Sterbebegleitung:Ärger um das Hospiz in Polling

Lesezeit: 5 min

In Kinderhospizen erhalten schwerkranke Kinder und ihre Familien Unterstützung. (Foto: Thomas Trutschel/photothek/imago images)

Südlich vom Starnberger See wird dringend ein neues Hospizzentrum gebraucht, da sind sich alle einig. Deshalb sollte in Polling eine solche Einrichtung entstehen. Doch nun gibt es Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten. Steht das Projekt auf der Kippe?

Von Kia Ahrndsen, Polling

Der Bedarf ist da - da sind sich alle Beteiligten einig. Ein Kinderhospiz wird im südwestlichen Oberbayern dringend gebraucht. Dementsprechend groß war die Begeisterung im Sommer 2019, als der Hospizverein Polling und die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) ihre Pläne für das Kloster Polling vorstellten: Auf dem Klostergelände sollte das bestehende stationäre Hospiz für Erwachsene erweitert und gleichzeitig in dem Komplex ein teilstationäres Kinderhospiz eingerichtet werden. Dafür wäre allerdings ein Neubau nötig, es ging also um ein Millionenprojekt.

Nun ist das Vorhaben offenbar gescheitert. Ende vergangenen Jahres sind die Stiftung AKM sowie die gemeinnützige Haus Anna gGmbH, die das Kinderhospiz betreiben sollte, aus dem 2022 gegründeten Förderverein ausgetreten, "per Anwalt und ohne vorausgehende Gespräche" heißt es vom Hospizverein Polling. In dem Schreiben des Anwalts werde die unzureichende Trennung zwischen Kinder- und Erwachsenenhospiz bemängelt. Für den Vorstand des Hospizvereins ist damit die Grundlage für eine Zusammenarbeit mit der AKM weggefallen. "Der gemeinsame Förderverein war für uns eine zwingende Voraussetzung für das gesamte Projekt und das gemeinsame Spendensammeln in der Region", betont Hohenpeißenbergs Bürgermeister Thomas Dorsch, der zugleich auch Vereinsvize ist. Das gesamte Projekt "zwei Hospize in Polling" sei nun in Gefahr.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Bei der jüngsten Mitgliederversammlung wurde deshalb beschlossen, selbst eine gemeinnützige GmbH zu gründen und darüber das Kinderhospiz zu betreiben. Aufbau und Betrieb werde "eine große Herausforderung", sagt Renate Dodell, die Vorsitzende des Fördervereins. Sie verweist auf die über 20-jährige Erfahrung im stationären Hospizbereich, auf das sehr motivierte Team und auf erfahrene Kooperationspartner. Unterstützung komme vom Bezirk Oberbayern, der Süddeutschen Kinderhospizstiftung Bad Grönenbach und dem Kinderpalliativzentrum des LMU-Klinikums München. "Wir sehen uns gut gerüstet", versichert Dodell.

Das Ziel bleibt unverändert: Das Erwachsenenhospiz soll von zehn auf 14 Betten erweitert werden, für das Kinderhospiz sollen acht Plätze für den teilstationären Aufenthalt geschaffen werden. Die Erweiterung in den derzeit angemieteten Räumen im Kloster wäre nicht möglich. Sie entsprechen auch nicht mehr den Anforderungen, acht der derzeit zehn Zimmer haben keine Nasszelle, die Ausnahmegenehmigung für den Bestand läuft Ende 2030 aus. Es muss also gebaut werden. Die ersten Pläne für einen Anbau ans Kloster wurden schon 2022 vorgestellt, er würde die Anlage wieder zu einem Geviert machen.

Für die geplante Erweiterung muss ans Kloster Polling angebaut werden. (Foto: Matthias Köpf)

Im Erdgeschoss und der ersten Etage sollen die Kinder unterkommen, im zweiten und dritten Stock die Erwachsenen. Schon allein dadurch sieht der Hospizverein die Trennung der Bereiche gewährleistet. Ein Vorteil sei auch die Nähe des integrativen Kindergartens der Kinderhilfe Oberland, der im Klostergebäude untergebracht ist. Die Baupläne sollen nun überarbeitet und das Genehmigungsverfahren angegangen werden. Es werde beispielsweise daran gedacht, zusätzliche Apartments für begleitende Eltern mit einer Gemeinschaftsküche zu schaffen. Auch über zwei Plätze für ein "Tageshospiz" für Erwachsene werde mit den Kassen gerade verhandelt. Dodell hofft, 2025 mit dem Bau beginnen zu können.

