Kinderbücher aus dem Fünfseenland:Leben mit Melusine, Bubu und Co.

Lesezeit: 4 min

Martina Baumbach mit ihrem Hund Pelle, ein paar Kuscheltieren und einem Vorlesekoffer mit Kinderbüchern. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Martina Baumbach aus Perchting schreibt Kinderliteratur, verfasst "Betthupferl" fürs Radio und veranstaltet Lesungen - auch in Schulen. Lauter Standbeine, mit denen sie ihre Existenz bestreiten kann.

Von Sabine Bader, Perchting

Pelle ist schüchtern, aber er versucht es zu kaschieren. Darum macht er ordentlich Wirbel und bellt was das Zeug hält. Pelle ist Martina Baumbachs Hund. Ein Terrier. Mit ihm und ihrer 25 Jahre alten Tochter lebt die 54-Jährige im Starnberger Ortsteil Perchting. Die ältere Tochter ist bereits ausgezogen. Martina Baumbach hat einen Hang zu Tieren - auch zu Kuscheltieren. Da ist zum Beispiel Melusine, das rosafarbene Zwergschwein von Herrn Olsson, einem Lehrer in einem von Baumbachs Büchern. Melusine als Kuscheltier ist bei so mancher Lesung Baumbachs ebenso mit von der Partie wie eine Plüsch-Eule. Beide Tiere kommen in ihrer Buchreihe Tierwandler vor. Doch dazu später mehr.

Um die 45 Kinderbücher hat Martina Baumbach mittlerweile verfasst. Dabei hat sie sich erst mit 35 zum Autorinnenleben entschlossen. Klar war für sie dann aber von Anfang an: Kinderbücher müssen es sein, keine Romane, Prosa oder Kurzgeschichten. Literatur für Kinder. Baumbach liest selbst gerne Kinderbücher. "Das ist meine Welt, darin fühle ich mich wahnsinnig wohl," sagt sie. Mit ihrer ersten Geschichte (" Paul zieht aus") erscheint sie dann 2005 im Sammelband zum Welttag des Buches. Damit gelingt ihr auch ihre bislang mit Abstand höchste Auflage. 850000 Exemplare waren das. Diese Geschichte erscheint ein Jahr später auch als eigenständiges Buch. Zuvor hatte Baumbach bereits an einem Wettbewerb für ein Literaturstipendium in München teilgenommen, das sie prompt erhielt. Durch das Stipendium wurden auch Verlage auf sie aufmerksam. Heute veröffentlicht sie ihre Werke in mehreren Verlagen.

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Baumbach stammt aus Pöcking und ging in Tutzing zur Schule. Zu ihrer Oma, die im elterlichen Haushalt lebte, hatte sie eine sehr innige Beziehung. Abende und halbe Nächte lang hat sie sich mit ihr Geschichten erzählt. Da die Oma fast erblindet war, spielte das Vorlesen in ihrer eigenen Kinderzeit nicht die große Rolle. Es ging in der Hauptsache ums Erzählen. "Erzähl' mir von früher", hieß es dann oft. Und die Oma erzählte, dann erzählte die Kleine und dann wieder die Oma... Mit sechs oder sieben Jahren hat Martina Baumbach einmal ein Gedicht geschrieben und es der Freundin ihrer Oma geschenkt. Die war begeistert und prophezeite: Das Kind wird mal Autorin!

Doch bis es dazu kommen sollte, vergehen noch viele Jahre. Jahre, in denen Baumbach sich nach und nach in der Autorenwelt einrichtet. Sie sitzt täglich am Schreibtisch. Früher, als ihre eigenen Kinder noch klein waren, ist sie morgens um fünf aufgestanden, um zu schreiben, und abends, wenn sie Kleinen im Bett waren, schrieb sie dann weiter. Heute muss sie nicht mehr im Morgengrauen loslegen. Jetzt kann sie sich die Zeit lockerer einteilen. Doch trotzdem ist sie praktisch ständig am Schreiben und Ideensammeln.

Die "Tierwandler"-Reihe nimmt inzwischen fast ein ganzes Regalbrett ein. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Für die kleineren Kinder verfasst Martina Baumbach Bilderbücher. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Unter ihrem Schreibtisch liegt meist Terrier Pelle im Hundebett und träumt von seinen ganz eigenen Abenteuern, die nicht zwingend etwas mit Kinderbüchern zu tun haben, sondern wohl eher mit spannenden Gerüchen, etwa von anderen Hunden und Katzen. Auf dem Schreibtisch steht das 20 Zentimeter hohe Abbild von "Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf" - kurz: Pippi. Eines von Baumbachs eigenen Lieblingsbüchern als Kind. "Pippi Langstrumpf ist die Heldin meiner Kindheit. Ich hab' das Buch sehr gerne, sehr oft gelesen. In der Villa Kunterbunt bin ich in meiner Fantasie herumspaziert. Ich wollte auch so stark sein wie Pippi und ein Pferd haben." Auch Pumuckl mag Baumbach besonders gern: "Er ist der Beste. Ein Pflichtfach in der Schule sollte Pumucklisch sein." Und Harry Potter? "Der ist großartig..."

Potter-Fans wissen auch, dass fortgeschrittene Zauberer und Hexen ihre eigenen Patroni zur Hilfe rufen können. Das sind persönliche Schutzzauber in Tiergestalt. In Baumbachs Tierwandlern, ihre aktuellen Reihe, dreht sich auch alles um Tiergestalten. Das Buch spielt an einer Schule, der Bärenfeldschule. Es ist keine ganz normale Schule: Denn es gibt dort ein paar Kinder, die einen geheimen Unterricht in der siebten Stunde gekommen - nämlich Tierwandler-Unterricht bei Herrn Olson, der mit seiner Assistentin, dem Zwergschwein Melusine, in einen Bauwagen hinter der Schule zieht. Nach und nach schaffen es die Kinder, sich zu verwandeln und ihre persönliche Tiergestalt zu finden.

Die Idee für die Tierwandler-Geschichte sei ihr gekommen, als auf einem Baum vor ihrem früheren Arbeitszimmer eine Eule angeflattert kam, die einige Zeit lang täglich wiederkehrte, erzählt Baumbach. Sie war praktisch die Patin für die Tierwandler. Jetzt erscheint schon der achte Band der Reihe.

Manchmal muss Baumbach an ihrem Computer schmunzeln, wenn ihr eine neue Idee kommt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Rund 70 Lesungen vor Schulklassen oder in Büchereien macht die Autorin pro Jahr. Natürlich sind die Situationen in den Kassen sehr unterschiedlich. "Das liegt auch daran, welche Verbindungen die Grundschulkinder zu ihren Lehrerinnen haben." So manche Klasse müsse man für die Materie erst begeistern. "Und da gibt mehr Mittel als das Lesen." Gern hat sie darum ihre Kuscheltiere mit dabei, die beispielsweise Blödsinn machen, sich verstecken oder stören. Man könne auch Spiele machen mit den Kindern oder ein Quiz. Eine Art szenische Lesung ist das dann. "Es ist durchaus möglich, dass auch Kinder in der ersten Klasse eine Stunde lang folgen können", weiß Baumbach aus Erfahrung. Sie schreibt für Kindergartenkinder und Grundschüler. Entstanden sind auch Themen-Kinderbücher über Scheidung, Tod oder Demenz.

Melusine und die Kuschel-Eule thronen mit Vorlesekoffer. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Als Kind hat Martina Baumbach gern die Sendung "Betthupferl" im Radio gehört. Als dann die Anfrage kam, ob sie selbst eines schreiben wolle, willigte sie natürlich ein. Da ist zum Beispiel der "Bubu" - das ist ein Affe, der ständig angibt. Natürlich gibt es von ihm auch ein Kuscheltier in Baumbachs Haushalt. Inzwischen hat sie mehr als 100 Betthupferl geschrieben. Von "Bubu" gibt es inzwischen zwölf Staffeln.

Kann man vom Kinderbuch-Schreiben leben?

Auch Hörbücher sind im Laufe der Jahre entstanden. Baumbach ist nahezu ständig am Schreiben. Da drängt sich die Frage auf: Kann man davon eigentlich leben? "Ich habe oft gehört, dass man das nicht kann. Es hängt natürlich davon ab, wie viele Bücher man im Jahr schreibt und wie deren Verkaufszahlen sind. Von ihnen hängen die Tantiemen ab," sagt Baumbach. Ein zweites, wichtiges Standbein seien die Lesungen. "Ich schaffe es jetzt mit einem Paket, bestehend aus Schreiben, Lesen und Schreibworkshops von meinem Beruf leben zu können." Bis vor einigen Jahren hatte die Autorin praktisch noch einen Brotberuf im medizinischen Bereich.

Für Baumbach steht eines in jedem Fall fest: Kinderbücher sind Literatur. "Absolut. Und Kinderliteratur ist nicht zwingend altersgebunden, sondern für alle bereichernd." Daher empfiehlt sie allen Erwachsenen, mal wieder in einem Kinder- oder Jugendbuch zu schmökern.

Aber genug der Worte, findet zumindest Pelle. Jetzt ist endlich er an der Reihe. Er will Gassi gehen.

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