Landwirtschaft:Bauern demonstrieren gegen neues Tierschutzgesetz

Lesezeit: 2 Min.

Bauerndemo in Gilching: Unter dem Motto "Rettet Berta" kämpfen die Landwirte gegen die geplante Bundesgesetzgebung zum Tierschutz. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das geplante Verbot der Anbindehaltung bedrohe vor allem kleine Höfe in ihrer Existenz, sagt Kreisobmann Georg Holzer. Denn für die nötigen Umbauten der Kuhställe hätten diese kein Geld - und oft auch gar keinen Platz.

Von Patrizia Steipe, Gilching

Die Zukunft für Hanna, Apollonia, Josefa, Hilde, Tina, Ulrike und Susl ist ungewiss. Wenn der von der Bundesregierung geplante Entwurf zum Tierschutzgesetz durchgeht, "dann gibt es keine Zukunft für meine Kühe. Dann ist Aus, Ende, Schluss", sagt die stellvertretende Kreisbäuerin Annette Drexl.

Mit der Aktion "Rettet Berta vor dem Schlachthof und Kleinbauern vor dem Aus" macht der Bayerische Bauernverband seit Samstag bayernweit auf das Problem aufmerksam. In Gilching und Erling hängten Landwirte Banner mit der plakativen Aufschrift "Rettet Kuh Berta" auf. Weitere sollen folgen. Außerdem liegen Flyer in Hofläden, Geschäften und Einrichtungen aus, auf denen ein QR-Code mit Informationen abgerufen werden kann. Bis Mitte Dezember werden Unterschriften - online und in Papierform - gesammelt, die dann in Berlin übergeben werden sollen.

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In Schlagenhofen, einem kleinen Ortsteil von Inning, betreibt die Familie Drexl ihre Landwirtschaft mit sieben Milchkühen und fünf Jungrindern. Täglich werden die Tiere in der Früh auf die Weide getrieben, abends um 17 Uhr geht es zurück in den Anbindestall. Wann die Tiere, die noch Hörner haben, gemächlich über die Straße gehen, hört man am Bimmeln der Kuhglocken, dann müssen die Autos warten. "Viele zücken die Handys und filmen", sagt Drexl. Das ländliche Idyll gefällt, ist aber selten geworden. "Ich bin die einzige in Inning, die noch austreibt."

Damit könnte es bald vorbei sein. Im neuen Tierschutzgesetz soll es verboten sein, dass Tiere angebunden oder fixiert gehalten werden. "Im Landkreis Starnberg gibt es 22 Betriebe, die davon betroffen sind; das ist ein Viertel aller Betriebe. Bayernweit sind es 13 000", weiß Georg Holzer, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands aus Diemendorf. Er befürchtet, dass vor allem kleine Bauernhöfe aufhören müssten. Oft haben sie nur wenige Tiere, die im Sommer auf der Wiese, auf Almen oder Alpen stehen.

"Ich bin die einzige in Inning, die noch austreibt": Anette Drexl in ihrem 1929 erbauten Stall. (Foto: Nila Thiel)

Der Stall der Drexls wurde 1929 gebaut. Daraus einen Laufstall zu machen, geht nicht. Er liegt mitten im Dorf. "Da ist kein Platz", bedauert Drexl. Abgesehen davon würden sich die Nachbarn sicher über Geruch und Lärm beschweren, die ein neuer Stall mit sich bringen würde. Die Immissionswerte würden solche Pläne sowieso vereiteln, stimmte der Friedinger Thomas Berchtold zu. Auch anderen Landwirten im Fünfseenland sei es unmöglich, die Forderungen umzusetzen. "Die Berliner Verbote drohen die Landwirtschaft und die Landschaft für immer zu verändern", befürchtet Holzer. Ohne Gras fressende Rinder würden artenreiche Wiesen verschwinden oder verbuschen.

Bei Holzer steht tatsächlich eine "Berta" im Stall. Allerdings nicht angebunden; 1996 konnte er den alten Stall umbauen. Heute sei das finanziell bei Kosten um die 1,5 Millionen Euro kaum mehr zu stemmen. Als Durchschnittswert werden etwa 20 000 Euro pro Kuh gerechnet. Angesichts der unsicheren Situation bei den Lebensmittelpreisen schrecken viele davor zurück, Investitionen zu tätigen, die noch die nachfolgenden Generationen belasten. Bei Drexls ist der Sohn erst elf Jahre alt. Da weiß sowieso niemand, ob das Kind später überhaupt landwirtschaftlich tätig sein wolle.

Plädiert für längere Übergangszeiten: der Starnberger Kreisbauernobmann Georg Holzer aus Diemendorf. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Jetzt haben wir die Möglichkeit, die Weichen zu stellen, um das Schlimmste abzuwenden," erklärt Holzer. Er fordert Ausnahme- und Kompromissregeln. Betriebe mit ganzjähriger Anbindung bräuchten eine längere Übergangszeit und Unterstützung, um die Ställe zu optimieren. Außerdem sollte die Kombihaltung mit 120 Tagen Bewegung durch Weidegang, Laufhof oder Strohbucht dauerhaft erhalten bleiben.

Die geplanten fünf Jahre, bis das Gesetz gelten soll, seien zu kurz. "In Österreich ist die Kombihaltung Standard", sagt Holzer. Dort wird die Haltungsform mit der Note Drei bewertet (Vier ist die Beste), wenige Kilometer weiter gibt es in Deutschland dafür eine schlechte Zwei. Sterben die deutschen Bauern, werde das Fleisch eben aus Argentinien oder Australien importiert. "Wir Bauern wollen unsere Kulturlandschaft aber so erhalten, wie sie ist, und wir wollen unser Land selbst ernähren", sagt Berchtold.

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