Der Förderverein "Zwei Hospize in Polling" wird also neu aufgestellt. Bürgermeister Martin Pape aus Polling wird neuer Vorsitzender, sein Amtskollege Markus Loth aus Weilheim bleibt zweiter Vorsitzender. Jakob Schaetz aus Bernried ist weiterhin Schatzmeister. Dieser Verein soll nach wie vor Bau und Betrieb beider Hospize unterstützen. Der finanzielle Bedarf ist beträchtlich. Die Schätzungen sehen unverändert Baukosten von 17,5 Millionen Euro vor. Die Diözese Augsburg trägt dazu 4,5 Millionen Euro bei, das Kloster selbst stellt das Baugrundstück zur Verfügung, steuert aus dem Verkauf eines weiteren Grundstücks rund 3,5 Millionen Euro bei und bringt fünf Millionen Euro an Bargeld auf, rechnet Dodell vor.

Von einem vertrauensvollen Miteinander zwischen Hospizverein und AKM kann keine Rede sein

Um die künftige Miete zu senken, würden sich sowohl der Hospizverein als Träger des Erwachsenenhospizes als auch die neue gGmbh als Trägerin des Kinderhospizes vertraglich verpflichten, in mehreren Raten jeweils zwei Millionen Euro Baukostenzuschuss zu leisten. Die Mietverträge würden langfristig abgeschlossen, die Rede ist von 30 Jahren. Dadurch, so Dodell, könne in den Pflegesatz-Vereinbarungen mit den Krankenkassen der Mietpreis von 11,50 Euro zugrunde gelegt werden.

Diese Summen muss der Förderverein nun einsammeln. 400 000 Euro seien bereits eingegangen und könnten dafür eingesetzt werden. Schatzmeister Schaetz berichtet, das bereits eingegangene Geld habe der Hospizverein treuhänderisch verwahrt. Renate Dodell lobt die Spendenbereitschaft im Pfaffenwinkel. Dabei sei dem Verein die monatliche Spende von zehn Euro einer Rentnerin genauso wichtig wie der 5000-Euro-Scheck eines Betriebs. Oft werde sie von Bürgern gefragt, wann denn das Kinderhospiz endlich komme. Die Enttäuschung über die fehlende Aktivität seitens der Münchner Stiftung ist Dodell und Schaetz deutlich anzumerken - bisher sei für das Projekt nicht aktiv geworben worden, es habe noch nicht einmal ein Bankkonto gegeben.

Das Gebiet des Hospizvereins im Pfaffenwinkel umfasst auch weite Teile des Landkreises Starnberg. (Foto: Hospizverein im Pfaffenwinkel)

An einem vertrauens- und auch rücksichtsvollen Miteinander mit und unter den Mietern ist dem Kloster jedoch sehr gelegen, betont Oberin Raphaela Ferber. Das Kinderhospiz sei wichtig für schwerkranke Kinder und deren Familien, deshalb werde das Kloster die räumlichen Voraussetzungen dafür schaffen. Der Hospizverein habe sich in den vergangenen Jahren als zuverlässiger Mieter erwiesen, der zur wirtschaftlichen Stabilität und damit zum dauerhaften Bestand des Klosters beitrage. Dass "uneingeschränkt vertrauensvolle Miteinander" von Kloster und Hospizverein bei allen Umbauten und Renovierungen hebt auch Thomas Dorsch hervor. Dafür sei man sehr dankbar.

Von einem vertrauensvollen Miteinander kann zwischen Hospizverein und der Stiftung AKM aber wohl tatsächlich nicht die Rede sein. Die Stifterin und geschäftsführende Vorständin Christine Bronner lässt in einer Pressemitteilung wissen, sie sei fassungslos und überrascht über die Aufkündigung der Zusammenarbeit seitens des Hospizvereins Pfaffenwinkel. Stephanie Ertl, bei AKM für die Spendenakquise zuständig, erklärt, bei der Kündigung durch die AKM sei es nur um den Förderverein gegangen, also um das gemeinsame Fundraising - aus dem Gesamtprojekt sei man keineswegs ausgestiegen, das Projekt Kinderhospiz Polling habe man nicht aufgekündigt.

