Sie sind zweifelsohne Chronisten der Kreisstadt Starnberg: die Fotografen-Familie Wörsching. Wie keine andere hat sie das Stadtgeschehen über Jahrzehnte begleitet und dokumentiert. Kein Wunder also, dass der Leiter des Museums Starnberger See, Benjamin Tillig, im Zusammenhang mit der Familie Wörsching von "fotografischem Gedächtnis" der Stadt spricht. Tillig und seine Mitarbeiter haben jetzt eine Ausstellung mit 107 Aufnahmen aus dem städtischen Bestand der Fotografenfamilie kuratiert, die derzeit im Museum Starnberger See gezeigt werden.
Stadtarchivar Christoph Aschermann ist 2018 mit seinem Arbeitsantritt im städtischen Archiv erstmals mit den Aufnahmen der Wörschings in Berührung gekommen. Diese waren in neun blauen Ordnern untergebracht. Seither ist viel Zeit vergangen - Zeit, in der er sich eingehend mit den Bildern befasst hat.
Was die Qualität der fotografischen Werke angeht, ist Aschermanns Urteil eindeutig: Für ihn ist die Familie Wörsching eine Künstlerfamilie. "Sie hat stets durch ein künstlerische Linse fotografiert." Das erkenne man an den "einmaligen Perspektiven, die sich sofort als Postkarte abdrucken lassen". Generell sei das "Archiv der Wörschings unglaublich wichtig für die Stadt", findet er.
Die Verhandlungen waren nicht einfach, über den Kaufpreis der rund 4000 Aufnahmen wurde Stillschweigen vereinbart
Im Jahr 2010 hatte es die Stadt erworben. Die damalige Kulturamtsleiterin Annette Kienzle führte seinerzeit die "nicht ganz einfachen Verhandlungsgespräche" mit dem heute 90-jährigen Richard Wörsching. Über den Kaufpreis der rund 4000 erhaltenen Aufnahmen ist Stillschweigen vereinbart. Mit dem Erwerb des großen Bildbestands "hat die Stadt Starnberg auch alle Verwertungsrechte für Wörschings Fotos gekauft", sagt Kienzle. Das bedeutet im Klartext, dass die Stadt auch bei künftig auftauchenden Wörsching-Fotografien um ihr Plazet gefragt werden muss.
Heute werden laut Aschermann alle Wörsching-Aufnahmen in ph-neutralen Fototaschen mit säurefreiem Fotoarchivpapier aufbewahrt und im Magazin des Stadtarchivs bei konstanter Temperatur gelagert. Alle Bilder seien mittlerweile - soweit irgend möglich - zugeordnet und beschrieben. Sämtliche Aufnahmen sind zudem digitalisiert. Im Lesesaal das Stadtarchivs kann jeder Bürger die Aufnahmen einsehen.
Unter den fast 4000 Einzelmotiven auf 492 Glasplatten und 559 Negativen sowie zahllosen Schwarz-Weiß-Aufnahmen befinden sich zahlreiche Dokumente von städtischen Ereignissen, Landschaften, Wegen, Gebäuden und Entwicklungen in der Stadt. Die Fotos zeigen Augenblicke aus dem Leben früherer Generationen sowie eine Vielzahl Porträts von Starnberger Bürgern. Wer in der Kreisstadt etwas auf sich hielt, der ließ sich von den Wörschings ablichten. Zahlreiche Immobilienbesitzer präsentierten sich stolz vor ihren Villen. Und auch die Wittelsbacher hatte die Starnberger Fotografenfamilie vor ihrer Linse - die königlichen Hoheiten von Leutstetten ebenso wie König Ludwig III. Das trug ihnen in der Starnberger Bevölkerung den Ruf der Hoffotografen ein, auch wenn sie diesen Titel nicht offiziell inne hatten.
Das Foto von Ludwig III. vor dem Lochmannhaus, dem historischen Teil des heutigen Museums Starnberger See, zeigt Museumsleiter Benjamin Tillig unter anderem im Original in seiner Ausstellung. Es zählt zu den 107 Aufnahmen , die er und seine Mitarbeiter Daniel Kofler und Fabian Müller aus dem Bestand ausgewählt haben. Generell sei es ihnen darum gegangen, Menschen zu zeigen, Leute in ihrem Umfeld, in ihrer Zeit zu sehen. "Der städtische Bestand an Wörsching-Aufnahmen ist noch nie in seiner Tiefe gezeigt worden", sagt er.
Und weil sich die Personen auf den historischen Aufnahmen nicht immer zuordnen lassen, ist Tillig auf die Idee gekommen, die Ausstellungsbesucher um Mithilfe zu bitten. Via Post-Its können sie an der rosafarbenen Wand neben dem jeweiligen Foto vermerken, wer darauf zu sehen ist. Dank dieses Kunstkniffs weiß man jetzt zum Beispiel, dass eine Person zweimal in der Ausstellung zu sehen ist - einmal als kleiner Bub und einmal bei seiner eigenen Hochzeit.