Medizinische Versorgung:"Vier Kliniken wird es nicht mehr geben"

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Die Klinik in Starnberg verfügt über etwa 320 Betten und muss generalsaniert werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Landrat Stefan Frey prognostiziert im Zuge der Krankenhausreform nur mehr eine große Einrichtung für den Landkreis. Welche diese sein könnte, ist noch ungewiss.

Von Carolin Fries, Starnberg

Klinikreform - das klingt nach Erneuerung und Fortschritt. Doch seit der 2023 von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigten Neuregelung von Finanzierung und Strukturierung der stationären Gesundheitsfürsorge wird vor allem debattiert, wie sich so eine Reform praktisch umsetzen lässt.

Derweil schließt landauf, landab ein Krankenhaus nach dem anderen, weil die Einrichtungen aus den erwirtschafteten Erlösen nicht mehr den Betrieb aufrechterhalten können. Zuletzt traf es Anfang März die Klinik in Schongau. Auch die Starnberger Kliniken GmbH schreibt seit 2022 rote Zahlen. Sie müsste womöglich ähnliche Maßnahmen ergreifen - würde nicht der Landkreis als einziger Gesellschafter der Träger-GmbH hohe Millionenbeträge zuschießen.

Gründe für die finanzielle Schieflage gibt es mehrere. Da sind zum einen die steigenden Kosten durch Inflation und Tarifsteigerungen, zum anderen geringere Einnahmen durch etwa 20 Prozent weniger Patienten verglichen mit den Jahren vor der Corona-Pandemie. Bei zwölf Millionen Euro lag das Defizit laut Landrat Stefan Frey (CSU) im Jahr 2022. Für 2023 werde es wohl noch höher ausfallen. Für dieses Jahr hat der Kreistag im Haushalt deshalb 29 Millionen Euro für die Kliniken bereitgestellt. "Das ist eine gewaltige Summe", so Frey und sei für den Kreis, der entsprechende Kredite aufnehme, "eine hohe Belastung". 29 Millionen Euro - das ist mehr als ein Zehntel des Haushaltsvolumens.

Landrat Stefan Frey (rechts) mit Klinik-Geschäftsführer Thomas Weiler. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Über Zins und Tilgung sind über die Kreisumlage auch die 14 Landkreiskommunen an der Finanzierung beteiligt. "Die Patientenversorgung hat Priorität vor anderen Themen", begründet der Landrat die Verschuldung. "Wir wollen den Kliniken so lange wie möglich den Rücken freihalten." Anders gesagt: Auf lange Zeit ist das Bezuschussen keine Lösung. Die Reform muss bald greifen.

Ziel der bundesweiten Neuordnung ist es, die Kliniken zu zentralisieren und zu spezialisieren - auf Kosten der Breite. Aktuell gibt es im Landkreis drei öffentlich-rechtliche Kliniken: Starnberg mit 320 Betten sowie Seefeld und Herrsching mit jeweils 100 Betten. Zur GmbH gehört außerdem noch das Krankenhaus in Penzberg mit 100 Betten. "Vier Kliniken wird es nicht mehr geben, das ist klar", prognostiziert Frey. Das bayerische Gesundheitsministerium müsse die Kliniken im Zuge der Krankenhausplanung in Leistungsgruppen einordnen und ihnen darüber nach vom Bund festgelegten Kriterien bestimmte Kompetenzen zugestehen. Ziel der Kliniken und ihrer Träger ist es nun, die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen.

Als wenig attraktiv erscheint dem Kreis eine Klinik mit dem Status als Basisversorger (Level I). Laut Frey bieten solche Krankenhäuser "keine echte Akut- und Notfallversorgung", vielmehr handele es sich um "Tagesbettenhäuser unter pflegerischer Aufsicht". Der Landkreis hätte darum gerne eine Klinik als Schwerpunktversorger (Level II) anerkannt. Diese haben nach den Reformplänen mehr als 500 Betten, vereinen alle medizinischen Fachrichtungen unter einem Dach und halten eine Notaufnahme vor. Nur so wäre es möglich, im Landkreis weiterhin medizinische Leistungen in diversen Bereichen auf Top-Niveau unter einem Dach anzubieten.

Unklar ist bislang, welches Krankenhaus entsprechend erweitert und medizinisch ausgebaut werden kann. Die Klinik in Starnberg bietet sich einerseits an, weil bereits 320 Betten vorhanden und diverse Fachabteilungen vorhanden sind. Andererseits muss das Krankenhaus generalsaniert werden, wie Frey sagt. Eine Alternative wäre darum eine neue Klinik auf der grünen Wiese in Herrsching. Ein Neubau mit 200 Betten, in dem die Krankenhäuser aus Seefeld und Herrsching aufgehen, hatte der Landkreis ohnehin geplant - bis die Klinikreform dazwischenkam.

