Literatur:Mit der Würde einer Königin

Lesezeit: 3 min

Widmet seinen jüngsten Roman einer starken Persönlichkeit: Reinhold Neven-Dumont stellt in der Evangelischen Akademie Tutzing "Alexandra Minderop" vor. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der ehemalige Verleger Reinhold Neven-Dumont, der einige Jahre seiner Kindheit am Starnberger See verbrachte, widmet ein bemerkenswertes Porträt einer starken Frau: seiner Großmutter.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Reinhold Neven-Dumont ist ein Mann des Wortes. Aber er hat auch zwei Seelen in einer Brust. Mehr als 30 Jahre lang war er Verleger. Tausende von Büchern hat er veröffentlicht, war stets Zeuge ihres Entstehens. In diesen Zeiten hat er es sich allerdings untersagt, selbst zu schreiben. Man könne nicht beides sein, lautete sein Credo, für ihn gab es nur: entweder Verleger oder Autor. Doch als er mit 65 Jahren seinen Verlag Kiepenheuer & Witsch verkaufte, kam eine Anfrage vom Piper-Verlag, ob er nicht ein Buch über seine Heimatstadt Köln schreiben wolle.

Neven-Dumont war skeptisch, wollte zunächst nicht. Er dachte, er habe schließlich auch andere Interessen, Familie - und er liebe seinen Garten. "Dann habe ich Blut geleckt und bin von einer Seite auf die andere Seite des Tisches gewechselt", erklärte Neven-Dumont auf der Lesung am Donnerstag in der Evangelischen Akademie Tutzing seine Motivation, warum er entgegen all seiner Prinzipen doch noch mit dem Schreiben angefangen hat.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Die Inhaberin der Tutzinger Buchhandlung "Eselsohr", Elisabeth Hieronymus, hatte den heute 86-jährigen Neven-Dumont zur Vorstellung seines neuen Romans "Alexandra Minderop" eingeladen. Für den Enkel des Malers Franz von Lenbach, der den Zweiten Weltkrieg zusammen mit seiner Mutter in der Sommervilla seines Großvaters in Starnberg verbracht hatte und erst als 13-Jähriger wieder zurück nach Köln ging, war die Lesung "eine bayerische Premiere". Denn sein Buch ist bislang nur auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt worden.

Ausgangspunkt für einen Roman ist für den gebürtigen Kölner, der heute in Herrsching wohnt, immer eine Figur, eine Persönlichkeit. Es gibt noch keinen Handlungsstrang, wenn er etwa 20 Seiten schreibt, um zu testen, ob sich aus der Figur etwas machen lässt oder ob sie in den Papierkorb wandert. Im Fall von Alexandra Minderop war es Neven-Dumonts Großmutter väterlicherseits: Vor zweieinhalb Jahren begann er über das Leben seiner Großmutter zu recherchieren. Doch während des Schreibens habe er sich von der Person entfernt, die Hauptfigur seines Romans habe ein Eigenleben bekommen. "Es ist keine Biografie, es ist Fiktion."

Wechselte von der einen Seite des Tisches auf die andere: Reinhold Neven-Dumont. Sein neues Buch ist aber keine Biographie, sondern eine fiktionale Erzählung. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Allerdings schöpfe jeder Schriftsteller aus persönlichen Erfahrungen, so der Autor. "Wenn man einen Roman schreibt, führt man eine Art Doppelleben." Man tauche ein in die Geschichte und lerne die Figuren mit all ihren Stärken und Schwächen kennen. Der "schmale Roman", wie Neven-Dumont das Buch bezeichnet, handelt vom Leben Alexandra Minderops im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zu ihrem Tod im Zweiten Weltkrieg.

Die Geschichte: Alexandra ist eine eigenwillige Frau, hat überaus feste Ansichten, kann aber durchaus auch Fehler eingestehen. Sie ist unangepasst und weiß genau, was sie will - für die damalige Zeit eher ungewöhnlich. Zu ihrem zwölften Geburtstag lässt sie sich kein Organza-Kleidchen schenken, wie die gleichaltrigen Mädchen, sondern einen Trainingsanzug. Nach ihrer Hochzeit will sie ihren Mädchennamen nicht aufgeben und entscheidet sich für einen Doppelnamen.

Minderop ist eigenwillig, heutzutage würde man von einer "emanzipierten Frau" sprechen.

Minderop vereinbart Gütertrennung, weil sie ihre Unabhängigkeit bewahren und allein über ihr Vermögen entscheiden will. Heutzutage würde man "von einer emanzipierten Frau" sprechen, sagt Buchhändlerin Hieronymus. Nach ihren Angaben ziehen sich ihre Willensstärke und ihre Bereitschaft, sich über Konventionen hinwegzusetzen, durch das ganze Buch. Während Minderops Ehemann im Roman eher eine Nebenfigur ist, bleibt auch ihr 15-jähriger Sohn als Ich-Erzähler schwach. Er steht im Schatten seiner dominanten Übermutter und kann sich nicht von ihr lösen. Sie verhindere, "dass er der wird, der er hätte werden können", erklärt Neven-Dumont.

Eine Figur zu entwickeln, damit sie lebendig wirkt, ist nach seinen Erfahrungen ein "spannender, interessanter und beglückender Prozess". Da müsse auch die Sprache stimmen, angepasst an Zeit und Milieu. "Ich habe einen Widerwillen gegen moderne Wortverdrehungen." Ein bestimmter Duktus müsse eingehalten werden. "Die Ganovensprache ist anders als die in höheren Kreisen." Am Ende ist von der Persönlichkeit der Großmutter laut Neven-Dumont nur "das Ehrwürdige" geblieben, wenn er zum Tod Alexandras schreibt: "Sie starb, ohne zu klagen, mit der Würde einer Königin."

Der Roman "Alexandra Minderop" von Reinhold Neven-Dumont ist im Dittrich-Verlag erschienen und für 20 Euro im Buchhandel erhältlich.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Starnberg
:"Politik betrifft uns alle"

In vielen Bundesländern dürfen Jugendliche bereits mit sechzehn Jahren wählen, in Bayern nicht. Zu unrecht, sagt der Tutzinger Jugendbeirat - und geht nun auf Stimmenfang.

Interview von Ella Adam

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: