Prozess:Die Kiste mit Molotowcocktails stand schon bereit

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Die Verhandlung wurde vor dem Landgericht München I geführt. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Erst schreibt er einen Drohbrief an den Starnberger Landrat, dann wirft er einen Brandsatz auf Polizisten: Nach vier Verhandlungstagen bestätigt das Landgericht in München einen Unterbringungsbeschluss gegen einen 38-jährigen Mann aus Percha.

Von Michael Berzl, Starnberg

Ein Feuerball, schwere Brandverletzungen, ein Angreifer sowie Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, die zum Teil lebensgefährliche Verletzungen erleiden: Diese Vorfälle in Ratingen bei Düsseldorf liegen erst ein paar Tage zurück. Es ist ein Szenario, wie so ein Einsatz im schlimmsten Fall enden kann. Am Montag hat der Vertreter der Staatsanwaltschaft im Unterbringungsverfahren gegen einen psychisch kranken Mann aus Percha daran erinnert. Man könne die beiden Ereignisse nicht direkt miteinander vergleichen, sagte Matthias Enzler in seinem Plädoyer. Aber es gebe Ähnlichkeiten: "Das macht schon nachdenklich, wie leicht das bei uns anders ausgehen hätte können."

Ein Jahr zuvor hatte der Beschuldigte mit Molotowcocktails hantiert und Polizisten attackiert, nachdem sie gewaltsam seine Wohnungstüre geöffnet hatten. Ein Brandsatz explodierte im Treppenhaus. Die Hitzewelle bekamen die Beamten noch zu spüren, doch sonst ging dieser Einsatz glimpflich zu Ende. Niemand erlitt ernsthafte Verletzungen. Kurz nach der Attacke konnte der Angreifer überwältigt werden, seither ist er in der Psychiatrischen Klinik in Haar untergebracht. Dort muss er vorerst auch bleiben, so lautet das Urteil des Münchner Landgerichts nach vier Verhandlungstagen in einem Sicherungsverfahren.

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Der 38-Jährige leidet unter einer paranoiden Psychose und steht der Gedankenwelt der Corona-Leugner nahe, wie seinen eigenen Einlassungen zu entnehmen war. Die Verhandlung verfolgte er ruhig und konzentriert, blätterte viel in mitgebrachten Heften und machte sich manchmal Notizen. Was passiert war, gab er in der Verhandlung überwiegend selbst zu. Aus Ärger über das Vorgehen des Starnberger Landratsamtes gegen die "Montagsspaziergänge" genannten Kundgebungen zu Corona-Zeiten schickte er im Januar vergangenen Jahres per E-Mail einen Drohbrief an Landrat Stefan Frey. Der bat die Polizei um eine Gefahreneinschätzung und erstattete Strafanzeige.

Als die Polizei den Mann in Percha vor fast genau einem Jahr dann zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung abholen wollte, drehte dieser durch. Eine Kiste mit Kampfmesser, Armbrust und Pfeilen sowie einem halben Dutzend Molotowcocktails stand schon bereit, als die Beamten mit einer Ramme die Wohnungstür aufbrachen. Als der Mann, der sich hinter einem Sofa verschanzt hatte, einen der Brandsätze anzündete, ergriffen die Polizisten die Flucht. Hinter ihnen zerbarst in einem engen Treppenhaus die Bierflasche mit Benzin, Flammen loderten hoch.

Stefan Frey kann zwar poltern, vertritt beim Asylthema aber "ein Stück weit eine andere Position als meine Partei", wie der CSU-Politiker selber sagt. (Foto: Georgine Treybal)

Bis auf leichte Blessuren blieben aber die Beamten der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck und der Inspektion in Starnberg unverletzt. Auf eigentümliche Weise beruhigte sich die Lage bald darauf wieder. Einen weiteren Brandsatz nahm der 38-Jährige wohl in die Hand, stellte ihn aber auf einen Tisch in seiner kleinen Dachwohnung zurück. Statt zu werfen, löschte er selbst die Flammen im Treppenhaus, holte sich einen Tetrapak Eistee und ging hinunter, wo er von den Polizeibeamten überwältigt wurde.

Nach vier Verhandlungstagen am Landgericht hat das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Thomas Bott seine Entscheidung getroffen, wie mit dem Mann umzugehen ist. Der vor einem Jahr verhängte Unterbringungsbeschluss besteht demnach weiter. Es sei von einer "Gefahr für die Allgemeinheit" auszugehen. Der Mann weigere sich auch weiterhin, Medikamente zu nehmen, die für eine Behandlung seiner Psychose Voraussetzung seien.

Das Unterbrinungsverfahren in so einem Fall wird ganz ähnlich geführt wie ein Strafverfahren, mit ein paar Besonderheiten. Einen Angeklagten gibt es hier nicht, stattdessen einen Beschuldigten. Die Kammer entscheidet auch nicht über Haft oder ein Strafmaß, sondern über die vorläufige Fortdauer des Unterbringungsbeschlusses.

Seit einem Jahr ist der 38-Jährige im Isar-Amper-Klinikum untergebracht

Über den Ausgang dieses Verfahrens konnte es von Beginn an kaum Zweifel geben. Staatsanwalt Enzler und Pflichtverteidigerin Ruth Beer haben Details des Tatablaufs zwar unterschiedlich gesehen, aber in ihren Plädoyers einhellig gefordert, dass der 38-Jährige weiterhin in einem psychiatrischen Krankenhaus bleiben muss. Seit einem Jahr ist er im Isar-Amper-Klinikum untergebracht. Medikamente gegen seine Angststörung nimmt er, eine Behandlung seiner Psychose lehnt er ab. Der 38-Jährige hatte zum Auftakt des Verfahrens zwei Wochen zuvor erklärt, es handle sich um Erpressung, wenn er Tabletten nehmen müsse, um Aussicht auf eine Entlassung zu haben. Für Richter Bott ein weiterer Hinweis, dass es "im Wesentlichen noch keine Krankheitseinsicht" gebe.

In seinem Schlusswort hatte der Beschuldigte die Corona-Maßnahmen "Massenmord" genannt und den Polizeieinsatz in Percha als "Erstürmung meiner Wohnung" bezeichnet. Er schloss mit den Worten: "Ich möchte jetzt nach Hause gehen zu meiner Freundin." Nach dem Urteil brachten ihn jedoch Justiz-Wachleute zurück nach Haar.

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