Aus dem Förderverein sei man aus rechtlichen Gründen ausgetreten, aber der sei ja nur ein Instrument der Finanzierung gewesen, kein Träger. Wie es jetzt weitergehen könnte, werde gerade eruiert und diskutiert. "Wir müssen uns jetzt erstmal sortieren", sagt Ertl, "wir waren da ein bisschen überrascht." In der Pressemitteilung heißt es, es gäbe "reichlich gute Alternativen, um die Finanzierung des Baus und des Betriebs beider bedürftiger Hospize zu sichern."

Die Stiftung AKM geht zurück auf eine Initiative des Ehepaars Christine und Florian Bronner aus Inning. (Foto: Georgine Treybal)

Ertl betont, die AKM erforsche sehr intensiv, wie die Versorgungsstruktur für Familien mit schwer kranken Kindern auszusehen hat. Gerade im September habe man im niederbayerischen Eichendorf ein teilstationäres Kinderhospiz eröffnet und dort sehr gute Erfahrungswerte gesammelt. Der Bedarf für teilstationäre Betreuung sei in ganz Deutschland immens. Dafür stelle man auch anderen Hospizdiensten Konzepte und Erfahrungen zur Verfügung. Es gibt, so teilt die Stiftung mit, seit vier Jahren das Forschungsprojekt "Haus Anna" in Abstimmung mit Krankenkassen und Bundesverbänden. Außer dem Haus in Eichendorf plane man derzeit weitere Einrichtungen in der Region Südostoberbayern und im Großraum München.

Die Stiftung AKM geht zurück auf eine Initiative des Ehepaars Christine und Florian Bronner, die seit 2004 einen ambulanten Hospizdienst für Kinder in München aufbauten. In der Kinderhospizarbeit geht es darum, Familien mit schwer oder unheilbar erkrankten Kindern im Alltag zu unterstützen. Das kann bedeuten, dass Kinder wieder gesund werden, weil beispielsweise die Medizin Fortschritte macht, aber auch, dass ein Kind mit seiner Familie in der letzten Lebensphase betreut wird. Auch werden Familien mit Kindern unterstützt, in denen ein Elternteil lebensbedrohlich erkrankt ist. AKM hat außer der Zentrale in München Regionalzentren in Inning, Landshut und Rosenheim.

Die Erwachsenenhospizarbeit entwickelte sich in den 1960er-Jahren in England und ist eher als Sterbebegleitung bekannt. Der Hospizverein im Pfaffenwinkel ist seit 1992 aktiv, seit 20 Jahren gibt es das stationäre Hospiz im Kloster Polling. Etwa 100 Menschen kommen jedes Jahr ins Kloster, um sich dort in ihren letzten Wochen oder Stunden pflegen und begleiten zu lassen. Das Einsatzgebiet der ambulanten Helfer reicht von Starnberg und Herrsching bis Murnau sowie von Penzberg und Benediktbeuern bis zur schwäbischen Bezirksgrenze bei Ingenried. Dabei werden nicht nur die schwer kranken Menschen zu Hause, in Pflegeheimen oder Kliniken begleitet, sondern auch die pflegenden Angehörigen unterstützt. Der Verein hat mehr als 1100 Mitglieder, rund 165 ehrenamtliche, aktive Hospizbegleiter und 40 hauptamtliche Mitarbeiter. Die Kosten tragen größtenteils die Krankenkassen, ein kleiner Rest wird durch Spenden finanziert.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusErnährung
:"Wir dürfen uns nicht ständig an Brot und Nudeln satt essen"

Simone Kreth hat erforscht, welche positiven Effekte die Reduzierung von Kohlenhydraten auf das Immunsystem hat. Was die Ernährungsmedizinerin aus Starnberg sonst noch empfiehlt.

Interview von Carolin Fries

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: