Verkehrspolitik im Landkreis Starnberg:Radler erobern sich die Straße

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Bei einer Fahrt durch Starnberg und einer Kundgebung auf dem Kirchplatz fordert ein Aktionsbündnis mehr Platz für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer.

Von Patrizia Steipe, Starnberg

Normalerweise fühlen sich Radler in der Starnberger Innenstadt eher an den Rand gedrängt, oft müssen sie sich zwischen den Autos ihren Weg suchen. Am Sonntagnachmittag jedoch gehörte die stark befahrene Münchner Straße kurzzeitig ihnen. Unter dem Motto "Verkehrsraum fairteilen" hatte das Aktionsbündnis Radwegebau im Rahmen des Stadtradelns eine Kundgebung angemeldet. Aus allen Teilen des Landkreises von Tutzing über Gilching bis Gauting waren Teilnehmer zum Kirchplatz gekommen, um für bessere Bedingungen im Radverkehr zu werben. Höhepunkt war eine gemeinsame Fahrt in Richtung Autobahn.

Zum Aktionsbündnis gehören die Kreisverbände des Bundes Naturschutz, die Fahrradclubs ADFC und VCD, die lokalen Fridays-for-Future und Omas-for-Future-Gruppen und die Mobilitätswende Weßling. "Der Radverkehr ist der Schlüssel zur Mobilitätswende", sagte Fahrradaktivist Toni Maier (Grüne). "Wo Autos zusammen kommen, ist der Ort voll aber tot", kritisierte er und mahnte zum "Anhalten und Aussteigen. Denn bei Vollgas kann man nicht denken".

Die Polizei hatte für die Radldemo jeweils die Fahrspuren in einer Richtung freigehalten. So konnte sich eine bunte Karawane aus mehr als 60 Rennrädern, City-Bikes, E-Fahrrädern und Lastenrädern in Bewegung setzen. Laut klingelnd fuhr die Gruppe die Wittelsbacher Straße hinunter und auf der Münchner Straße Richtung Autobahn. Auf der Gegenseite staute sich der Verkehr von der Autobahn. Polizisten auf Motorrädern hatten die Autos zurückgehalten. Zurück ging es über die Münchner Straße und die Hauptstraße. Die meisten Autofahrer nahmen die Zwangspause gelassen. Manche schlossen sich dem Klingelkonzert hupend an, andere zeigten Solidarität durch erhobene Daumen, winkten oder klatschten, aber es gab auch einen Autofahrer, der den Radlern ein deftiges Schimpfwort hinterher rief.

Die Radler treffen auf dem Kirchplatz in Starnberg ein. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Route war bewusst gewählt. So sollte darauf hingewiesen werden, dass beim Starnberger Tunnelbau fahrradfreundlich gebaut werden sollte. Der B2-Tunnel werde mindestens 200 Millionen Euro kosten, sagte Irmgard Franken (Stagenda). Deswegen müssten die oberirdischen Flächen "neu und fair verteilt werden". "Wir brauchen mehr Respekt für die, die nicht im Auto sitzen", forderte sie. Stets werde darüber diskutiert, mit wie vielen Spuren die Autos von der Garmischer Autobahn in die Stadt geführt werden. "Mit wie vielen Spuren werden aber die Radler von München in die Stadt geführt?", fragte Franken. Es müsse auch für den nicht motorisierten Verkehr etwas "rausspringen", meinte sie. Das sahen Erwin und Lucia Spolders, die mit ihren Kindern zur Demo gekommen waren, ähnlich. "Mit dem Rad zur Bücherei - wie?", stand auf dem Plakat von Luka. Bei seiner Schwester Eva stand "Mit dem Rad zur Schule - wie?". Die Familie wohnt am Riedener Weg. "Wir würden gerne mehr mit dem Rad fahren", versicherte die Mutter, doch nicht einmal die Route zur Eisdiele am Kirchplatz sei ungefährlich.

Zum Abschluss der Demo gab es am Kirchplatz eine Diskussion mit den Bundestagskandidatinnen Martina Neubauer (Grüne) und Carmen Wegge (SPD). "Es gibt keine Kommune in Deutschland, die nicht vor den gleichen Problemen steht", sagte Wegge. Wie viele andere scheue auch sie davor zurück, sich mit ihrer sechs Monate alten Tochter dem Verkehr auszusetzen. "Die Sonne scheint, es ist wunderschön und die meisten Leute kommen mit dem Auto", bedauerte sie. Dabei gebe es gute Konzepte, die aber - auch aus Geldgründen - nicht umgesetzt werden.

Die Bundestagskandidatinnen Carmen Wegge (SPD, am Mikrophon) und Martina Neubauer (Grüne) halten Ansprachen. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Kritik von Toni Maier an den "Hochgeschwindigkeitsfahrbahnen" und den "Leitplanken, die frühere Wegebeziehungen behinderten", schlossen sich Gilchinger Radler an. Sie kritisierten, dass Gemeinderatsabstimmungen für Tempolimits vom Landratsamt kassiert worden seien. Die Gesetze würden manches nicht zulassen. Martina Neubauer meinte dazu: "Die Gesetze können wir ändern. Dafür ist Politik doch da."

© SZ vom 28.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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