Integration:Wie sich vier Afghanen bei der Freiwilligen Feuerwehr engagieren

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Nicolas Gontscharow (Mitte) verfolgt, wie Issa Ahmadi, Salman Muradi, Ruhullah Chamran und Raza Muradi (von links) Knoten üben. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Flüchtlinge stecken noch in der Ausbildung. Manchmal sind die Kameraden schon ausgerückt, bis sie es mit ihren Fahrrädern zum Gerätehaus geschafft haben.

Von Carolin Fries, Krailling

Das Zauberwort heißt Wiederholung. Issa Ahmadi wirft das Seil über das Stahlgeländer der Hubarbeitsbühne in der Kraillinger Feuerwehrhalle. Geschickt bildet er Schlaufen, die er übereinanderlegt und schließlich verknotet. Der Mastwurf gilt als der wichtigste Knoten bei Einsätzen der Feuerwehr, er dient zum Sichern und Halten ebenso wie zum Transport von Gerätschaften. Im vergangenen Herbst hat ihn der 35 Jahre alte Afghane zum ersten Mal von Oberfeuerwehrfrau Birgit Groll gezeigt bekommen, seither übt er regelmäßig. Einmal im Monat erhalten er und drei weitere Flüchtlinge aus Afghanistan von der Freiwilligen Feuerwehr Krailling in einem separaten Kurs die Erstausbildung. "Nicht schwierig", sagt Ahmadi. "Sie machen das gut", bestätigt Oberfeuerwehrmann Nicolas Gontscharow.

Eines Tages seien sie einfach da gewesen, erinnert sich Birgit Groll. Anfangs noch etwa zehn männliche Flüchtlinge, irgendwann nur mehr vier. Außer Ahmadi waren das Ruhullah Chamran, 32, Salman Muradi, 26, und Raza Muradi, 22. Letztere sind nicht verwandt, sondern tragen lediglich den gleichen, in Afghanistan sehr häufigen Nachnamen. Die beiden haben sich auf ihrer Flucht kennengelernt, ihre Mitstreiter lernten sie in der Flüchtlingsunterkunft in Tutzing kennen. Seit eineinhalb Jahren wohnen sie alle im Containerdorf am Rand von Krailling.

Bei der Feuerwehr haben sie mitgemacht, so gut es ging, doch Birgit Groll hat schnell gemerkt: Die Männer verstehen zu wenig, um das Tempo der deutschen Anwärter halten zu können. Also schlug sie eine eigene Gruppe vor, die vor allem die erschwerte Kommunikation berücksichtigt. Die Kommandanten Richard Siebler und Marco Zickler waren gleich einverstanden. "Die Herkunft macht für uns keinen Unterschied. Im Idealfall bekommen wir neue Einsatzkräfte", sagt Zickler.

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Aktuell haben "die Jungs", wie Groll sie nennt, zwei Leistungsprüfungen abgelegt und dürfen auf Einsätze mitfahren, sich dabei aber nur außerhalb des Gefahrenbereichs aufhalten. Manchmal hat es schon geklappt, dass sie das Einsatzfahrzeug erwischt haben, wenn ihr Piepser ging. Doch oft sind sie mit dem Fahrrad von ihrer Unterkunft am Ortsrand zu spät im Zentrum, von wo aus ausgerückt wird. Dort haben sie eine eigene Uniform hängen, wenn auch noch mit provisorischem Namensschild, einem beschrifteten Klebestreifen. Die Uniform der Feuerwehr zu tragen, fühle sich gut an, sagt Raza Muradi. Der 22-Jährige erzählt, dass er in Afghanistan ehrenamtlich für einen Wohlfahrtsverband vergleichbar mit dem Roten Kreuz tätig gewesen sei. Eine Freiwillige Feuerwehr gäbe es in seiner Heimat nicht, nur eine Berufsfeuerwehr. Er macht gerade eine Ausbildung zum Schreiner. "Ich will aber auch sozial etwas tun", sagt er. Den anderen geht es ähnlich. Sie wollen sich sinnvoll einbringen und gleichzeitig von der Gemeinschaft Feuerwehr profitieren, wo man sich kennt, gemeinsam feiert oder auch mal ein privates Problem besprechen kann. Birgit Groll hilft dann, so gut sie kann. Sie habe es noch keinen Tag bereut, ihre Freizeit in die Ausbildung der jungen Männer aus Afghanistan gesteckt zu haben. "Sie sind wirklich engagiert und wollen sich integrieren", sagt sie.

Ewa 60 Aktive gibt es bei der Kraillinger Feuerwehr, und wenn es nach Marco Zickler geht, dürften es ruhig mehr sein. Gerade bei Einsätzen am Tag fehle Personal. Darum freut er sich über die Feuerwehranwärter, die inzwischen Brustbund und Zimmermannsschlag üben, andere gängige Knoten. Wenn alles nach Plan läuft, sollen sie im kommenden Jahr die Jugendleistungsprüfung machen. Zwei Jahre später wäre dann die Abschlussprüfung für die modulare Truppausbildung möglich. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, das wissen sie alle.

Nach eineinhalb Stunden Knoten üben lässt die Konzentration nach. Birgit Groll merkt es unter anderem daran, dass die Männer kaum noch nachfragen, wenn sie etwas erklärt. Das hatte sie ihnen als erstes beigebracht. Issa Ahmadi erinnert sich. Was er macht, wenn er etwas nicht versteht? "Nochmal", sagt er und lächelt still.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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