Landtagswahl 2023:"Dass so viele Menschen etwas von mir wollen, ist neu"

Lesezeit: 4 min

Neu im Maximilianeum: Christiane Feichtmeier aus Tutzing ist eine von 17 SPD-Abgeordneten im Bayerischen Landtag. (Foto: Georgine Treybal)

Die Tutzingerin Christiane Feichtmeier zieht für die SPD in den Bayerischen Landtag ein. Wie ist es ihr in den ersten Wochen ergangen? Ein Gespräch über den Einstieg in die Landespolitik und die neuen Machtverhältnisse im Maximilianeum.

Interview von Linus Freymark, München/Starnberg

Es gibt ein großes Hallo, als Christiane Feichtmeier die Kantine im Bayerischen Landtag betritt. Die Mitarbeiter dort kennen alle Abgeordneten, und offenbar merken sie sich neue Gesichter schnell. Denn Feichtmeier, 50, weiß selbst erst seit vier Wochen, dass sie für die kommenden fünf Jahre für die SPD im Maximilianeum sitzen wird. Die Polizistin aus Tutzing ist über die Liste eingezogen. Wie bewerkstelligt man den Anfang im Landtag am besten? Feichtmeier bestellt erstmal einen Cappuccino. Dann beginnt sie zu erzählen.

SZ: Frau Feichtmeier, heute Vormittag stand die Wahl des Bayerischen Ministerpräsidenten an. Haben Sie den Weg zum Sitzungssaal auf Anhieb gefunden?

Christiane Feichtmeier: Ja, es ist alles glatt gegangen. Meine Fraktion hat im Juni schon mal alle Kandidaten zu einem Rundgang eingeladen, inklusive Probesitzen im Plenarsaal. Das war sehr interessant, aber wie es dann in Wirklichkeit ist, mit dem ganzen Presserummel vor Ort an den beiden ersten Tagen konnte ich mir danach noch nicht wirklich vorstellen.

Wie war es denn für Sie als SPD-Abgeordnete, erstmals dabei zu sein, als Markus Söder von der CSU in seinem Amt als Ministerpräsident bestätigt wurde?

Es war schon etwas Besonderes. Zunächst hat der CSU-Fraktionsvorsitzende Herrn Söder der Form halber als Kandidaten vorgeschlagen und natürlich erstmal ein kleines Loblied auf ihn gesungen. Danach durfte jede Fraktion dazu sprechen. Die Redezeit wird extrem knapp und genau bemessen. Wir hatten exakt sieben Minuten Zeit, in denen wir noch einmal unsere Vorstellungen für die Politik der nächsten fünf Jahre vorgebracht haben. Anschließend ist Herr Söder dann direkt vereidigt worden.

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Am Wahlabend im Oktober waren Sie zunächst ziemlich geknickt angesichts des schlechten Ergebnisses Ihrer Partei, auch für Ihren Einzug sah es zunächst nicht gut aus. Wie hat sich Ihr Leben in den vergangenen drei Wochen verändert?

Zunächst musste ich meinen Job im Innenministerium abwickeln. Das musste alles sehr schnell gehen: Innerhalb weniger Tage habe ich mein Büro ausgeräumt und musste meine Aufgaben an Kollegen übergeben. Das war schon ein bisschen komisch, von heute auf morgen aufzuhören, wobei ich mich gleichzeitig natürlich sehr gefreut habe, dass es mit dem Einzug geklappt hat. Danach habe ich mir einen Mitarbeiter gesucht. Und ein Büro musste her. In München habe ich keins, dafür werden wir uns in Starnberg vergrößern. Und dann kamen kurz nach der Wahl auch schon die Schreiben diverser Lobbyverbände.

Was genau wollen die denn von Ihnen?

Alles Mögliche. Der Beamtenbund hat mir geschrieben, der Waldbesitzerverband, der Bauernverband - das geht durch alle Politikfelder. Da muss ich mir erstmal einen Überblick über die Anliegen verschaffen und dann entscheiden, wo ich unterstützen kann. Was ich interessant finde: Speziell aus Starnberg kamen bislang noch keine Briefe. Aber dass so viele Menschen etwas von mir wollen, ist neu. Im Kreistag hat man zwar auch immer mal wieder mit Leuten gesprochen, die politische Forderungen hatten. Aber in dieser Ballung ist es jetzt schon etwas Anderes.

