Porträtmalerei:"Aus einem ernsthaften Gesicht spricht die Seele des Kindes"

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Alte Meister modern interpretiert: Die Dießener Malerin Christine Herr-Tropp fertigt Kinderporträts in Öl an. (Foto: Nila Thiel)

Die Dießener Künstlerin Christine Herr-Tropp fertig seit mehr als 20 Jahren Ölgemälde von Kindern an. Viele Eltern sparen jahrelang, um sich eine solche Erinnerung leisten zu können - und müssen dann doch oft auf ein Lachen auf den Bildern verzichten.

Von Patrizia Steipe, Dießen

Ernst blickt das kleine Mädchen aus der Leinwand. Eine Puppe hängt locker an ihrer Hand, die braunen Haare umrahmen das Gesicht, der Hintergrund ist in hellen Tönen gehalten. Mit dem luftigen Rüschen-Kleidchen hat das Bild einen nostalgischen Charme. "Emma" hat die Malerin das Ganzkörper-Porträt genannt, so hieß auch ihr Model. Auf einem anderen Bild hat Christine Herr-Tropp den Buben Alexander gemalt. Der Junge steht seitlich und blickt neugierig dem Betrachter entgegen. Seine blonden, weichen Haare passen perfekt zu dem hellblauen Hemd und den hellen Shorts, in deren Taschen er lässig seine Hände gesteckt hat. Lange könnte man die Kinder mit ihren unbefangenen Gesichtszügen betrachten. Seit mehr als 20 Jahren fertigt die Dießenerin Herr-Tropp (Jahrgang 1963) Ölgemälde von Kindern an. "Alte Meister modern interpretiert" könnte man ihren Stil nennen.

Die Kinder müssen nicht stundenlang Model stehen. Als Malvorlage nimmt Herr-Tropp Fotografien. Dafür bringen die Kunden zur Fotosession einen ganzen Koffer voller unterschiedlicher Kleider mit. Manches wird gleich aussortiert. "T-Shirts und Leggings, das geht gar nicht für das Bild", sagt die Künstlerin. Auch Muster oder Aufschriften stören. Die Künstlerin nimmt lieber fließende Stoffe in hellen pastelligen Farben. Oder sie malt die Kleidung nach Kundenwünschen. Für die Fotos nimmt sich Herr-Tropp viel Zeit. "Ich möchte die Kinder in ihrem Wesen kennenlernen, erkennen, ob sie eher forsch oder schüchtern sind." Am liebsten fotografiert sie die Kinder ohne Eltern, "dann sind sie ganz bei mir".

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Etwa 200 bis 300 Motive knipst Herr-Tropp. Daraus wählt sie eine Handvoll aus, bei denen der Gesichtsausdruck des Kindes so ist, wie es sich die Malerin vorstellt, und legt sie den Eltern zur Auswahl vor. Manchmal muss sie Überzeugungsarbeit leisten, wenn diese sich ein lachendes Gesicht vorstellen. "Lachen ist nur eine Momentaufnahme, doch aus einem ernsthaften Gesicht spricht die Seele des Kindes", findet Herr-Tropp. Es bringe mehr Spannung in das Gemälde, "man denke nur an die Mona Lisa". Für ihre Porträts nimmt sie ganz klassisch Ölfarben und nicht Acryl "mit seinen toten Farben". Sie mag die Transparenz, die auch nach fünf Farbschichten noch vorhanden ist, auch, wenn mit Öl zu malen vergleichsweise schwierig ist, da man hier Fehler nicht übermalen kann.

Ihre Auftraggeber sind keineswegs nur reiche Familien mit geerbten Villen, in denen die Ahnengalerie erweitert werden soll. Ganz im Gegenteil. "Das sind ganz normale Leute. Viele sparen jahrelang für ein Porträt in Öl." So ein Gemälde habe eine komplett andere Wirkung als beispielsweise ein Fotoposter. Oft sind es Investitionen in die Familiengeschichte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden sollen.

Die Künstlerin berät eine Familie aus Frankfurt: (v. li.) Anke Haueisen mit Tochter Lea, Christine Herr-Tropp, Vater Andreas Groß und Tochter Nora . (Foto: Nila Thiel)

Natürlich ist die Wirkung eines großformatigen etwa 160 mal 70 Zentimeter großen Ganzkörperbilds besonders groß. Angesichts kleiner Wohnungen mit weniger Wandflächen entscheiden sich viele Kunden aber auch für Kopfporträts, die 30 mal 60 Zentimeter groß sind. Was die Kosten betrifft, so verlangt die Künstlerin von einem einen mittleren dreistelligen bis vierstelligen Eurobetrag, je nach Aufwand.

Christine Herr-Tropp stammt aus einem Künstlerhaushalt. Ihr Vater Willi Herr hat als Jagdmaler "fantastische Tiere porträtiert", schwärmt die Tochter. Auch die Mutter hat Porträts angefertigt. "Ich wusste aber ganz sicher, dass ich niemals Malerin werden will", erinnert sich Christine Herr-Tropp. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Die mittlere von drei Töchtern entschied sich zunächst Dekorateurin zu werden. Jahrelang war sie glücklich in ihrem Beruf. Bis ihr Vater sie überredete, 2001 an der Sommerakademie des amerikanischen Porträtmalers Tom Buechner teilzunehmen. "Mein Vater wollte, dass eine von uns dreien seine Arbeit weiterführt", erklärt die Künstlerin.

Im ausladenden Goldrahmen prangt das Ölbild eines kleinen Mädchens. (Foto: Nila Thiel)
Das blonde Mädchen steht seitlich und blickt ernst auf den Betrachter. (Foto: Nila Thiel)

An ihre Anfänge im Kurs erinnert sie sich noch gut. Sie war die einzige Teilnehmerin ohne Vorkenntnisse. "Ich konnte gar nichts", erzählt sie. Ihr Lehrer hatte sich der Technik der Alten Meister verschrieben. Das ließ wenig Raum, um Defizite zu kaschieren. Ihr Ergebnis sei dann aber gar nicht so schlecht gewesen und das Malen hat Spaß gemacht. Zu Hause hat sie dann eine lange schmale Leinwand, die bei ihr herumgelegen hatte, genommen und darauf von einem Foto die Kindergartenfreundin ihres Sohnes abgemalt. Der Prozess habe sie stark bewegt. "Ich wusste sofort: Das ist mein Ding", erinnert sie sich.

Ihr gefällt es, wenn ihr Leute beim Malen zusehen

In den Jahren darauf belegte sie weitere Kurse und tauchte immer tiefer in die Materie Malerei ein. Auf ihren Beruf als Dekorateurin hatte sie bald keine Lust mehr, "ich hatte auch keine Ideen und bin in ein Depressionsloch gefallen", erinnert sie sich. Malen als Hobby reichte ihr nicht mehr. Sie beschloss, dass sie ihr Leben grundlegend verändern muss. 2004 begann das Abenteuer Porträtmalen - "und ich habe es nie bereut". Herr-Tropp malt entweder in ihrem Atelier in Aidenried oder im "Glaskasten" mit den Schiebefenstern, der sich an der Bahnunterführung, vor den Seeanlagen in Dießen befindet. Ihr gefällt, dass ihr durch die großen Glasfenster die Leute beim Malen zusehen und mit ihr das Gespräch suchen können.

Etwa vier Wochen braucht sie für ein Porträt. Die Übergabe gestaltet sie feierlich. Das Bild steht zugedeckt auf der Staffelei. Wenn sie das Tuch wegzieht, beobachtet sie die Mienen der Eltern und des Kindes. "Manchmal haben sie Tränen in den Augen."

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