektronik. Wer auf Exklusivität setzt, leistet sich jedenfalls keinen Fernseher aus Japan, Südkorea oder China, den es in jedem Elektromarkt gibt, sondern achtet auf das Label "Made in Germany" mit klangvollen Namen traditioneller Hersteller wie "Loewe" oder "Metz". Mit dem Verkauf allein ist es aber nicht getan - das weiß auch Mestanza. Sein Geschäftsmodell basiert daher vor allem auf Beratung und Komplettservice. Motto: "Ihre Wünsche umsetzen ist mehr, als nur ein Gerät an die Wand zu schrauben."

Blick in die Auslage: Roberto Mestanza und Wolfgang Wimmer legen Wert auf hochwertiges Equipment namhafter Hersteller beim Hören und Sehen. Geöffnet ist das Geschäft nur freitags und samstags. (Foto: Peter Haacke)

Dass die neue Präsenz der Mestanza GmbH in der Hauptstraße vorerst nur wenige Quadratmeter im Erdgeschoss bietet, hat vor allem mit den Mietpreisen für Gewerbeobjekte, Personalmangel und -kosten in der Kreisstadt zu tun. Der Standort des neuen Geschäfts im ehemaligen StaKa, dem "Starnberger Kaufhaus" zwischen Spielwarenladen und Radhaus, befindet sich zwar nicht unbedingt in Top-Lage, bietet stressgeplagten Autofahrern im täglichen Stau aber immerhin kurzweilige Ausblicke auf audiophile Spitzentechnik. Das Obergeschoss des Ladens, erreichbar über eine Treppe, bleibt vorerst leer - ein Entgegenkommen des Vermieters. Das Geschäft öffnet nur freitags und samstags.

Dass die Zeiten für den stationären Einzelhandel derzeit nicht gerade rosig sind, weiß auch Christoph Winkelkötter, Chef der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg (GWT). Er bezeichnet die Perspektive angesichts allgegenwärtigen Leerstands von Ladengeschäften als "herausfordernd". Seiner Ansicht nach sind die Mietpreise für Gewerbeobjekte in Starnberg "ambitioniert", andererseits bemüht er eine alte Wirtschaftsthese: "Der Markt schafft die Nachfrage." Und die Marktlage ist instabil: Schon vor Corona hatte es der Einzelhandel schwer, seither hat sich das Ladensterben beschleunigt. Zwar suchen laut Winkelkötter insbesondere Franchise-Nehmer - also selbständige Geschäftspartner größerer Unternehmen - große Verkaufsflächen, doch die sind eher rar in Starnberg.

Seit Monaten Leerstand trotz Top-Lage: Dem Bistro "Comodo" am Starnberger Bahnhof See war nur ein kurzes Glück vergönnt. (Foto: Arlet Ulfers)
Poppige Aufmachung ohne Inhalt: In der Hanfelder Straße steht der ehemalige Zinnladen leer, ein Schild über der Tür lockt mit der Aufschrift "Schwiegereltern Hort". (Foto: Arlet Ulfers)
Ungewisse Zukunft: Im Eckhaus an der Josef-Jägerhuber-Straße, einem der ältesten Gebäude in Starnberg, wurden früher Textilien verkauft. Das Erdgeschoss ist seit Jahren ungenutzt. (Foto: Arlet Ulfers)

Und die Aufwendungen für Mieten im hochpreisigen Starnberg allein über den Umsatz ausschließlich stationär im Laden zu generieren, fällt insbesondere kleineren Unternehmungen mit klassischem Verkaufsmodell zunehmend schwer. Zwar hat sich das Kostenniveau in Starnberg aufgrund der allgemein schwächelnden Konjunktur durchschnittlich auf aktuell 14 bis 18 Euro Miete pro Quadratmeter eingependelt, verrät eine Maklerin von Claudia Bader Immobilien - bei einem faktisch bestehenden Überangebot. Doch auch diese Preise müssen erst erwirtschaftet werden. Ansonsten gilt in der Branche: Ladengeschäfte sind Ladenhüter.

