Öffentlicher Nahverkehr:Wenn der Bus nicht mehr kommt

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Schulbusse haben Priorität beim Krisenmanagement im öffentlichen Nahverkehr. (Foto: Georgine Treybal)

Der Fahrermangel hat gravierende Auswirkungen: Das Liniennetz im Landkreis Starnberg wird ausgedünnt, kündigt Landrat Stefan Frey an. Im bisherigen Nahverkehrskonzept bedeutet das eine Kehrtwende.

Von Michael Berzl, Starnberg

Notfahrpläne, ein reduziertes Angebot auf manchen Buslinien, einige Fahrten fallen seit Wochen sogar ganz aus: Der Fahrermangel macht sich auch im Landkreis Starnberg sehr deutlich bemerkbar. Und die Auswirkungen werden noch drastischer werden, kündigte Landrat Stefan Frey (CSU) am Mittwoch im Mobilitätsausschuss des Kreistags an. "Wir werden nicht umhin kommen, die Linien ganz stark auszudünnen", sagte er.

Das ist eine Kehrtwende, nachdem das Angebot in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut worden war. Aber die Zeit ist offenbar vorbei, in der jeder Ort vor den Beratungen über den neuen Fahrplan seine Wunschvorstellungen einbringen konnte. Jetzt steht Krisenmanagement bevor. Erstes Opfer ist eine Ortsbuslinie für Gilching, die ansonsten bestimmt eingeführt worden wäre, nun aber erst einmal um ein Jahr verschoben wird.

"Die nehmen jeden, der einen Busführerschein hat."

Wegen der anhaltenden Probleme im Busnetz hatte sich der Landrat am Dienstag mit Vertretern der Verkehrsunternehmen zu einem Krisengespräch getroffen. Zwei Stunden habe diese Unterredung gedauert, sagte Frey am Tag danach. Das Gespräch sei konstruktiv gewesen, aber zu Teilen offenbar auch desillusionierend. So sagte Frey, die Unternehmen seien froh um jeden Fahrer, der bleibt: "Die nehmen jeden, der einen Busführerschein hat." Die Fahrer wiederum gingen dorthin, wo sie am besten bezahlt werden. Die Konkurrenz um Personal ist groß. Die Branche rechne damit, dass bis zum Jahr 2030 bundesweit etwa 50 000 Fahrer fehlen.

In so einer Situation sei mit Vertragsstrafen für Unternehmen wegen ausgefallener Fahrten wenig auszurichten, sagte Frey. Eine bessere Bezahlung der Fahrer ist nach Darstellung des Landrats zu teuer. Eine Erhöhung um sieben Prozent, was etwa drei Euro mehr pro Stunde bedeuten würde, würde den Münchner Tarifverbund (MVV) mit zusätzlich elf Millionen Euro belasten, rechnete Frey vor. Für den Landkreis wären es 1,1 Millionen mehr. "Das ist eine Größenordnung, die für uns nicht drin ist", sagte der Landrat. Im Haushalt des Landkreises rechnet er ohnehin schon mit einer "Unterdeckung, die sich gewaschen hat", also mit erheblichen finanziellen Problemen durch diverse zusätzliche Kosten. Er wurde emotional, als er die Kreisräte auf schwierige Haushaltsberatungen einstimmte: "Ich bin entsetzt gewesen, als ich die Zahlen gesehen habe".

Vor wenigen Tagen hatte Starnbergs Landrat Stefan Frey (re.) in Andechs noch freudig die digitale Busanzeige mit eingeweiht. Doch auch da war der Nahverkehr schon ein Ärgernis. (Foto: Nila Thiel)

Da nun feststeht, dass das bisherige Angebot nicht mehr zu halten ist - und das auf Dauer, muss der Landkreis Prioritäten setzen. An oberster Stelle steht die Schülerbeförderung. Die Kommunen stehen da den Eltern gegenüber in der Pflicht. Das Gespräch mit den Busunternehmen hat immerhin einen praktischen Ansatz beim Krisenmanagement ergeben. Demnach sollen Ansprechpartner aus der Elternschaft künftig direkt von den Unternehmern per E-Mail informiert werden, wenn Busse unerwartet ausfallen.

Nach Ansicht der Grünen erfordert das Ausmaß der Unzuverlässigkeit eine "politische Reaktion"

Wegen der aktuellen Probleme haben sich die Grünen in einem Schreiben an den Landrat gewandt. Von den Folgen des Fahrermangels sei "die besonders vulnerable Gruppe" der Erst- und Zweitklässler betroffen, schreibt Hans Wilhelm Knape aus Hausen im Namen der Kreistagsfraktion. Eine Dokumentation der zahlreichen Ausfälle allein im Gautinger Gemeindegebiet liege dem Landratsamt vor. Im Gemeinderat habe man darüber diskutiert, ob die Kommune selbst aktiv werden müsste, um ihrer Beförderungspflicht nachzukommen. Nach Ansicht der Kreis-Grünen nimmt die Unzuverlässigkeit des öffentlichen Nahverkehrs mittlerweile Ausmaße an, "die eine politische Reaktion erfordern".

Improvisiert wird allenthalben. Drei Beispiele: Für die Linien zwischen Argelsried und Gauting sowie Unterbrunn und Buchendorf gelten seit Anfang Oktober bis mindestens Ende des Jahres samstags nicht mehr die regulären Fahrpläne. Als Grund gibt das Landratsamt "Fahrermangel im Busverkehr" an. Seit Dienstag wird dort am Abend ein Kleinbus eingesetzt. Auf den Stadtlinien zur Blumensiedlung und nach Söcking gibt es schon seit Ende August ein eingeschränktes Angebot. Und noch während der Sitzung des Mobilitätsausschusses hat das Landratsamt die Mitteilung verschickt, dass auf der Linie 955 zwischen Weßling und Starnberg abends künftig ein Großraumtaxi fährt, das von 18 Uhr an den Bus ersetzt, der sonst dort verkehrt. Ein weiterer Notbehelf.

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