Starnberg:Hüllenlos nach dem Sturm

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Orkanartige Böen reißen die erst 2012 erneuerte Abdeckung des Raistinger Radoms herunter. Wegen umgestürzter Bäume kommt es zu mehreren schweren Unfällen. Die Feuerwehr rückt zu 67 Einsätzen aus.

Von Armin Greune und Sofie Henghuber, Raisting/Starnberg

Der Sturm Bianca hat im Fünfseenland eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Der größte Einzelschaden ist am Raistinger Radom zu verzeichnen, wo orkanartige Böen die Traglufthülle von der Antenne rissen. In Krailling wurden zwei Personen schwer verletzt, als ein Baum auf ein vorbeifahrendes Auto fiel und die Insassen im Wagen eingeklemmt wurden. Die Feuerwehren im Landkreis Starnberg mussten zu insgesamt 67 Unwetter-Einsätzen ausrücken, der Zugverkehr war den gesamten Freitag lang beeinträchtigt.

Am Tag nach Bianca bietet das berühmte Radom einen erbärmlichen Anblick: Die Traglufthülle hängt schlaff und zerrissen am Sockel der ehemaligen Zweidrittel-Kugel herab. Die Antenne ist nun genauso entblößt wie die 15 anderen Empfangsstationen im Raistinger Becken, die inzwischen einem privaten Telekommunikationsanbieter gehören. Das 1964 fertiggestellte Radom ist im Besitz des Landkreises Weilheim-Schongau, der es 2006 für den symbolischen Preis von einem Euro gekauft hat.

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Das weltweit einzigartige Industriedenkmal, Zeuge des Aufbruchs der Menschheit ins Weltall, von dem aus die Mondlandung europaweit übertragen wurde, war der öffentlichen Hand dennoch eine Menge Geld wert: Drei Millionen Euro kostete die Sanierung, die den Austausch der baufälligen Originalhülle einschloss. Schon am Tag der Neueröffnung suchte ein Unwetter das Radom heim: Am 6. Juli 2012 riss eine Sturmfront mit Hagelwalze zwei Festzelte um. Vier Personen wurden verletzt, die neue Hülle aber überstand die Attacke damals noch ohne Schäden.

Nun aber befürchtet Radom-Geschäftsführer René Jakob, dass sie nicht mehr repariert werden kann und abermals ausgetauscht werden muss. In der kommenden Woche sollen Mitarbeiter der Herstellerfirma den Schaden begutachten. 2012 hatte man für die Traglufthülle 830 000 Euro bezahlt, aufgrund der Baukostensteigerung dürfte der Betrag inzwischen nicht mehr ausreichen, meint Jakob. Er ließ das Areal weiträumig absperren, weil wohl auch die - nicht mehr funktionstüchtige - Parabolantenne in Mitleidenschaft gezogen wurde und die Statik erst in der kommenden Woche überprüft wird. Das Radom wurde von einer Steuerungsanlage überwacht, die beim Bersten der Hülle einen Alarm auslöste. Die ausgerückte Servicefirma verständigte die Feuerwehr, die gegen vier Uhr früh die Hülle sicherte, um weiteren Schaden an der Anlage zu verhindern.

Der Sturm habe den 26 Feuerwehren im Landkreis eine lange Nacht beschert, teilt Kreisbrandinspektor Anton Graf mit. Die Retter rückten zu 67 Einsätzen aus, meist wegen umgestürzter Bäume. Auf dem Rückweg von einem Einsatz wurde noch das einzige Fahrzeug der Feuerwehr Frieding von einem Baum getroffen, die neunköpfige Besatzung blieb zum Glück unverletzt. Durch den Aufprall wurden Leitern und das Auto so schwer beschädigt, dass die Feuerwehr derzeit nicht einsatzfähig ist, sagt Kommandant Stefan Sedlmayer. Er hofft nun auf eine Leihgabe aus den umliegenden Gemeinden.

Laut Graf waren mehrere Straßen in der Nacht durch Bäume blockiert: die Staatsstraße zwischen Perchting und Drößling sowie die Verbindungen Machtlfing-Rothenfeld, Frieding-Rothenfeld und Leutstetten-Wangen.

Zudem mussten einige Unfallstellen geräumt werden: Um 22.25 Uhr fuhr ein 52-jähriger Münchner mit seinem Kleinwagen auf der B 2 in Richtung München. Bei Pähl, auf Höhe der Hirschbergkurve, fiel ein Baum quer auf die Fahrbahn. Das Fahrzeug prallte dagegen und wurde stark beschädigt, der Fahrer blieb unverletzt. Der Schaden belaufe sich auf etwa 15 000 Euro, schätzt die Weilheimer Polizei.

Außerdem berichten die Beamten von einem Unfall auf der Strecke zwischen Weilheim und Seeshaupt. Dort war ein 34-Jähriger aus Penzberg um 22.40 Uhr in einem Kleinwagen unterwegs. Auf Höhe des Haarsees kam ihm ein Lkw entgegen, am Steuer saß ein 56-Jähriger aus Eglfing. Die Fahrer wurden jeweils durch die Lichter des anderen geblendet und sahen deshalb einen auf der Straße liegenden Baum zu spät. Beim Aufprall wurden der Stamm und der Pkw vom Laster gegen die Leitplanke gedrückt. Der Fahrer des Kleinwagens erlitt leichte Verletzungen. Es entstand Sachschaden von 30 000 Euro.

Mit den starken Schneefällen am Abend hatte auch eine Fahrerin auf der A 952 zu kämpfen. Laut Michael Reiter, Zugführer der Starnberger Feuerwehr, kam die Frau um 19 Uhr auf dem Autobahnzubringer Richtung München mit ihrem Pkw von der Fahrbahn ab und prallte gegen die Leitplanke. Sie verletzte sich dabei leicht, der Streckenabschnitt musste für eine Stunde gesperrt werden. Gegen 22.30 Uhr traf es dann die Gegenrichtung: Ein Autofahrer fuhr über ein auf der Fahrbahn liegendes Verkehrsschild, dabei wurde die Ölwanne des Wagens aufgerissen. Die Feuerwehr Starnberg musste die Fahrbahn im Anschluss reinigen, teilt Reiter mit.

Zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen kam es auch im Zugverkehr. Gegen 23 Uhr wurde der Betrieb der S 6 zwischen Starnberg und Tutzing wegen des Sturmtiefs bis Freitagnachmittag eingestellt. Als Ersatz verkehrten Taxis und Busse. Auch die Züge im Werdenfelsnetz fuhren auf den Strecken München-Murnau sowie München-Tutzing-Kochel bis Freitagnachmittag nicht. Schienenersatzverkehr mit Bussen bestand zwischen Murnau und Starnberg, auch auf der Route von Tutzing nach Kochel verkehrten Busse. Ebenfalls um 23 Uhr wurden die Fahrten der Bayerischen Regiobahn (BRB) zwischen Schongau und Geltendorf eingestellt. Gegen 8 Uhr nahm die BRB am Freitag den Betrieb wieder auf. Ein Sprecher der Regiobahn sagte, man müsse jedoch mit Verspätungen auf dieser Strecke rechnen.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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