Als der Wintersturm Sabine am Sonntag, dem 9. Februar, zu wüten begann, drehten sich die Windräder wie verrückt. In Deutschland machte die Windenergie an diesem Tag rund 65 Prozent der gesamten elektrischen Energie aus. Insgesamt brachten es die erneuerbaren Energien auf einen Anteil von fast 75 Prozent.
Auch wenn Sabine in keinem direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel steht, ist klar: Der Klimawandel bringt Extremereignisse mit sich - sei es Trockenheit, Hitze, Stürme, Starkregen oder Flaute. Und derartige Extremereignisse können das Stromnetz ins Wanken bringen. Zum Beispiel kann der Strombedarf für die Klimatisierung an extrem heißen Sommertagen massiv ansteigen. An kalten Wintertagen indes braucht es künftig mehr Strom für Wärmepumpen. Und im Extremfall kann ein Sturm auch mal Hochspannungsmasten knicken. Gleichzeitig soll zum Schutz des Klimas immer mehr regenerative Energie aus Wind, Sonne und Wasser in den Energiemix fließen. Deren Leistung kann aber stark von derartigen Extremereignissen abhängen.
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Die Nasa war an der Berechnung der Daten beteiligt. Die Wissenschaftler betonen, dass Klimaschwankungen in der Vergangenheit nie derart rapide abgelaufen sind. Bis auf eine Ausnahme.
Eine Studie im Wissenschaftsmagazin Nature Energy legt nun das Augenmerk auf den in Zukunft möglicherweise großen Einfluss des Klimawandels und den damit zusammenhängenden Extremwetterereignissen auf die Energiewirtschaft. Dazu haben Forscher um Dasun Perera von der ETH Lausanne 13 Klimawandelszenarien auf 30 schwedische Städte angewandt und die sogenannte klimainduzierte Energieunsicherheit bestimmt. Das Resultat: Extreme Wetterereignisse könnten die Zuverlässigkeit der Stromversorgung in Schweden um 16 Prozent reduzieren, was laut Perera "zu Blackouts und damit verknüpften wirtschaftlichen Schäden führen kann". Die elektrische Leistung könne wegen der Schwankungen bei den Regenerativen um bis zu 34 Prozent variieren. Das zeige, dass Klimawissenschaftler und Energieexperten gemeinsam an dieser Thematik arbeiten müssten.
Tatsächlich projizieren Klimamodelle für Europa gegen Ende des 21. Jahrhunderts einige Veränderungen. Insbesondere dürften Hitzewellen länger und heftiger ausfallen. Vergleichsweise gering und unsicherer ist indes, wie sich Hochwasser und Winterorkane wie Sabine entwickeln werden. Laut Joaquim Pinto vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie ist gegen Ende des Jahrhunderts nur mit geringfügigen Veränderungen des mittleren jährlichen Windenergiepotenzials für Europa zu rechnen. Größer würden hingegen die Unterschiede im Windenergiepotenzial zwischen Sommer und Winter. "Darüber hinaus zeigt sich eine Häufung von Schwachwindphasen, was die Volatilität der Windstromerzeugung erhöhen könnte."
Extreme Klimaereignisse seien eine Herausforderung für jegliches Energiesystem, egal, ob konventionell oder regenerativ, sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. "Auch konventionelle Kraftwerke sind von extremen Klimaereignissen stark betroffen, da beispielsweise Atom- oder Kohlekraftwerke bei extremer Hitze und Wasserknappheit aufgrund unzureichender Kühlung vom Netz genommen werden müssen."
"Aber der Mensch wird bei Extremwetterereignissen nicht tatenlos zusehen, sondern aktiv reagieren."
Erneuerbare Systeme sind laut Kemfert aufgrund der Dezentralität grundsätzlich nicht anfälliger für Extremereignisse als konventionelle. Nur die Wirkungen und Anpassungen seien andere und somit auch die Herausforderungen an das Energiesystem. Mögliche Abschaltungen von Windanlagen bei extremen Stürmen müssten zum Beispiel durch Biomasse, Wasserkraft, Geothermie, Solaranlagen und Speicher aufgefangen werden. Zudem könne eine intelligente Netzsteuerung mittels Digitalisierung vor den Folgen solcher Extremereignissen schützen.
Dass sich Extreme durchaus bewältigen lassen, zeigt der Wintersturm Sabine durchaus. "Um eine Überproduktion zu verhindern, wurden insbesondere Offshore-Windparks morgens ab 9 Uhr schrittweise in ihrer Leistung von circa fünf Gigawatt auf ein Gigawatt gedrosselt", sagt Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme im deutschen Freiburg. "So wurde Platz für den zunehmenden Solarstrom geschaffen. Nachmittags, mit abnehmender Sonne, wurde die Drosselung wieder zurückgenommen, sodass um 18 Uhr wieder fünf Gigawatt eingespeist wurden."
Burger bezweifelt, dass solche regelnden Eingriffe des Menschen in der aktuellen Nature-Studie berücksichtigt wurden. "Aber der Mensch wird bei Extremwetterereignissen nicht tatenlos zusehen, sondern aktiv reagieren." Die Übertragungsnetzbetreiber würden ständig dazulernen, wie mit dem komplexer werdenden System umzugehen sei. Burger hält die Gefahr, dass Bäume auf Leitungen fallen und so lokale Stromausfälle entstehen, für viel größer, als dass die Netzbetreiber das Verbundnetz bei Extremwetter nicht geregelt bekommen.