Mittlerweile ist klar: Ein Neubau müsste deutlich größer sein. Er habe bereits entsprechende Grundstücksgespräche geführt, sagt Frey. Gutachten sollen nun die baulichen Möglichkeiten an den Standorten erörtern sowie Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten. Letztlich, so Frey, sei es aber keine Entscheidung des Landkreises, sondern des Freistaates, welche fachlichen Leistungen künftig an welchen Standorten angeboten werden dürfen und was finanziert wird. Bis zu zehn Jahre würde die Umsetzung wohl dauern.

Die Klinik in Herrsching hat etwa 100 Betten. (Foto: Nila Thiel)
Beide Krankenhäuser sollten in einem Neubau mit etwa 200 Betten auf dieser grünen Wiese im Norden Herrschings aufgehen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Es gebe kein "Wünsch' dir was" mehr, fasst Frey die Reform zusammen. Er wäre froh, wenn es im Landkreis ein Krankenhaus als Schwerpunktversorger gäbe - angesichts der knapp 140 000 Einwohner hält er das auch für realistisch. Womöglich könne man noch eine Art Außenstelle für bestimmte Eingriffe etablieren - noch sei allerdings unklar, ob das zulässig ist oder sämtliche der geforderten Leistungen unter einem Dach angeboten werden müssen. Patienten müssen sich also darauf einstellen, womöglich längere Strecken ins Krankenhaus fahren zu müssen. Grundsätzlich habe der Landkreis mit verhältnismäßig wenig Fläche aber gute Voraussetzungen, so Frey. Länger als eine gute halbe Stunde ist man eigentlich nie unterwegs. In anderen ländlichen Regionen gestalte sich die medizinische Versorgung in der Fläche durchaus schwieriger.

Während die Standortfrage ungeklärt ist, hat die Umstrukturierung innerhalb der Krankenhäuser bereits begonnen. Ziel ist es, das bislang über die vier Kliniken verteilte Leistungsspektrum auszubauen und möglichst zentral zu bündeln. So hat im Sommer etwa die Ärztliche Direktorin der Penzberger Klinik, Susanne Rogers, zusätzlich den Chefarztposten für Allgemein - und Viszeralchirurgie in Starnberg übernommen, um hier ein Darmkrebszentrum aufzubauen. Gastroenterologe David Anz, zuletzt ebenfalls ausschließlich in der Penzberger Klinik tätig, wurde ausgewählt, in Starnberg eine Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie zu installieren.

Im vergangenen Frühjahr bereits hat Georg Gradl die Unfallchirurgie an den Kliniken in Starnberg und Seefeld übernommen, in der Herrschinger Klinik öffnete vor zwei Wochen eine Station für Akut-Geriatrie. Alles kein Zufall: Laut Landrat Frey sollen die Schwerpunkte einer künftigen Level-II-Klinik im Landkreis die Geburtshilfe, Frauenheilkunde und Kinderheilkunde sein. "In diesen Bereichen sind wir jetzt schon sehr gut". Womöglich kämen noch die Gastroenterologie und die Unfallchirurgie hinzu.

Das Krankenhaus in Penzberg gehört mit knapp 100 Betten ebenfalls zu den Starnberger Kliniken. (Foto: oh)

Ob die Starnberger Klinik auch weiterhin die Geburtshilfe in der Kreisklinik in Wolfratshausen weiterführen wird, ist ebenfalls noch offen. Aktuell spreche nichts dagegen, so Frey. Schließlich sei damit kein finanzielles Risiko für die Starnberger Kliniken GmbH verbunden: Sollte der Betrieb defizitär sein, gleicht das der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen aus. "Letztlich wird darüber aber auch die Klinikreform entscheiden", so Frey. Er kenne die diesbezüglichen Pläne des Nachbarlandkreises nicht. Unklar ist darüber hinaus, wie sich die Reform auf die freien und privaten Kliniken auswirken wird. Der Bundeverband Deutscher Privatkliniken kritisiert die Reformpläne, weil er Insolvenzen befürchtet.

Fest steht derweil, dass die Notfallrettung komplett neu aufgestellt werden muss, wenn nur mehr eine Klinik im Landkreis eine Notaufnahme hat und in den angrenzenden Landkreisen Krankenhäuser nicht mehr angefahren werden können.

Frey rechnet nicht damit, dass die Reform vor 2026 verabschiedet wird, das Thema habe im Bund keine Priorität. Viele der mehr als 2000 Mitarbeiter in den Kliniken würden darunter leiden, weil sie Sorge hätten, mit der Schließung einer Klinik ihren Arbeitsplatz zu verlieren. "Wir haben fest vor, alle Mitarbeiter zu halten", betont Frey - notfalls eben an einem anderen Standort.

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