Starnberg:"Politik betrifft uns alle"

Lesezeit: 3 min

Um sich für Politik zu interessieren muss man nicht volljährig sein, findet der Tutzinger Jugendbeirat. (Foto: Leonhard Simon)

In vielen Bundesländern dürfen Jugendliche bereits mit sechzehn Jahren wählen, in Bayern nicht. Zu unrecht, sagt der Tutzinger Jugendbeirat - und geht nun auf Stimmenfang.

Interview von Ella Adam, Tutzing

Jeder weiß, was passiert, wenn Jugendliche sich von der Politik nicht gehört fühlen: Sie demonstrieren, zum Beispiel bei Fridays for Future. Das führt nur nicht oft genug zu konkreten Maßnahmen, findet Juliana von Brühl-Störlein. Die 19-jährige Studentin ist stellvertretende Vorsitzende des Jugendbeirats Tutzing, der sich mit einem Aktionstag am Samstag für die Senkung des Wahlalters in Bayern einsetzt.

SZ: Hätten Sie mit 16 gewusst, wen Sie wählen sollen?

Juliana von Brühl-Störlein: Ja, definitiv. Mein Vater ist Berufssoldat. Dadurch ist das Weltgeschehen und die Politik der Bundesregierung für meine Familie grundsätzlich wichtig. Dadurch habe ich mich schon früh kritisch damit auseinander gesetzt, warum mein Vater gerade zuhause ist oder bei einem Auslandseinsatz. Ich habe jegliche Wahl, vom Bürgermeister zur Bundesebene, verfolgt und hätte gewusst, wen ich wählen würde.

Viele andere junge Leute interessieren sich aber eher für Flirten oder TikTok als für Politik. Im Tutzinger Jugendbeirat kommen selten junge Zuschauer. Warum sollten diese jungen Leute auf einmal wählen?

Es gibt für junge Leute zu wenige Möglichkeiten, sich zu engagieren. Politik betrifft uns alle. Deswegen ist es wichtig, dass Jugendliche so früh wie möglich an Politik herangeführt werden.

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Passiert das nicht in der Schule?

Im bayerischen Schulsystem ist zu wenig unabhängige politische Bildung vorgesehen. Auch außerhalb gibt es zu wenige Angebote. Erst wenn man achtzehn ist und man wählen darf, bekommt man einen Brief zugeschickt mit der Wahlinformation. Erst dann müssen Jugendliche sich aktiv mit der Wahl auseinander setzen. Das finde ich ziemlich spät. Man ist ja eigentlich schon mit der eigenen Geburt von der Politik betroffen. Deshalb sollte man sich früh eine eigene Meinung bilden: Wen wähle ich? Wer vertritt meine Anliegen am besten?

Gleichzeitig können sich viele junge Menschen über den Jugendbeirat vor Ort, wie zum Beispiel in Tutzing, politisch engagieren. Warum braucht es da unbedingt eine frühe Wahlbeteiligung?

Sogenannte Jugendvertretungen sind auf rechtlicher Ebene nicht gesichert. Sie entstehen nach Lust und Laune der Gemeinde. Das führt dazu, dass es keine flächendeckende Repräsentation der Jugend gibt. Es gibt gute Beispiele wie Ingolstadt oder Würzburg, aber das ist nicht die Norm. Es gibt aber kaum andere Möglichkeiten für Jugendliche, sich politisch zu beteiligen, wenn man nicht unbedingt einer Partei oder einem Verein beitreten will oder sich den Beitrag nicht leisten kann.

Juliana von Brühl-Störlein ist die stellvertretende Vorsitzende des Tutzinger Jugendbeirats sowie des Dachverbands der bayerischen Jugendvertretungen (DVBJ). (Foto: privat)

Viele jungen Menschen haben sich über Fridays for Future politisiert...

Fridays for Future hat gezeigt, dass Jugendliche etwas zu sagen haben und sich beteiligen möchten. Protest ist ein wichtiges Mittel, aber oft erzielen Demonstrationen wenige konkrete Maßnahmen. Die Wahl ist daher das beste Mittel, sich politisch einzubringen.

Vote16 begründet die Senkung des Wahlalters unter anderem auch damit, dass junge Menschen qua ihres Alters Verantwortung für ihre Zukunft tragen. Müsste man im Umkehrschluss nicht ab einem gewissen Rentenalter das Wahlrecht entziehen?

Interessante Frage. Ich tue mir damit schwer. Wählen ist ein Recht jedes deutschen Bürgers, da könnte man sich fragen, warum es überhaupt ein Mindestalter gibt. Aber ich finde, eine Altersbegrenzung greift zu weit. Da würde auch niemand mitmachen. Der Anteil der älteren Bevölkerung, die davon betroffen wäre, ist weitaus höher, als der der 16- und 17-Jährigen, die von einer Senkung des Wahlalters betroffen wären. Das ist ein interessantes Szenario, aber auch ein unwahrscheinliches.

Wenn man jungen Leuten die Verantwortung zum Wählen zutraut, sollte man sie dann nicht auch in anderen Aspekten wie bei der Strafmündigkeit einfordern?

Da muss man differenzieren, der Jugendschutz ist wichtig. Mit 16 ist man in der Lage, sich eine Meinung zu bilden und Risiken abzuschätzen. Trotzdem probiert man sich aus und begeht vielleicht auch die ein oder andere "Jugendsünde". Ich finde, man darf da den Jugendschutz nicht außer Acht lassen.

Am Samstag, 8. Juli sammelt der Tutzinger Jugendbeirat mit Eis und Getränken zwischen 8 - 16 Uhr Unterschriften für "Vote 16" auf dem Tutzinger Wochenmarkt. Als Gäste sind die Präsidentin des Sozialverbands VDK, Verena Bentele, der Präsident des Bayerischen Jugendrings, Philipp Seitz sowie der Vorsitzende des Dachverbands der bayerischen Jugendvertretungen, Aron Gabriel angekündigt.

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