Oberpfaffenhofen:Per Mausklick sehen, wo der Wald brennt

Lesezeit: 3 min

Die erste Mission des europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus mit dem Sentinel-1-Satelliten startete 2014. (Foto: DLR)

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt bietet nun einen kostenlosen Service an, bei dem Feuer tagesaktuell beobachtet werden können. Wie das funktioniert.

Von Patrizia Steipe, Oberpfaffenhofen

Die Worte "ZKI Fire Monitoring System" in den Browser eingeben, und einen Mausklick später öffnet sich auf dem Bildschirm des Computers eine Landkarte, auf der an verschiedenen Stellen in Europa gelbe und orangefarbene Quadrate zu sehen sind. Sie markieren die verheerenden Waldbrände, die aktuell in Europa lodern. Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) bietet damit einen neuen Service, bei dem die Brandherde tagesaktuell, aber auch im zeitlichen Verlauf beobachtet werden können.

Das Besondere: Die Daten der Sentinel-3-Satelliten können kostenfrei von jedem genutzt werden, egal ob für wissenschaftliche Forschungen, für ein Referat an der Schule oder für die Planung einer Urlaubsreise. Das ZKI (Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation) ist eine Einrichtung des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) am DLR in Oberpfaffenhofen. Hier werden Satellitendaten analysiert und für die Nutzer aufbereitet.

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Hinter den leuchtenden Quadraten auf der Weltkarte verbergen sich dramatische Ereignisse. Angeklickt ploppen nähere Infos über die Feuer auf. Für das große Feuer südlich der französischen Stadt Bordeaux vor einigen Tagen haben die Satelliten zum Beispiel eine verbrannte Fläche von fast 8100 Hektar erkannt. "Es handelte sich um einen besonders schweren Brand, bei dem dichter Wald zerstört wurde. Wir können das über einen speziellen Index feststellen, der die verbrannte Biomasse anzeigt", erklärte Torsten Riedlinger, Gruppenleiter im DFD. "Wir können nicht nur sagen, wo es gebrannt hat, sondern auch wie sehr die Vegetation betroffen ist".

Das Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) wertet Satellitendaten und DLR-Luftbildaufnahmen innerhalb kürzester Zeit aus und bereitet sie zum Beispiel zu Karten auf. (Foto: DLR)

Auch in Deutschland hat es heuer seit Juli wegen der extremen Trockenheit an vielen Orten gebrannt. Das ZKI Monitoring System hat 45 größere Brände angezeigt, die insgesamt mehrere tausend Hektar Wald-, Busch- und Weideland zerstört haben. Die schwersten Brände ereigneten sich in Brandenburg, wo eine Fläche von 780 Hektar brannte und in der Sächsischen Schweiz, wo 1160 Hektar Wald dem Feuer zum Opfer fielen.

Jetzt ist auch ein Waldbrand-Monitoring in Echtzeit möglich

Das Monitoring von Waldbränden über Satellitendaten gibt es zwar seit Jahrzehnten, aber die Brandherde fast in Echtzeit und stets aktualisiert auf den Bildschirm zu bekommen, war lange nicht möglich. Ein Grund waren Wolken oder Rauch, welche die Sicht versperrten, denn Erdbeobachtungs-Satelliten können mit ihren optischen Instrumenten - anders als Radarsatelliten - nicht durch Wolken durchsehen. Deswegen konnten Satellitendaten erst lange nach dem Brandereignis ausgewertet werden.

Doch wenn es brennt, brauchen Katastrophendienste sofort Informationen, um Gegenmaßnahmen einzuleiten, zu warnen und um die Risiken für Menschen einzuschätzen. Seit 2014 haben die "Wächtersatelliten" des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus diese Aufgabe übernommen. Sie bestehen aus sechs "Satellitenfamilien", den sogenannten Sentinels, die von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA betrieben werden. Bei den Sentinels, die jeweils mit einem Zwilling im All arbeiten, wurde ein neuer Ansatz verfolgt. Statt möglichst viele Messinstrumente auf einem Satelliten zu installieren, sind die Sentinels nur für einzelne Messaufgaben ausgestattet.

Auch andere Ereignisse wie Erosionen und Rodungen können dokumentiert werden

Die Satelliten liefern Daten zur Erde und zur Atmosphäre. Dadurch können Klimawandel, Erosion, Feuer, Wüstenbildung, großflächige Rodungen, Bewegungen bei Gletschern, Erdbeben, Vulkanen und andere Veränderungen dokumentiert werden. Weltweit werden diese frei zugänglichen und kostenlosen Daten bereits genutzt, zum Beispiel zur Unterstützung des Katastrophenmanagements und der zivilen Sicherheit.

Die Zwillingssatelliten Sentinel-3, die die Waldbrände dokumentieren, sind 2016 und 2018 in das Weltall gestartet. Über ihre optischen Systeme erfassen sie auf ihren Umlaufbahnen auf 800 Kilometern Höhe die Erdoberfläche mit einer Bodenauflösung von 300 Metern. Die Daten werden automatisch ausgewertet und innerhalb kurzer Zeit in die Karten übertragen. "Nahe-Echtzeit" nennen es die Wissenschaftler.

Auch zwei amerikanische Satelliten senden täglich Daten zu Waldbränden, sobald sie die DLR-Empfangsstationen in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) oder Oberpfaffenhofen überfliegen. Mit diesen Ergebnissen werden die Daten über mehrere Tage weiter überprüft und verfeinert.

Nicht alle registrierten Brände sind auch Waldbrände

Waldbrände tragen durch die Emissionen von Treibhausgasen zum Klimawandel bei. Die DLR-Wissenschaftler haben deswegen die Brände in Europa seit 2016 analysiert. Die Karten zeigen, dass viele Brände - vor allem in Süd- und Osteuropa - nicht im Wald, sondern auf landwirtschaftlich genutzten Flächen vorkommen. Diese Brände werden absichtlich zu Bewirtschaftungszwecken gelegt.

Im vergangenen Jahr wurden Brände mit einer Größenordnung von 3,7 Millionen Hektar erkannt. Davon handelte es sich nur bei einer Million Hektar um Waldbrände. 2017 bezeichnet das ZKI als "Jahr mit den stärksten Bränden": 5,2 Millionen Hektar standen in Flammen, davon entfielen 1,3 Millionen Hektar auf Wälder. Besonders gewütet haben Feuer in Portugal, wo sich Waldbrände auf 3,8 Prozent der gesamten Landesfläche ausgedehnt hatten.

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