Fünfseen-Filmfest:"Es wäre mein Traum, dass das Festival ohne mich funktioniert"

Lesezeit: 4 min

Festivalleiter Matthias Helwig steckt momentan in den letzten Vorbereitungen. (Foto: Georgine Treybal)

Kurz vor dem Start des Starnberger Filmfests spricht Festivalleiter Matthias Helwig über die Programm-Highlights in diesem Jahr, die Ehrengäste - und über seine Hoffnungen für die Zukunft.

Interview von Katja Sebald, Starnberg

In einer Woche beginnt das 17. Fünfseen-Filmfestival. Matthias Helwig bereitet seit Monaten neben seinem Vollzeitjob als Kinobetreiber das Programm des Festivals vor. Eigentlich wäre auch das ein weiterer Vollzeitjob. Und weil das Budget immer denkbar knapp ist, macht er auch alle Grafik-Arbeiten selbst - vom Plakat über die Programmhefte bis hin zum Festivalkatalog, der jetzt in allen Kinos ausliegt. Im Vorwort des Katalogs schreibt er: "Mit 17, so heißt es in einem Lied von Peggy March aus den 1960er-Jahren, hat man noch Träume, und genauso geht es dem Fünfseen-Filmfestival." Im Interview spricht er über seine eigenen Träume und sinniert gleichzeitig übers Aufhören.

SZ: Herr Helwig, das Fünfseen-Filmfestival, das jetzt zum 17. Mal stattfindet, ist für Sie so etwas wie ein Lebenstraum . Werden auch in diesem Jahr wieder Träume wahr?

Matthias Helwig: Mit dem Fünfseen-Filmfestival sind für mich viele Träume wahr geworden. Zum Beispiel, dass wir seit fünf Jahren den Hannelore-Elsner-Preis vergeben können und dass es mittlerweile eine dpa-Meldung gibt, sobald wir die diesjährige Preisträgerin Paula Beer bekanntgeben. Auch, dass wir so hochkarätige Ehrengäste empfangen können, hätte ich mir nie vorstellen können, als wir das Festival gegründet haben. Wenn jetzt Margarethe von Trotta kommt, die 50 Jahre Filmgeschichte verkörpert, und ich mich mit ihr unterhalten darf, dann ist das für mich so großartig wie die Begegnung mit Ulrich Seidl zwei Tage später. Ich habe ihn in Graz im Hotel beim Frühstück angesprochen. Dass er dann tatsächlich zugestimmt hat, zu uns zu kommen, das ist genauso ein Traum, der wahr wird, wie der Besuch von Maria Schrader. Sie müsste nicht aus Berlin an den Starnberger See reisen, aber sie tut es.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Was sind, neben den Ehrengästen, für Sie die Highlights auf dem diesjährigen Festival?

Die Sektion "Fokus Iran" ist für mich eines der Highlights. Ich hatte schon immer ein Faible für iranische Filme, die zu den angesehensten der Welt gehören. Ich habe einige davon in Venedig gesehen und wollte sie unbedingt auch zu uns holen, obwohl das mit hohen Kosten verbunden ist. Die sieben ausgewählten Filme sind intensive und gerade in ihren Zwischentönen verstörende Geschichten über das Leben im Iran. Besonders liegt mir "World War III" am Herzen, der schildert, wie Konflikte entstehen und eskalieren können. Der gewaltsame Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 und die dadurch ausgelösten Proteste haben die Welt bewegt und erschüttert.

Und Sie offenbar auch.

Der Slogan der Demonstrierenden "Frau, Leben, Freiheit" hat mich zu der Frage geführt, wie denn eigentlich die Situation in Deutschland ist oder war. Wir zeigen zum Beispiel Ula Stöckls "Neun Leben hat die Katze", einen der ersten feministischen Filme der Bundesrepublik. Und so zieht sich das Thema Frauen in diesem Jahr wie ein roter Faden durch das gesamte Festivalprogramm. Ich freue mich aber auch sehr auf die Events des Festivals, mit allen Unsicherheiten, was das Wetter angeht. Ein Highlight ist natürlich die Eröffnungsfeier, bei der immer alles irgendwie vibriert, aber auch die Dampferfahrt. Und wenn das Publikum begeistert ist, dann ist das der Lohn für unsere Vorarbeit. Dafür haben wir die Filme schließlich alle gesichtet. Vielleicht finde ich die Zeit, in den einen oder anderen Film ein zweites Mal zu gehen und Erinnerungen nachzuhängen. Aber ich halte es für unwahrscheinlich. Dafür ist mein Terminplan meistens zu eng gesteckt.

