Starnberg:Gottesdienstmarathon und indisches Huhn

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Völlerei an Weihnachten? Für die Pfarrer im Fünfseenland kein Widerspruch. (Foto: imago)

Was Pfarrer aus der Region an Heiligabend machen - und wie sie auf die Kapitalisierung des Weihnachtsfests blicken.

Von Sabine Bader, Yara van Kempen und Viktoria Spinrad, Starnberg/Tutzing

Ente, Gans, Rinderbraten, an Weihnachten wird gerne groß aufgetischt. Und unter dem Weihnachtsbaum stapeln sich die Geschenke. Der Heilige Abend und die Völlerei - passt das überhaupt zusammen? Oder ist an diesem Festtag nicht vielmehr Schlichtheit Trumpf, Stichwort Würstl und Kartoffelsalat? Fragt man Pfarrer aus dem Landkreis Starnberg, zeigen die sich da durchaus flexibel. Müssen sie auch, schließlich gehören die Weihnachtstage für sie zu den stressigsten des Jahres.

Starnbergs Stadtpfarrer Andreas Jall auf dem Kirchplatz von der Pfarrkirche St. Maria. (Foto: Arlet Ulfers)

Andreas Jall, katholischer Stadtpfarrer von Starnberg

Auch wenn Starnbergs Stadtpfarrer Andreas Jall das für sich persönlich anders sieht, kann er der verbindenden Funktion des gemeinsamen Essens durchaus einiges abgewinnen. Für ihn ist Weihnachten allerdings sehr stark familiär geprägt. Eine eigene Familie hat er als katholischer Pfarrer nicht, dafür aber fünf Geschwister, die er an den Weihnachtstagen sehr gerne sieht, auch wenn seine Zeit da natürlich etwas begrenzt ist.

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Für gewöhnlich hält er sich den Vormittag des 24. frei, "weil dann erfahrungsgemäß noch Leute spontan anrufen oder vor der Tür stehen, wenn für sie der psychische Druck an Weihnachten zu groß wird", erzählt er. Die Seelsorger der katholischen Pfarreingemeinschaft Starnberg essen am Weihnachtstag stets gemeinsam zu Mittag. Im vergangenen Jahr gab es Suppe und Braten. Groß aufgekocht wird nicht - es gibt nur, was man vorher zubereiten kann. Am Nachmittag stehen dann die Kindergottesdienste auf dem Plan. Die zwei Stunden, die Jall an diesem Tag zwischen den Gottesdiensten für sich selbst freischaufeln kann, nutzt er, um seine private Krippe aufzustellen. Dazu hört er sich "Die heilige Nacht" von Ludwig Thoma an. "Das ist so mein kleines Ritual."

Am ersten Weihnachtsfeiertag ist Jall bei seinen Eltern im Allgäu. Das große Familienfest steigt dann aber traditionell am zweiten Weihnachtsfeiertag. "Da kommen die Geschwister zusammen, und inzwischen gibt es auch schon zwölf Nichten und Neffen", erzählt er. Dazu trifft man sich bei seiner großen Schwester, wo es alljährlich Rinderrouladen gibt. "Die kann man auch gut vorbereiten." Was bei einer solch großen Familie ja auch Sinn macht, findet er.

Simon Döbrich vor der Starnberger Friedenskirche. (Foto: Arlet Ulfers)

Simon Döbrich, Pfarrer der evangelisch-lutherischen Gemeinde Starnberg

"Feliz Navidad" - so wünscht man frohe Weihnachten auf Spanisch. Simon Döbrich, evangelischer Pfarrer in Starnberg, hat rund sieben Jahre mit seiner Familie im Außendienst in Madrid gelebt. In der spanischen Hauptstadt konnte er sich ein gutes Bild von den weihnachtlichen Gepflogenheiten machen.

An Heiligabend gibt es in Spanien keine Geschenke, dafür aber ein großes Festessen mit mehreren Gängen. "Generell hat das gemeinsame Essen in Spanien einen ganz anderen Stellenwert", sagt Döbrich. Deshalb könne man an Heiligabend den Abendgottesdienst zwischen 20 und 23 Uhr vergessen - "da kommt niemand."

Dadurch hatte Döbrich aber auch mehr Zeit, weshalb sie oft den etwas zeitaufwändigeren Steinbutt gegessen haben. Das habe sich in Madrid angeboten, erzählt der Pfarrer. Das passe auch gut zur biblischen Idee von Heiligabend, wo man in der traditionellen Fastenzeit auf Fleisch verzichtet und Fisch bevorzugt.

Zurück in Deutschland verbringt auch Döbrich Weihnachten oft in Hektik zwischen den Gottesdiensten, mittendrin bleibt nur Zeit für seine vorbereiteten Pasteten. Ragout im Hefeteigmantel - dazu ein Salat und fertig ist das schnelle Festmahl. Vor- und Nachspeise passen leider nicht mehr in den Zeitplan.

Auch das passt fast zufällig noch in die kleine Fastenzeit: Traditionell fiel das große Festessen immer auf den Mittag des ersten Weihnachtsfeiertages. Auch Döbrich feiert besinnlich am 25. Dezember.

Die große Bescherung in Spanien findet am "Dia de los Reyes", dem Tag der Heiligen Drei Könige, also am 6. Januar statt. Einen Tag vorher werden die drei Könige mit einem großen Umzug zum Rathaus gebracht. Dort übergibt der Bürgermeister den Königen den "Stadtschlüssel", mit dem sie in der Nacht zum 6. Dezember die Geschenke in den Häusern verteilen.

Die Verschiebung von Traditionen findet Döbrich nicht schlimm. Viel bedenklicher fände er es, wenn Weihnachten an sich an Bedeutung verlieren würde. "Ich finde es schön zu sehen, wie die christliche Kultur in den Häusern lebt", sagt Döbrich. Es sei nicht verwerflich, es sich an Heiligabend gut gehen zu lassen, solange der "eigene Genuss mit Gedanken an den nächsten" einhergehe.

Döbrich, der in Bayern aufgewachsen ist, schätzt die Bräuche hierzulande, ist aber auch beeindruckt von der Weihnachtsbeleuchtung in Spanien, die die Stadt in weihnachtlichem Glanz erstrahlen lässt. Den in Deutschland üblichen Adventskranz und Christbaum vermisst er wiederum in Spanien. Er erklärt sich das damit, dass der Wald hier ein Symbol der Ruhe sei - dort aber ein Ort böser Geister.

Pfarrerin der evangelischen Gemeinde in Tutzing (Foto: Christian Topp)

Beate Frankenberger, evangelische Pfarrerin in Tutzing

Würstchen mit Kartoffelsalat, in urchristlicher Demut? Da lacht Beate Frankenberger. Nein, sagt sie, "wenn schon, dann das volle Programm." Bisher habe ihr Mann an Heiligabend immer Raclette gemacht. Dieses Jahr ist alles ein wenig anders. Ihr jüngster Sohn hat beschlossen, die Familie zu bekochen, und zwar mit indischem Hühnchen. "Das nehmen wir mit Begeisterung an."

Kein Wunder, hat die evangelische Pfarrerin doch ein straffes Programm an Heiligabend. Gleich drei Gottesdienste gilt es zu leiten, einen vierten hat sie an einen Kollegen ausgelagert, schließlich kann sie sich nicht zweiteilen. Auszumachen scheint ihr der Marathon nichts, im Gegenteil, sie klingt geradezu beschwingt, wenn sie von den Plänen berichtet. "Ich gehöre zu den Weihnachtsjunkies", sagt sie.

Die ersten Symptome zeigen sich in der Adventszeit. Dann werden die ersten Kerzen am Baum angezündet, und zwar die echten. Zum Leidwesen ihres Mannes, den das Feuerrisiko nervös macht. Bisher haben weder Katze noch Kinder den Baum umgestürzt - für den Fall der Fälle steht aber immer ein Eimer Wasser daneben, man weiß ja nie.

Pragmatisch geht es auch beim Schenken zu. Von der Familie ihres Mannes hat sie die Vorzüge des Gebens nach Eigenwunsch gelernt. "So bekommt keiner einen Morgenmantel, der einem überhaupt nicht gefällt." Bücher, Socken, Kinogutscheine - in der Familie Frankenberger geht es bodenständig zu. Wobei sie auch niemanden verurteilen mag, der an Weihnachten groß auffährt. Ja, man solle mit Verstand und Gefühl schenken. Konsumfest? Da hält sie es liberal: "Wenn die Leute es sich leisten können, sollen sie es doch machen."

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