Buchhandlungen öffnen:"Ich habe noch nie so viele Erziehungsratgeber verkauft"

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Karina Trübner, Chefin der Herrsching Bücherinsel. (Foto: Arlet Ulfers)

Buchhändlerinnen wie Karina Trübner aus Herrsching erzählen, wie es ihnen im Lockdown ergangen ist und was die Leute lesen.

Protokolle: Valentina Mendez-Höcherl und Leonie Daumer, Starnberg

Der Buchhandel darf aufatmen. Nach fast drei Monaten geschlossenen Türen und Click & Collect kann man nun wieder unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen im Geschäft einkaufen. Vier Buchhändler aus dem Landkreis erzählen von ihren Lockdown-Erfahrungen und teilen ihren aktuellen Buchtipp.

Karina Trübner, 38, Bücherinsel, Herrsching: "Unsere Stammkunden haben uns auch im zweiten Lockdown die Stange gehalten. Für uns hat Click & Collect super funktioniert, weil wir drei kleine Abholtonnen in unsere Nebeneinfahrt gestellt haben. Die Kunden kannten das schon aus dem ersten Lockdown von uns. Eine dieser Abholtonnen ist permanent mit Schullektüre gefüllt. Das Homeschooling hat da etwas verändert: Wir verkaufen viel mehr Lernhilfen und klassische Leselektüren. Auch Jugendliche greifen wieder mehr zum Buch. "Zitronensüß" von Jenny Han kann ich jedem vierzehn jährigen Mädchen ans Herz legen. Ich habe in meinem Leben aber auch noch nie so viele Erziehungsratgeber verkauft wie jetzt. Außerdem kann man sagen: Erwachsene suchen tatsächlich mehr Bücher zur Entspannung. Viele wollen etwas Fröhliches lesen, das braucht man momentan zum Abschalten. Eine super Neuerscheinung, die die Corona-Pandemie vergessen lässt, ist "Unter Wasser Nacht" von Kristina Hauff. Es spielt an der Elbe und handelt von zwei gegensätzlichen Familien. Unsere Stammkunden rufen häufig an und wollen sichergehen, dass wir auch noch da sind. Bei der Wiedereröffnung erwarten wir einen großen Ansturm. Man merkt bereits jetzt: Die Leute sind ganz heiß auf den Laden. Übrigens ist auch der Papierkram zu Pandemie-Zeiten viel größer. Ich witzele schon immer und sage: "Ich bin Buchhändlerin und nicht Buchhalterin geworden."

Gudrun Bartelmann von der Starnberg Bücherjolle. (Foto: Arlet Ulfers)

Gudrun Bartelmann, 67, Bücherjolle, Starnberg: "Wir haben den Lockdown mehr schlecht als recht überstanden. Im Dezember mussten wir Fahrer aus unserem Freundeskreis organisieren, um die vielen Bücher aus dem Weihnachtsgeschäft auszufahren. Mit Click&Collect haben wir dann nur einen Bruchteil des Normalumsatzes gemacht. Die Kunden konnten per Telefon, per Email oder online bestellen. Trotzdem müssen wir Miete und Steuern weiterhin bezahlen. Die Corona-Regelungen haben uns verwirrt, es war ein ständiges Hin und Her - da haben wir uns hintenan gestellt gefühlt. Jedoch spürten wir das Mitgefühl der Menschen sehr. Viele wollen vor allem den regionalen Buchhandel unterstützen und verzichten gerne auf Amazon. Einen Gewinn hatte unser Familienbetrieb aber: Durch den Lockdown haben die Kunden unseren eigenen Online-Shop entdeckt, den es schon lange vor der Pandemie gab. Trotzdem ist der Charme unserer Buchhandlung online nicht zu erleben. Eines meiner Lieblingsbücher in der Pandemie war "Der Gesang der Flusskrebse" von Delia Owens. Am meisten gefehlt hat uns der persönliche Kontakt. Die beratende Funktion ist bei Click&Collect am Fenster einfach nicht dieselbe."

Marc Schürhoff von Gautings Buchhandlung Kirchheim. (Foto: Arlet Ulfers)

Marc Schürhoff, 52, Buchhandlung Kirchheim, Gauting: "Im Gegensatz zum ersten Lockdown vor einem Jahr, tat dieser zweite schon sehr weh. Vor allem im Januar hatten wir erhebliche Einbußen. Von den Gautingern, aber auch von den umliegenden Gemeinden bekamen wir eine unglaublich tolle Solidarität zu spüren. Es gab viel Zuspruch und uns wurden sogar Blumen und Schokolade vorbeigebracht. Im Februar ging es dann bergauf und Click&Collect erleichterte die Situation. Online konnten die Kunden die Bücher bestellen und dann vor Ort abholen. Trotzdem macht die Arbeit im Lockdown einfach weniger Spaß. Das Reden über Bücher, das Empfehlen, manchmal sogar das Abraten, diese Kommunikation und das Miteinander fehlen wahnsinnig. Bei der Wiedereröffnung können die Leute die Bücher endlich wieder sehen, hineinlesen, durch den Laden stöbern und Neues entdecken. Vor allem Bücher unbekannter Autoren gingen in der Corona-Zeit unter. Aufmerksamkeit bekommen lediglich Bücher, die in der Öffentlichkeit besprochen werden. Das war auch die große Angst, als der Kriminalroman "Grenzfall" der Gautinger Autorin Anna Schneider erschien. Der hat sich dann aber vor allem durch Mundpropaganda wahnsinnig schnell verbreitet. Eine meiner regionalen Empfehlungen wäre außerdem das Buch "Sehnsucht Starnberger See" von Katja Sebald. Das ist ein super Buch, in dem die Villen um den Starnberger See und die Persönlichkeiten, die dahinter stecken, beschrieben werden."

Martin Held von Tutzings gleichnamiger Buchhandlung. (Foto: Arlet Ulfers)

Martin Held, 63, Buchhandlung Held, Tutzing: "Es ist eine extrem schwierige Zeit gewesen. Ich bin froh, dass sie vorbei ist. Wir haben viel am Telefon beraten und da auch ein großes Vertrauen der Kunden an uns gespürt. Trotzdem war es eine große logistische Umgestaltung und ein völlig anderes Arbeiten. Zum Glück haben wir unseren Online-Shop schon seit mehr als 15 Jahren, deswegen ist das Click&Collect auch ganz gut gelaufen - wir haben aber trotzdem weniger verkauft als vorher. Am Anfang war hier in Bayern ja außerdem nur "Click" und kein "Collect" erlaubt, deswegen war ich schon erleichtert, als wir die Ware nicht mehr ausliefern mussten. Wir haben eigentlich ähnliche Bücher wie sonst auch verkauft, nur an Bildbänden deutlich weniger. Die muss man sich einfach anschauen. Meine aktuelle Buchempfehlung ist "Herzfaden" von Thomas Hettcher. Das ist ein Roman über die Augsburger Puppenkiste, in der es auch um Zeitgeschichte und die Nazi-Zeit geht: einfach gigantisch zu lesen. Ob wir auch einen dritten Lockdown überstehen würden, weiß ich nicht. Die Sorge ist auf jeden Fall da. Sowas geht einfach ans Eingemachte und irgendwann ist das Eingemachte aufgebraucht. Ich bin da eher pessimistisch veranlagt. Das hängt jetzt stark von uns selber ab, wie sehr wir die kleinen Einschränkungen in Kauf nehmen um große zu vermeiden."

© SZ vom 08.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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