Marius Bleek zieht zurück:Die Angst vor dem Amtseid

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Der Polizeibeamte Marius Bleek aus Germering wurde am 7. Mai zum neuen Pähler Rathaus-Chef gewählt. Doch sechs Wochen später ruderte er zurück - kurz vor seiner Vereidigung. (Foto: Georgine Treybal)

Pähl ist bekannt, weil Hubert Aiwanger hier einst seine Kuhfladen-Show abhielt. Und jetzt? Spielt sich in der Gemeinde ein kommunalpolitisches Drama ab. Denn der eben erst gewählte Bürgermeister ist kurz vor seinem Amtsantritt abgesprungen.

Von Linus Freymark, Pähl

Als Marius Bleek noch voller Zuversicht war, hat er mal von einem Buch erzählt. Es gibt gerade ja keine Crashkurse für angehende Bürgermeister, also musste Bleek sich selbst auf seine Aufgabe vorbereiten. Deshalb das Buch. Den Titel hat Bleek nicht verraten, dafür hat er einen kleinen Scherz darüber gemacht. Das Buch heiße nicht "Wie werde ich Bürgermeister?", erklärte Bleek. Das brauche er ja nicht mehr. Es müsse vielmehr heißen: "Wie bleibe ich Bürgermeister?"

Ein paar Wochen ist es her, dass Bleek davon erzählt hat. Im strömenden Regen ist er durch Pähl gelaufen und hat erzählt, was er vorhat als Bürgermeister: die Betreuung von Kita- und Schulkindern sicherstellen, die Tagespflege weiter vorantreiben. Ein Mann voller Tatendrang ist da durch den Ort gelaufen, dem zwar klar war, dass es nicht leicht werden würde, aber der trotzdem Lust auf seine neue Aufgabe hatte. Pähl solle eine Gemeinde sein, in der sich alle wohlfühlen können, Junge wie Alte, hatte Bleek erklärt. Er wolle ein "Bürgermeister für alle" sein.

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Jetzt will Marius Bleek kein Bürgermeister mehr sein. Am Donnerstagabend hat der 29-jährige Bundespolizist aus Germering, dessen Wahl für so viel Aufsehen gesorgt hat, seinen Rückzug bekannt gegeben. Er sehe sich "durch nicht vorhersehbare Umstände dazu gezwungen", das Amt nun doch nicht anzutreten, schreibt er in einem Brief an die Einwohner der Gemeinde. Am kommenden Dienstag wäre sein offizieller Amtsantritt gewesen. Bleibt die Frage, wie so etwas passieren kann, ein Rückzug wenige Tage vor Amtsantritt. Hat sich Bleek beim Griff ins Bücherregal doch vergriffen? Oder sind die Umstände für seinen Rückzug tatsächlich so wenig vorhersehbar, dass sie auch im besten Bürgermeister-Ratgeber nicht enthalten sind? Und was ist der nächste Akt in diesem kommunalpolitischen Drama, das sie da gerade im Pfaffenwinkel aufführen?

Denn dass Bleek Anfang Mai überhaupt zum Bürgermeister gewählt worden ist, gleicht einer Sensation. Bleek hat keinerlei kommunalpolitische Erfahrung, zudem kommt er noch nicht einmal aus Pähl. Wenige Monate vor der Wahl ist er aufgetaucht, hat sich aufstellen lassen - und gegen Amtsinhaber Werner Grünbauer gewonnen. Über den kursieren im Dorf allerhand Geschichten, auf Kritik soll er mehr aufbrausend als lösungsorientiert reagiert haben, schnell soll es persönlich geworden sein. "Ein Machtmensch", hieß es mancherorts im Dorf über ihn. So jemand polarisiert. Entweder waren die Wähler also so unzufrieden mit dem bisherigen Bürgermeister, dass sie lieber für den Ortsfremden als für den Platzhirsch gestimmt haben. Oder Bleek muss die Bürger innerhalb kürzester Zeit von sich überzeugt haben. Der Grund für Bleeks Wahl liegt wie so oft wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Bleek entschuldigt sich dafür, seine Wähler enttäuscht zu haben

Bis zum Donnerstag jedenfalls waren Bleeks Unterstützer ganz zufrieden mit ihm. Viel konnte er aber auch noch nicht machen: Weil er noch nicht offiziell im Amt war, bekam er keinen Zugang zu internen Daten der Verwaltung und konnte sich so kaum Informationen verschaffen. Das macht den Einstieg nicht gerade leicht. Auch im Gemeinderat scheint es Skepsis und mancherorts gar Ablehnung gegenüber dem Neuen gegeben zu haben. All das aber dürfte Bleek im Vorhinein klar gewesen sein, er hat auch nicht gewirkt wie einer, den so etwas schnell aus der Fassung bringen würde. Auch soll er sich viel im Ort gezeigt haben und mit allen möglichen Gruppen Kontakte geknüpft haben. Verhält man sich so und schmeißt dann hin, nur weil ein paar Gemeinderäte einem vielleicht nicht ganz so wohlwollend entgegentreten?

Auskunft darüber könnte nur Bleek selbst geben. Doch der einst so gesprächige Visionär ist einsilbig geworden. Reden will er am Freitag nicht, per SMS verweist er auf sein am Vortag veröffentlichtes Statement. Es tue ihm leid, schreibt er darin, "dass ich mit diesem Schritt insbesondere meine 770 Wählerinnen und Wähler sowie mein aktives Unterstützerumfeld enttäusche". Zu den nicht vorhersehbaren Umständen äußert er sich nicht weiter, die Gründe für Bleeks Rückzug so wenige Tage vor seinem Amtsantritt bleiben unklar.

Klar dagegen ist: Die Gemeinde steht vor politisch spannenden und wahrscheinlich auch schwierigen Zeiten. Viele im Ort haben nach der Grünbauer-Ära darauf gesetzt, dass es mit Bleek ruhiger werden würde. Durch den Rückzug sind diese Hoffnungen nun zerstört. "Er hat viele seiner Unterstützer enttäuscht", sagt einer, der sich dem Bleek-Lager zurechnet. Gleichzeitig gibt es auch Stimmen, die Verständnis für Bleek äußern: Der Einstieg sei ihm von manchen Seiten so schwer gemacht worden, dass man seine Entscheidung nachvollziehen könne, finden manche seiner Unterstützer.

Zwölf Jahre lang hat Werner Grünbauer die Geschicke der Gemeinde Pähl geleitet. Er sanierte den Haushalt, doch mit denkwürdigen Auftritten stieß er viele vor den Kopf. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Geschäfte wird nun weiterhin die Zweite Bürgermeisterin Ursula Herz führen, die diese bereits jetzt schon übernommen hat, weil sich der zwar abgewählte, aber noch amtierende Bürgermeister Grünbauer nach seiner Demontage in einen selbst verordneten Sonderurlaub verabschiedet hat. Herz sagt, sie sei "guter Dinge" gewesen, dass das mit Bleek und Pähl funktionieren könnte. Sie habe ein gutes Verhältnis mit Bleek gehabt, "ich war mit ihm per du".

Jetzt muss sie mit der Kommunalaufsicht des Landratsamtes Weilheim-Schongau klären, ob und, wenn ja, wann es Neuwahlen geben wird. Die Behörde konnte am Freitag noch keine genauen Angaben zum weiteren Prozedere machen und teilte lediglich mit, die Neuwahl solle "binnen drei Monaten nach Beendigung der Amtszeit abgehalten werden". Legt man dem die Amtszeit Grünbauers zugrunde, müssten die Pähler also spätestens Ende September wieder an die Urnen. Wer dann allerdings zur Wahl steht, ist völlig offen. Ursula Herz hat ihre Kandidatur ausgeschlossen, auch Grünbauer will nicht noch einmal antreten. Aber wer weiß, ob das so bleibt, wenn sich sonst niemand findet?

Nochmal ein Kandidat von auswärts dürfte jedenfalls kaum antreten. Von 2008 bis 2011 gab es das mit Klaus Pfeiffer (CSU) schon einmal. Nach drei Jahren hat dieser das Amt zurückgegeben, der "enorme Widerstand" im Gemeinderat habe ihn dazu gezwungen, hatte Pfeiffer erklärt.

Marius Bleek hat sich in dieser Hinsicht weniger klar geäußert. Aber: Den Bürgermeister-Ratgeber, wie immer er nun heißen mag, wird er in Zukunft nicht mehr brauchen.

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