Gesundheit:Die Herzensschwester

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Die Herzinsuffizienzschwester Heike Kästner berät ihre Patienten und Patientinnen zum Umgang mit der Krankheit Herzinsuffizienz. (Foto: Georgine Treybal)

Atemnot, Leistungsschwäche und Wasser in den Beinen - das sind die Symptome einer Schwäche an der Blutpumpe. Heike Kästner hilft Patienten im Klinikum Starnberg mit der Diagnose. Über eine Frau, deren Anrufe Leben retten.

Von Celine Urban, Starnberg

Die gläserne Terrassentür steht einen Spaltbreit offen, frische Luft und Vogelzwitschern dringen ins Innere des Krankenhauszimmers. Durch die bodenlangen Vorhänge gelangt das Tageslicht diffus in den Raum. Am Rand des Krankenhausbetts steht eine mittelgroße Frau mit kurzen, braunen Haaren. Heike Kästner trägt einen weißen Kasack mit türkisfarbenem Streifen auf der linken Brusthälfte. Vor der Herzinsuffizienzschwester steht ein Tablett mit dem Mittagessen des Tages: Kartoffeln, Blumenkohl, ein Stück Fleisch mit dunkler Soße.

Neben ihr im Krankenhausbett liegt eine Frau mit langen grauen Haaren. Sie hält sich am Triangel-Haltegriff über ihr fest und bittet um ein Stück Kartoffel ohne Soße. "Haben Sie ein Blutdruckmessgerät zu Hause?", fragt Kästner, während sie eine Kartoffel auf die Gabel in ihrer Hand pikst. Die Patientin nickt. "Sehr gut. Und messen Sie den auch?" Kästner spricht einfühlsam und erklärend, sie wirkt sehr geduldig, schon fast liebevoll. Das ist auch genau das, was die Ältere unter der weißen Bettdecke jetzt braucht. Am Tag zuvor hat sie eine lebensbedrohliche Diagnose bekommen: Herzinsuffizienz.

Die Pumpkraft ihres Herzens hat also so weit abgenommen, dass nicht mehr genügend Blut und damit Sauerstoff und Nährstoffe zu Organen wie Gehirn, Nieren oder Muskeln gepumpt werden. Diese Diagnose haben in Deutschland laut den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts 2022 rund 450 000 Menschen bekommen, in Bayern waren es mehr als 66 000 Menschen. Laut dem Statistischen Bundesamt war Herzinsuffizienz 2021 die am häufigsten gestellte Hauptdiagnose in Deutschland. Experten schätzen, dass in Deutschland drei bis vier Millionen Menschen mit Herzschwäche leben.

Im Klinikum Starnberg in der Kardiologie gibt es eine Frau, die sich speziell um diese Menschen kümmert: Heike Kästner. Sie ist Herzinsuffizienzschwester. Im März 2023 wurde die Kardiologie des Starnberger Klinikums von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) als Herzinsuffizienzspezialklinik zertifiziert. Seither darf sie sich "Heart Failure Unit" nennen und neben 225 anderen Kliniken, Praxen und Zentren in Deutschland einreihen. Bayernweit gibt es 37 dieser spezialisierten Einrichtungen, die von der DGK abgenommen sind.

"Die innere Medizin war es schon immer, das ist einfach meins", sagt Kästner.

Das Mittagessen ist beendet. Kästner schließt die breite Türe zum Krankenhauszimmer und geht den langen Gang runter. Schwestern und Pfleger wuseln von Zimmer zu Zimmer. Kästner biegt in ihr Büro ab. Der Raum hat hohe Decken und ein Fenster, vor dem ein efeubewachsener Baum steht. Kästner kommt aus der Nähe von Chemnitz, das hört man ihr noch ein wenig an, obwohl sie schon seit mehr als 20 Jahren in Bayern lebt. An den Wänden ihres Büros hängen verschiedene Zertifikate und Urkunden, die sie im Lauf ihres Lebens erworben hat.

Kästner ist schon seit jeher Krankenschwester. 1987 hat sie ihre Ausbildung abgeschlossen, beziehungsweise ihr Studium - in der DDR studierte man Krankenschwester. 1999 machte sie dann eine Ausbildung zur medizinischen Dokumentationsassistentin. Seit 2002 ist sie am Klinikum Starnberg, erst im Controlling, jetzt als Herzinsuffizienzschwester. "Die innere Medizin war es schon immer, das ist einfach meins", sagt Kästner. Deshalb sei sie für den Posten, der im September 2023 frei wurde, direkt Feuer und Flamme gewesen.