Die Dampferfahrt ist für Festivalleiter Matthias Helwig eines der Highlights beim Fünfseen-Filmfest. (Foto: Nila Thiel)
Auch heuer fiebert Helwig diesem Event wieder entgegen - und hofft auf gutes Wetter. (Foto: Nila Thiel)

Was ist in diesem Jahr anders - und wie sehen Sie die Zukunft des Festivals?

Wie jedes Jahr ist die Realisierung des Festivals in finanzieller Hinsicht höchst schwierig. Wir mussten deshalb hier und da an Stellschrauben drehen. Insgesamt wird das Festival wohl kleiner werden. Zum Beispiel zeigen wir in diesem Jahr nur 130 Filme anstelle von 150 beim letzten Mal. Bei den Kurzfilmen beschränken wir uns auf die, die wir für die besten halten. Auch dauert das Festival diesmal nur neun Tage, früher waren es zehn. Niemand kommt an den Starnberger See und bleibt dann zehn Tage, um das ganze Festival mitzumachen. Deshalb konzentriert sich diesmal vieles auf das Wochenende 26. und 27. August, das wird sicher auch in Zukunft so bleiben. Und wahrscheinlich kann es ab dem nächsten Jahr nicht mehr alle Sektionen geben. Aber das hängt natürlich vor allem von den Förderungen ab, die wir bekommen.

Das Festival feiert in diesem Jahr seinen 17. Geburtstag. Sie selbst sind deutlich älter - denken Sie manchmal auch ans Aufhören?

Es gab irgendwann in der Vorbereitungszeit ein Wochenende, an dem mir alles zu viel geworden ist. Da hätte ich am liebsten sofort aufgehört. Ich bin 63, ich kann die Entscheidung nicht mehr lange vor mir herschieben. Und so hat die 17. Ausgabe auch etwas mit meiner Zukunft zu tun. Mit 17 hat man ja meistens noch die Eltern, die sich um alles kümmern. Aber irgendwann mit 18 oder 19 muss man dann selbst Verantwortung übernehmen. Es wäre mein Traum, dass das Festival erwachsen wird und ohne mich funktioniert. Dafür müsste es sich aber in Zukunft finanziell so tragen, dass man eine Vollzeitstelle für die Festivalleitung schaffen kann. Alles in allem bräuchte es dafür wohl rund 100 000 Euro mehr Budget.

Sehr viel Geld.

Für mich ist das Festival ein unglaublich teures Hobby, das ich mir leiste. Es gibt einfach so viel mehr gute Filme als normalerweise im Kino erscheinen. Mit dem Festival habe ich die Möglichkeit, viele wunderschöne Momente zu vermitteln. Mit dem Festival ist es so wie in vielen anderen Bereichen des Lebens: Wenn man sehr viel hineinsteckt, dann bekommt man auch sehr viel zurück.

Können Sie gut delegieren und Aufgaben abgeben?

Ich glaube schon, dass ich delegieren kann. Aber ich habe den Anspruch, dass jemand anderer es gut macht, und das kostet etwas. Wenn kein Geld dafür da ist, mache ich es eben selbst. Auf das Festival bezogen: Ich bin sicher nicht der einzige, der das kann. Mein Stammpublikum wird ja mit mir älter. Und ich komme nun mal aus den Achtzigerjahren, ich kenne keine Serienstars und weiß nicht, wie viele Follower irgendeiner dieser Stars hat. Das Festival muss natürlich irgendwann jünger werden und auch diese neuen Formate integrieren. Dazu braucht es eine jüngere Leitung, die diese neuen Fähigkeiten hat. Und das kostet Geld.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAusreise aus der DDR
:"Als die Tomaten auf den Tisch kamen, waren die Kinder fassungslos"

Martina Schoeneich reiste 1981 mit ihrer Familie aus der DDR aus, nach zwei Jahren Bespitzelung und Erniedrigung. Schon die Eltern der Dießenerin hatten fliehen wollen - doch ein Telegramm und der Mauerbau am 13. August 1961 hatten das verhindert.

Von Carolin Fries

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: