Artenschutz in Krailling:Operation Wechselkröte

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Wo früher Soldaten durchs Gelände robbten, sollen nun im großen Stil Tiere und Pflanzen geschützt werden. Denn auf dem früheren Pionierübungsplatz, dem Tanklager und im Kreuzlinger Forst leben viele bedrohte Arten.

Von Sabine Bader, Starnberg/Krailling

Was haben die Gefleckte Keulenschrecke, das Dunkelstirnige Flechtenbärchen und der Wendehals gemeinsam? Sie stehen alle auf der Roten Liste der bedrohten Arten in Deutschland und kommen in dem Gebiet vor, zu dem der ehemalige Pionierübungsplatz und das Kraillinger Tanklager ebenso zählen wie der Magerrasen im Kreuzlinger Forst.

In dem rund 760 Hektar großen und besonders wertvollen Gelände mit vielen Trockenlebensräumen will der Landkreis Starnberg jetzt ein Projekt von Bayern-Netz-Natur zum Arten- und Biotopschutz umsetzen. Es ist auf fünf Jahre ausgelegt und wird vom Bayerischen Naturschutzfonds gefördert. "Wir wollen das Gebiet weiterentwickeln", sagt Landrat Stefan Frey (CSU). "Denn es ist als sehr schützenswert anerkannt."

Auf den Magerrasenflächen und Schotterfluren, in den lichten Kiefern- und jungen Eichenwäldern kommen besonders viele seltene und in ihrem Bestand gefährdete Tier- und Pflanzenarten vor. Insgesamt konnten in den vergangenen 15 Jahren 193 Arten der Roten Liste nachgewiesen werden. Unter Einbeziehung der sogenannten landkreisbedeutsamen Arten seien es sogar 207, so das Planungsbüro, das die Flächen untersucht hat. "Wir haben es mit einem Gebiet von landesweiter Bedeutung zu tun", sagte Peter Drefahl, der im Landratsamt für Naturschutzrecht und Landschaftspflege zuständig ist.

Ein Vorteil an dem Gelände ist, dass die öffentlichen Freizeitaktivitäten dort bisher relativ begrenzt sind, schließlich handelte es sich unter anderem um einen ehemaligen Pionierübungsplatz und ein von Zäunen umgebenes Tanklager. Tier- und Pflanzenarten konnten sich also relativ unbehelligt entwickelt. Allerdings kommen die Experten zu dem Schluss: Die umzäunten Flächen müssten professioneller und besser gepflegt werden.

Die Heidelerche (Lullula arborea) kommt auf großflächigem Magerrasen in Verbindung mit lichten Wäldern vor. Sie ist stark gefährdet und vom Aussterben bedroht. Im Landkreis kommt sie nur im Projektgelände vor.

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(Foto: Günter Hansbauer/dpa)

Die Wechselkröte (Bufo viridis) ist in Bayern vom Aussterben bedroht. Das bis zu neun Zentimeter lange Tier ist leicht mit der Kreuzkröte zu verwechseln. Es benötigt sandige Böden und laicht in offenen, flachen Gewässern.

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(Foto: imago)

Die Schlingnatter (Coronella austriaca) zählt zu den in Bayern stark gefährdeten Arten und ist in trockenen Lebensräumen zuhause. Im Landkreis Starnberg kommen die Nattern ausschließlich auf besagtem Gelände vor.

Die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) gilt als "Pionierart", die offene Schotterheiden besiedelt. In Bayern ist sie gefährdet und kommt im Landkreis Starnberg nur auf dem Kraillinger Gelände vor.

Aber wie soll die geplante Aufwertung der Areale konkret aussehen? Geplant sind spezielle Artenschutzmaßnahmen wie beispielsweise das Anlegen von sogenannten Pioniergewässern für besonders bedeutende Tierarten wie die Wechselkröte. Statt das Gelände als Freizeit- und Erholungsgebiet öffentlich zu nutzen, könnten nach Ansicht der Fachleute auch geführte Wanderungen für interessierte Bürger angeboten werden. Wichtig sei auch, den Magerrasen durch gezielte Mahd und Entbuschung zu pflegen. Für den Landkreis ist das Vorhaben noch aus einem anderen Grund von Bedeutung. Denn er will die Fläche für sein Ökokonto sichern. "Das ist das Schöne an der Sache", sagte Frey zur SZ. Denn schließlich stünden im Falle neuer Gebietsausweisungen nicht immer genügend ökologisch hochwertige Flächen zum Ausgleich zur Verfügung.

Besagte Areale gehören überwiegend der öffentlichen Hand - das heißt dem Landkreis und der Gemeinde Krailling. Der Eigenanteil an der Maßnahme, die bis 2025 laufen soll, liegt bei 36 430 Euro, wobei auf den Landkreis davon 75 Prozent und auf Krailling 25 Prozent entfallen. Der Landkreis wird das Projekt federführend betreuen. An ihm ist es dann auch, Zuschüsse in Höhe von 218 580 Euro beim Bayerischen Naturschutzfonds und in Höhe von 36 430 Euro beim Bezirk Oberbayern zu beantragen. Das wäre wohl auch im Sinne von Bernhard Breitsameter, dem Geschäftsführer der "G1 Krailling Real Estate GmbH", der das Tanklagergelände gehört. Denn dort habe man, wie er im Gespräch mit der SZ erklärt, bereits angefangen, die Naturschutzpläne umzusetzen - auf eigene Kosten. "Ich halte das Projekt für absolut sinnvoll", sagt Breitsameter, der auch diplomierter Forstwirt ist.

Auch die Gemeinde Krailling hat sich bereits im Vorfeld für das ehrgeizige Vorhaben ausgesprochen. Die überwiegende Mehrheit im Umweltausschuss des Landkreises begreift das Vorhaben ebenfalls als Chance. Adrienne Akontz, die aus Krailling stammt und der Grünen-Fraktion angehört, sagte in der Sitzung am Mittwoch angesichts der hohen Fördersumme: "Für wenig Geld können wir ganz viel tun für den Erhalt der Arten." Allerdings sorgt sich Martin Fink (CSU) wegen der Größe des Gebiets um die Waldbesitzer, die möglicherweise weniger Freiheiten in der Bewirtschaftung ihrer Wälder haben könnten. Da half es auch nichts, dass Landrat Frey versicherte, die Teilnahme am Programm sei rein freiwillig. Fink und zwei weitere Kreisräte stimmten dennoch dagegen, während alle anderen dafür votierten. Als nächstes wird der Kreisausschuss zum Thema gehört.

© SZ vom 08.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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