Das weiß man auch bei der " City Initiative Starnberg", ein Zusammenschluss von Einzelhändlern und Nachfolgeorganisation der Interessengemeinschaft "Freundliche Einkaufsstadt Starnberg", die das Einkaufen vor Ort mit allerlei Aktionen - etwa die zeitliche Ausdehnung des Christkindlmarktes - attraktiver machen möchte. Zusammenarbeit und Aktion lautet das Gebot der Stunde. Den Exodus alteingesessener, aber auch junger Geschäfte hat bislang dennoch keine Aktion verhindern können. Beispiele aus vergangenen Jahren gibt es genug: Schuhhaus Linse, Haushaltswaren Himmel, Elektro-Expert, Bastel-Boutique, Schrauben-Thalmeier, Foto Wörsching, der Käse-Laden am Bahnhof, das Hundefachgeschäft in der Maximilianstraße, ständig wechselnde Pächter in den Baracken am Bahnhof oder auch viele Gastronomen haben aufgegeben in wirtschaftlich unsteten Zeiten. Oft genug ziehen Arzt- und Beautypraxen, Handyshops, Makler oder Rechtsanwälte in die Freiräume ein, die der Einzelhandel hinterlässt.

Roberto Mestanza (re.) und Wolfgang Wimmer haben in Starnberg ein Fachgeschäft für qualitativ hochwertige TV- und Audioanlagen eröffnet. (Foto: Peter Haacke)
Dem alten Sound neue Töne entlocken: Ob es nun die Toten Hosen, AC/DC, Nirvana oder die Beatles sind - auf einer hochwertigen Anlage klingen Klassiker einfach besser, weiß Wolfgang Wimmer. (Foto: Peter Haacke)

Umso mutiger erscheint der Neustart von Mestanza, 53, der seit 1995 selbständig ist. Gemeinsam mit Geschäftspartner Wolfgang Wimmer, 52, im Hauptberuf Heizungs- und Sanitär-Fachmann, setzt er auf den Verkauf qualitativ hochwertiger Produkte aus den Bereichen TV, HiFi, Satellitentechnik und Internet. Einer der Flyer für einen Fernseher wirbt mit einem "All-in-One-System" und verheißt "magische Fernseherlebnisse", im Soundraum "gibt es exklusiv was auf die Ohren", sagt Wimmer, der für die Audio-Abteilung zuständig ist. Die Kundschaft zählt überwiegend zur Generation "Wir gönnen uns noch mal was", die für eine neue Anlage mit Röhrenverstärker, fetten Lautsprechern, Plattenspieler oder CD-Player vom Feinsten auch schon mal locker fünfstellige Summen zahlt, um alte Klänge neu zu hören.

Angst vor der anhaltenden Konjunktur-Flaute haben die beiden nicht. Mestanza, in Starnberg aufgewachsen und seit 2008 Meister seines Fachs, bringt einen zufriedenen, betuchten Kundenstamm mit. "Wir sind sehr unternehmerfixiert", sagt er, vor allem persönlicher Kontakt sei wichtig: "Hier verkauft der Chef!" Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit Elektro-Saegmüller, einem Starnberger Traditionsunternehmen. Vor wenigen Monaten erst hat Mestanza den Vorsitz der "Aktionsgemeinschaft Tutzinger Gewerbetreibender" abgegeben, seinen seit mehr als 20 Jahren bestehenden Standort in Tutzing will der begeisterte Radsportler vorerst behalten. Mittelfristig möchte er jedoch seinen Betrieb in Starnberg etablieren. Ein weiterer Geschäftspartner, der ins Portfolio passt, wäre ebenfalls wünschenswert.

Und dann war da noch die Eröffnung des neuen Ladens am Wochenende mit Freunden, Bekannten, Kunden und Geschäftspartnern, unter der illustren Gästeschar auch Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik: Immerhin 29 Flaschen Wein und ein paar Fässer Weißbier wurden verköstigt, die Party ging bis in den frühen Morgen - und bescherte Mestanza und Wimmer ein paar unorthodoxe Geschäftsideen, die zwar noch nicht ganz ausgegoren, aber auch nicht völlig abwegig sind. Ob sich das Ladenmodell mit beschränkten Öffnungszeiten im Bereich "Art of Noise" behaupten wird, bleibt abzuwarten. Besser als Leerstand dürfte es allemal sein.

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