Ein weiterer Unterschied zum Kreistag: Sie müssen plötzlich über viel mehr Themen Bescheid wissen und schnell reagieren.

Bei der Polizei heißt es so schön: Man muss in der Lage leben. Als Abgeordnete muss ich wissen, welche Themen gerade aktuell sind, nicht nur bei uns in Starnberg und dem Großraum München, sondern im gesamten Freistaat. Zum Glück halten mich da unsere Mitarbeiter regelmäßig auf dem Laufenden. Aber man muss sich in vielen Themen auskennen und seine Ideen und Vorstellungen einbringen.

Sie sitzen plötzlich mit lauter Politikern im Plenum, die man aus den Medien kennt. Da ist es sicher nicht leicht, sich zu behaupten.

Es ist schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Gerade, wenn man die wirklich Bekannten trifft, ist das immer noch faszinierend für mich. Hubert Aiwanger ist zum Beispiel schon ein paarmal an mir vorbeigelaufen, auch Joachim Herrmann habe ich schon gesehen. Man grüßt sich dann kurz, mehr aber auch nicht. Ich finde, man muss trotz der politischen Differenzen einen respektvollen Umgang miteinander pflegen. Da gehört ein "Grüß Gott" dazu. Das klappt auch mit allen Parteien im Landtag ganz gut - mit Ausnahme der AfD.

Wie verhalten sich deren Abgeordneten denn?

Die glucken meistens zusammen. Vor der Sitzung vorhin standen sie zum Beispiel alle vor der Tür beim Rauchen, damit man auf jeden Fall an ihnen vorbeigehen muss. Sie machen zwar niemanden blöd an, aber provokant ist es trotzdem, wenn sie da als Gruppe zusammenstehen und man an ihnen vorbei muss. Sie sind ja leider die stärkste Oppositionspartei. Deshalb dürfen sie im Landtag auch als erstes sprechen, direkt nach den Regierungsparteien. Auch in den Ausschüssen sind sie mit zwei oder drei Abgeordneten vertreten. Das hat ihnen ein zusätzliches Selbstvertrauen gegeben.

Ihre SPD hingegen ist die schwächste Oppositionspartei. Fühlen Sie sich da manchmal auf verlorenem Posten?

Das Wichtigste ist, dass wir uns als Fraktion gut zusammenfinden und geschlossen auftreten. Das ist in der Vergangenheit ja leider des Öfteren nicht immer passiert, jetzt können wir uns das nicht mehr leisten. Ich bin aber sehr gut und freundlich aufgenommen worden. Das macht mich zuversichtlich, dass wir das hinkriegen. Denn nur dann können wir etwas bewegen.

"Ich würde gerne in den Innenausschuss"

Im Wahlkampf haben Sie ein umfangreiches politisches Programm versprochen: faire Mieten, gute Pflege, mehr Umweltschutz. Ihr Spielraum ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse aber begrenzt.

Das stimmt. Allerdings sind viele SPD-Themen gerade so aktuell, dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen. Zum Beispiel bezahlbarer Wohnraum: Damit hängt vieles zusammen, etwa der Fachkräftemangel oder der Umweltschutz. Auch das Thema Migration müssen wir anpacken, da haben wir uns zuletzt zu sehr zurückgenommen. Wir müssen die klare Position vertreten: Wer hier nicht bleiben kann, muss zurück. Dabei müssen wir Lösungen finden, wie und wohin wir die Leute schicken. Wenn jemand in seinem Heimatland gefoltert oder getötet wird, geht das natürlich nicht. Dafür müssen wir mehr mit den Herkunftsländern sprechen und Rückführungsabkommen entwickeln. Zudem müssen wir die Menschen mit Aussicht auf Bleiberecht schneller in den Arbeitsmarkt integrieren.

Wichtige Gremien auf dem Weg zur Entscheidungsfindung sind die Ausschüsse, in denen viele Themen vorberaten werden. In welchem streben Sie einen Platz an?

Ich würde gerne in den Innenausschuss oder in den für den Öffentlichen Dienst. Als Polizistin und Beamtin bin ich da glaube ich eine gute Besetzung. Da die Gremien themenbezogen arbeiten, wird es wahrscheinlich ein bisschen schwierig, alle meine Ideen einzubringen. Aber in den beiden Ausschüssen, in die ich gerne reinkommen würde, werden ja durchaus verschiedene Politikfelder behandelt. Es gibt darin also durchaus die Möglichkeit, meine Themen einzubringen.

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