Prozess in München:Gericht verhängt Bewährungsstrafe nach tödlichem Raserunfall

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Der Angeklagte im Prozess um einen tödlichen Raserunfall im Gerichtssaal des Amtsgerichts. (Foto: Lennart Preiss/dpa)

Bei dem Horror-Crash auf der Autobahn vor dem Starnberger Dreieck war der Gautinger Beifahrer des heute 26-jährigen Angeklagten gestorben. Dieser konnte sich danach offenkundig an nichts erinnern - und war lange davon ausgegangen, er hätte gar nicht am Steuer des Sportwagens gesessen.

Von Christian Deussing, Starnberg

Mit gefalteten Händen erwartet der 26-jährige Alexander K. am Freitag im Raserprozess die Entscheidung des Amtsgerichts München. Es verurteilt ihn wegen eines verbotenen Autorennens mit fahrlässiger Tötung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der angeklagte Student muss 400 Stunden gemeinnützige Arbeit im Altenheim oder Krankenhaus ableisten und erhält einen Bewährungshelfer. Die Führerscheinsperre gilt für weitere drei Jahre, angeordnet wurde auch eine 20-stündige Teilnahme an einem verkehrspsychologischen Unterricht. Bei dem Raserunfall in der Nacht zum 1. September 2019 auf der Garmischer Autobahn (A 95) kurz vor dem Starnberger Dreieck war der 23-jährige Benedikt Apostoli aus Gauting ums Leben gekommen.

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Das Schöffengericht sah es nach vier Prozesstagen als erwiesen an, dass Alexander K. in südlicher Richtung bei 305 Stundenkilometern die Kontrolle über einen gemieteten 600 PS-Sportwagen verloren hatte und mit dem Cabrio an einem Baum zerschellte. Der damals 22 Jahre alte Lenker des Boliden kam bei dem Crash mit einer Schulterfraktur und einer Platzwunde am Kopf davon.

Die Eltern des Angeklagten haben 50 000 Euro an die Gautinger Wirtsfamilie überwiesen

Richterin Betina Dettenhofer forderte den angeklagten Münchner auf, eine Therapie zu machen und sich mit dem Unfalltod seines besten Freundes auseinanderzusetzen, den er durch einen Fahrfehler und wegen "Übermuts und Selbstüberschätzung" verursacht habe. Nur aus Zufall seien damals keine unbeteiligten Autofahrer zu Schaden gekommen, erklärte die Richterin. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

Die Eltern des Angeklagten hatten unter Druck des Nebenkläger-Anwalts Klaus Höchstetter in quasi letzter Minute des Verfahrens noch 50 000 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich der Gautinger Wirtsfamilie Apostoli überwiesen. Der Jurist forderte trotzdem eine Haftstrafe ohne Bewährung. Er warf dem Angeklagten vor, unter bedingtem Vorsatz gehandelt und bewusst die Grenzen des Sportwagens ausgetestet zu haben.

Der Angeklagte habe nach dem Unfall keine Verantwortung übernommen, sagt der Opfer-Anwalt

Höchstetter hielt die Aussage des Studenten für unglaubwürdig, sich nicht an den Unfall und die kurze Zeit davor erinnern zu können. Der Angeklagte habe "keine Verantwortung für seine Tat übernommen" und selbst sein Handy nicht herausgeben wollen. "Und Sie haben ohne Not gesagt, Beifahrer gewesen zu sein." Der Opfer-Anwalt bezichtigte den 26-Jährigen, an der Aufklärung nicht mitgewirkt und sich auch noch im Prozess "kalt und empathielos" verhalten zu haben.

Staatsanwältin Iris Koch forderte eine zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung - allerdings mit Auflagen, die das Gericht übernahm. Anhand von Chats und Videos war ermittelt worden, dass Alexander K. mit seinem Gautinger Freund und mindestens einem weiteren Kumpel mit zwei Sportwagen auf der Garmischer Autobahn und in der Region mit gravierenden Geschwindigkeitsverstößen schon vor der Unglücksnacht unterwegs war. Die jungen Männer hätten "nicht gecruist, sondern cool auf dicke Hose gemacht", betonte die Anklägerin. Bei dieser Geschwindigkeit sei ein solches Auto wie eine "Bombe und tödliche Waffe, die jeden im Weg umgemäht" hätten.

Die Staatsanwältin entschuldigt sich für die "unglückliche Ermittlungsarbeit"

Die Staatsanwältin entschuldigte sich bei der Familie Apostoli für die "unglückliche Ermittlungsarbeit", und dass unzureichend kommuniziert worden sei. Denn es sei bereits wenige Tage nach dem Unfall klar gewesen, dass "Benedikt Apostoli der Beifahrer war". Erst acht Monate später wurde diese Erkenntnis den Hinterbliebenen mitgeteilt.

Der Verteidiger Florian Schmidtke sprach von "Dummheit" seines Mandanten. Beide Freunde hätten darauf vertraut, dass nichts passiere. Man habe sich gemeinsam einer Gefahr ausgesetzt - in "gegenseitiger Verantwortung und Verantwortungslosigkeit". Der Anwalt bezeichnete es aber auch als "Wahnsinn", jungen Leuten so ein schnelles Fahrzeug zu vermieten. Schmidtke beantragte eine Bewährungsstrafe von maximal zwei Jahren. Er verwies zudem darauf, dass sein Mandant seit dem Unfall traumatisiert sei und sich sein Leben komplett verändert habe. Der kurzfristige und späte Täter-Opfer-Ausgleich von 50 000 Euro sei ohne Bedingungen erfolgt und "kein Freikaufen" gewesen, betonte der Verteidiger.

Am Ende entschuldigte sich Alexander K. nochmals bei der Familie Apostoli. Er hoffe, irgendwann mit ihr an einem Tisch sitzen zu können, sagte der 26-Jährige.

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