Herzinsuffizienz wird umgangssprachlich auch als "Herzschwäche" bezeichnet. Diese kann verschiedene Formen annehmen. Entweder ist der rechte Teil des Herzmuskels teilweise versteift, wodurch er sich nicht mehr vollständig mit Blut füllt und dadurch zu wenig Sauerstoff in die Lunge transportiert. Oder der linke Teil des Herzmuskels ist überdehnt, kann sich deshalb nicht mehr ausreichend zusammenziehen und nicht mehr ausreichend Blut in den Körper pumpen. In manchen Fällen sind sogar beide Herzhälften betroffen.

Eine Herzschwäche entsteht bei Vorerkrankungen. Diese können angeboren sein - oder auch erst entstehen. Ursachen für Herzinsuffizienz können Bluthochdruck, chronische Niereninsuffizienz oder Diabetes sein, sie kann aber auch durch genetische Ursachen bedingt sein. Betroffene leiden oft unter Symptomen wie Atemnot, Wassereinlagerungen in Beinen, eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder Appetitlosigkeit.

Kästner unterstützt und berät ihre Patienten hauptsächlich bei der Selbstkontrolle. "Ich schule den Patienten darin, was er kontrollieren sollte, damit er die Krankheit gut im Griff hat", erklärt Kästner. Dabei frage sie zunächst Lebensumstände ab und zeige dann mögliche Maßnahmen im Alltag auf. So sollten Betroffene zum Beispiel jeden Tag ihren Blutdruck messen und sich wiegen. Dabei geht es nicht darum, wie gut oder schlecht der Patient mit dem Essen umgehen kann - sondern darum, frühzeitig Wassereinlagerungen zu entdecken. Sie berät ihre Patienten außerdem bei Medikation, Ernährung und Bewegung. "Es geht darum, dass Patienten trotz der Erkrankung ihrem geregelten Alltag nachgehen können", bekräftigt Kästner.

Von ihrem Büro aus bleibt Heike Kästner auch mit bereits entlassenen Patienten in Kontakt. (Foto: Georgine Treybal)
Herzinsuffizienz kann beide oder nur eine Herzhälfte betreffen. (Foto: Georgine Treybal)

Auf Kästners Schreibtisch steht neben zahlreichen Broschüren und Unterlagen auch ein schwarzes Telefon. Dieses ist fester Bestandteil ihrer Arbeit. Da viele Patienten nur wenige Tage stationär im Krankenhaus seien und der Beratungsbedarf auch und vor allem nach dem Aufenthalt hoch sei, bietet Kästner eine telefonische Nachbetreuung an. "Wenn jemand jede Woche anruft und fragt: "Wie war der Blutdruck?", dann überlegt man sich zweimal, ob man ihn misst und aufschreibt", sagt Kästner. Die Motivation der Patienten müsse zwar von innen kommen, die Erfahrung habe allerdings gezeigt, dass ein Anruf von einer externen Person oft noch mal mehr motiviere, dranzubleiben. Von den Menschen, die 2022 in Bayern die Hauptdiagnose Herzinsuffizienz bekommen haben, waren 90 Prozent über 65. So ist auch ein Großteil von Kästners Patienten schon älter.

Laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg zahlt sich die Arbeit von Kästner und ihren 928 Kollegen in Deutschland aus. Von den betreuten Patienten sterben 38 Prozent weniger, außerdem werden sie seltener wieder ins Krankenhaus gebracht. Im Starnberger Klinikum wurden 2023 circa 500 Patienten mit Herzschwäche behandelt. Einer von Ihnen ist Richard Stiebler. Er war einer von Kästners ersten Patienten und ist seit Oktober 2023 in ihrer Obhut. Der 83-Jährige lebt gemeinsam mit seiner Frau, sie haben ein großes Grundstück, auf dem er früher gerne spazieren gegangen ist. Stiebler habe immer sportlich gelebt, erzählt er am Telefon.

Vor zwei Jahren habe er bemerkt, dass etwas nicht stimme: "Ich hatte plötzlich oft Atemnot und dicke Beine", erzählt der Rentner. Dann habe er die Diagnose Herzinsuffizienz bekommen. Seine Spaziergänge könne er deswegen fast nicht mehr machen. Dass Kästner sich regelmäßig bei ihm meldet, hilft ihm, mit der Krankheit umzugehen: "Die Frau Kästner ist gut, weil die mobilisiert mich immer", erzählt er im bayerischen Dialekt. Die ausgebildete Herzschwächeschwester erinnert ihre Patienten in Telefonaten dann zum Beispiel daran, ein Notizbuch über Symptome und Werte zu führen.

Auf Wunsch betreut Heike Kästner ihre Patienten und Patientinnen bis zu einem halben Jahr lang nach. (Foto: Georgine Treybal)

Wenn es den Patienten wieder so gut gehe, dass sie ihren Alltag zurückbekommen, das seien die Momente, die Kästner motivieren morgens aufzustehen und ihren Job zu machen. "Wie es mit den Patienten weitergeht, das bekommt man als Krankenschwester auf der Station nicht mit. Und da freue ich mich sehr darüber, dass ich das erleben darf."

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